Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch)
Auruliyuth:
Kapitel 15 – Abschied von Malte
Malte traf ich in dem Café, wo wir uns schon einmal getroffen hatten. Er war bereits dort und hatte einen Tisch reserviert, der zwar etwas abseits stand, von dem man jedoch alles sehen konnte.
Kaum hatte er mich gesehen, war er freudestrahlend aufgesprungen. Seine Art hatte etwas herzlich erfrischendes und eine unkomplizierte Natürlichkeit. Es würde mir viel schwerer fallen als ich gedacht hatte. Für einen Moment wünschte ich mir Jens herbei.
'Soll ich kommen, Liebes?' war seine direkte gedankliche Antwort auf meinen Wunsch. Ich erschrak bei seiner direkten Art zu antworten. Ich musste möglichst rasch lernen, meine Gedanken bei mir zu behalten. Schnell dachte ich ebenso spontan als Antwort: 'Nein, Jens. Das ist lieb von Dir. Aber es wäre Malte gegenüber nicht fair. Ich möchte, dass er mich und diese Stunde in guter Erinnerung behält. Wenn ich gar nicht mehr weiter weiß, oder es mir zu schwer fällt, melde ich mich wieder.'
Ich wusste, er war in meiner Nähe. Doch niemals würde er in meine Gedanken ohne mein Einverständnis eindringen.
Malte kam auf mich zu und umarmte mich herzlich. „Schön, dass Du Zeit gefunden hast, Steffi,“ freute er sich. Er machte mir den Einstieg leichter als ich dachte. „Ja, das stimmt. In ein paar Tagen schon ist meine Reha leider wieder zu Ende,“ gab ich etwas traurig von mir.
Es stimmte ja, dass ich den Ort, die Leute und auch das Meer vermissen würde. Eine bedrückende Stille war eingekehrt. Keiner von uns beiden wusste, was er als nächstes sagen sollte. Zum Glück kam in dem Moment die Bedienung und brachte zwei Eiskaffee. Malte war einfach davon ausgegangen, dass ich das gleiche wie die letzten Male trinken würde. Das Kaffee war fast überfüllt und die Bedienung war um jede Erleichterung dankbar.
In Gedanken versunken rührte ich in meinem Eiskaffee und nahm einen Schluck davon. Ich blickte an den Leuten vorbei aufs offene Meer und sah den Möwen bei ihrem verspielten Flug mit dem Wind zu.
Es hatte sich damals so gut angefühlt als ich auf Argus' Rücken saß und meine Flügel im Wind gespürt hatte.
Malte hingegen betrachtete mich so als wollte er sich alles von mir genau einprägen. Zaghaft legte er seine Hand auf meinen Arm. „Steffi?“ Ich blickte Malte an und sah in seinen Augen einen hoffnungsvollen Schimmer.
„Steffi, könntest Du Dir vorstellen hier zu wohnen?“ Es fiel ihm offensichtlich nicht leicht zu sagen, wie sehr er mich mochte oder wie sehr er wollte, dass ich blieb. Ich überlegte einen Moment, wie ich ihm antworten sollte.
„Malte... so gern ich hier meine Tage verbracht habe, und so schön es hier auch direkt am Meer ist, ...“ begann ich. Doch er war bereits enttäuscht, weil er ahnte, was jetzt kommen würde. Er ließ deshalb von meiner Hand ab um Abstand zu gewinnen.
„... ich vermisse hier die Berge. Die unendliche Weite ist hier fast beängstigend für mich. Es gibt bei uns zwar auch eine Fernsicht, aber nur an manchen Tagen und man muss dazu hoch auf einen Berg oder eine Anhöhe steigen oder fahren.“
Malte schluckte schwer. Jemanden wie mich hatte er schon immer gesucht. Das war ihm aber erst aufgefallen, als ich im Krankenhaus gelegen hatte. Er holte tief Luft und nahm all seinen Mut zusammen. „Und wenn ich mit Dir mitkommen würde? Könntest Du Dir ein Leben mit uns zwei vorstellen?“
Ängstlich verharrte er vor mir und war sich gleichzeitig nicht sicher, ob er meine Antwort hören wollte. Denn insgeheim kannte er sie bereits. „Malte...“ Ich blickte ihn traurig an. Ich wusste gleichzeitig, dass ihn meine nächsten Worte tief verletzen würden. Dennoch hatte er die Wahrheit verdient zu hören.
„Ich mag Dich sehr, Malte. Du hast mir ein paar Mal aus brenzligen Situationen heraus geholfen, und ich meinte, ich müsste Dich vor Eagle beschützen. Aber für eine gemeinsame Zukunft braucht es etwas mehr als nur Zuneigung.“
In Maltes Augen war jeder Glanz erloschen. Er bemühte sich dennoch seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ich wusste nicht, wie ich ihn noch trösten konnte.
Jedes weitere Wort von mir war für ihn wie Öl ins Feuer gegossen. Sein Blick ging an mir vorbei ins Leere. Es fiel mir niemand ein, den ich hätte verständigen können, um nach Malte zu sehen.
Ich litt selber darunter, dass ich ihm nicht helfen konnte. Ich berührte besorgt seine Hand, die er jedoch fast sofort wieder weg zog. So als hätte er sich verbrannt. Nein, Mitleid wollte er keines haben!
Also nahm ich meine Tasche und meine Jacke vom Stuhl und stand leise auf. Ich griff zu meinem Geldbeutel, ließ dann aber wieder davon ab. Malte hatte kaum merklich den Kopf geschüttelt. Er wollte nicht, dass ich bezahlte. Dies war das letzte bisschen Würde, das ihm vor mir noch geblieben war.
Ich hätte mich gern richtig von ihm verabschiedet, aber er war noch immer so verschlossen. Deshalb gab ich ihm einen letzten Kuss auf die Stirn und ging aus dem Café hinaus.
Ich war so unsagbar traurig, dass Jens dies spürte und sofort besorgt nach dem Grund fragte. 'Ich glaube, ich habe gerade einen guten Freund verloren,' gab ich resigniert zu. 'Vielleicht wird das mit Malte ja wieder. Lass ihm etwas Zeit. Und wenn Du willst, können wir gemeinsam mit ihm reden. Auch wir würden einen Freund verlieren.'
Ich lief zu einer Bank auf dem Marktplatz, setzte mich und betrachtete versonnen den Brunnen, der vor sich hin plätscherte. Jens meldete sich erneut in meinen Gedanken. 'Kommst Du wieder zurück, Steffi?'
'Lass mich noch ein paar Minuten hier auf der Bank sitzen.' Ich folgte einer Eingebung. 'Wenn Du möchtest, Jens, kannst Du auch noch kommen.' Er sagte gleich zu und lief sofort los.
Ein paar Minuten später kam Malte niedergeschlagen aus dem Café heraus. Er schaute sich kurz um. Seine Miene hellte sich schlagartig auf als er mich sah. Und er kam dann direkt auf meine Bank zu.
Ohne Umschweife begann er: „Bin ich froh, dass ich Dich noch treffe, Steffi. Ich bin ein Ochse, dass ich mich nicht von Dir verabschiedet habe. Ich möchte wenigstens, dass wir gute Freunde bleiben.“
Ich war froh, dass sich Malte so rasch gefangen hatte. Dieser Schritt musste ihm auch unheimlich schwer gefallen sein. „Ich möchte auch, dass wir gute Freunde bleiben, Malte,“ entgegnete ich. „Jens will auch noch bis in ein paar Minuten dazu kommen.“
Wir schwiegen beide wieder. Aber jetzt war es ein friedvolles, harmonisches Schweigen. Malte kam eine Idee, die er sofort darlegte. „Sag mal, Steffi, Hast Du nicht zufällig noch eine Schwester?“
Ich sah ihn ausdruckslos an und entgegnete tonlos: „Ja, ich hatte eine Schwester...“ Weiter kam ich nicht und konnte nicht mehr verhindern, wie mir die Tränen über mein Gesicht liefen.
Malte blickte mich ratlos und erschrocken an. Er wusste nicht, was er falsches gesagt haben sollte. „Steffi... ich... es tut mir leid, wenn ich Dich verletzt haben sollte.“ Vorsichtig streichelte er mir den Rücken, wodurch sich bei mir ein Teil meiner Anspannung löste.
Ich blickte kurz dankbar auf und weinte mich dann an seiner Schulter weiter aus. Ich war unfähig zu antworten. Ich weinte all die Tränen, die ich seit dem Flugzeugunglück nicht hatte weinen können. Es tat noch immer weh daran zu denken. Aber die befreienden Tränen halfen mir mit meiner Trauer besser fertig zu werden.
So fand uns wenig später Jens. Er fühlte den schmerzlichen Verlust meiner Schwester mit mir mit. Deshalb setzte er sich wortlos auf meine andere Seite, nachdem er Malte mit einem Handschlag stumm begrüßt hatte.
Ich wechselte meine Stellung und drehte mich zu Jens, um meine Trauer weiter verarbeiten zu können. Der Therapeut wusste um den Verlust der Familie und erklärte auf Maltes fragenden Gesichtsausdruck: „Steffi kam hierher in die Reha, weil sie erst vor kurzem ihre komplette Familie bei einem Flugzeugabsturz verloren hat: Vater, Mutter und ihre jüngere Schwester.“
Jetzt verstand Malte, was er bei mir losgetreten hatte. „Ich bin wirklich ein egoistischer Ochse. Aber der Allergrößte den es gibt,“ stellte er ohne Umschweife fest. „Woher hättest Du das wissen sollen?“ fragte ich entschuldigend und hatte noch immer ein paar Tränen in den Augen. Ich hatte mich soweit beruhigt, dass ich wieder ansprechbar war.
„Ich hätte nicht so egoistisch sein dürfen und hätte mich mehr für Dich interessieren müssen, Steffi. Ich war jetzt zwar sehr enttäuscht, aber wenn ich euch zwei so sehe, seid ihr das perfekte Paar. Ich wünsche mir nur zwei Dinge von euch. Bleibt immer zusammen, egal was passiert. Und, lasst uns gute Freunde bleiben.“
Jens versprach: „Ich lasse Steffi nie wieder los. Ich habe sie jetzt erst gefunden. Und bestimmt bleiben wir gute Freunde, Malte. Schließlich müssen wir zusammen halten.“
Malte atmete erleichtert auf.
*****
Auruliyuth:
Epilog
Ich verließ nach dem Abendessen mein Zimmer, in welchem ich noch ein aufgesetztes Schreiben möglichst auffällig auf den Tisch hingelegt hatte. Jens hatte mir noch ein paar Anweisungen gegeben, was mit meinem Gepäck und meinen persönlichen Sachen zu geschehen hatte.
Ein langer Brief mit einer plausiblen Entschuldigung an die Klinikleitung lag verschlossen im Zimmer auf dem Tisch. Direkt daneben befand sich das Schreiben worin stand, was mit meinem Gepäck passieren sollte.
Allerdings würde mich frühestens morgen früh jemand vermissen und dann anhand dieses Schreibens wissen, was zu tun sei. Den Abschlussbericht des Arztes und der begleitenden Therapeutin würde mein früherer Hausarzt bekommen. Da heute so oder so mein Abreisetag gewesen wäre, hoffte ich, dass ich durch meine vorzeitige Abwesenheit nicht zu viel Aufsehen erregen würde.
Frohen Mutes lief ich zum vereinbarten Treffpunkt am abgelegenen Strand. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, dass ich das richtige tat. Schade nur, dass ich so lange gebraucht hatte, um zu verstehen, dass Jens und ich untrennbar zusammen gehörten.
Schon von weitem sah ich meinen geliebten Argus in seiner prächtigen Drachengestalt sitzen. Seinen Kopf mit den fröhlich schillernden Augen hatte er mir zugewandt.
Ein Wechselbad der Gefühle hatte ich bereits hinter mir. Ich hatte mich endgültig entschieden.
In aller Eile lief ich glücklich auf ihn zu und bemerkte auch dieses mal nicht, wie ich immer wieder strauchelte und mich dabei unaufhaltsam in einen Drachen verwandelte. Endlich hatte das geklappt, was wir tagelang am Strand geübt hatten.
Er lächelte mir zu und sprach: „Ich liebe Dich, Steffi. Und ich habe schon mein halbes Leben lang nach Dir gesucht. Endlich habe ich Dich gefunden.“
...und gemeinsam flogen wir los... einer neuen Zukunft entgegen.
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Falls dir meine Geschichte gefallen hat, so wäre ich über ein Feedback dankbar, und es würde mich sehr freuen. :-)
Fühle dich in eine andere Realität entführt und von mir wohlwollend umflügelt ^,',^
Wenn es das Schicksal will, werdet ihr Steffi und Jens irgendwann einmal wieder begegnen.
Bis dahin: Lebe Deinen Traum ^v~
Aventura:
Klasse Geschichte, mir gefaellt sie richtig gut. Hab ohne Pause gelesen. :)
Auruliyuth:
Vielen Dank :)
Es freut mich, dass sie dir gefallen hat ^^
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