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Autor Thema: Marble Planet  (Gelesen 7999 mal)
arakis
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« am: 04.Januar.2008, 16:14:39 »

I

Die Straße war Nebel verhangen und bot seit Tagen eine erschreckend ähnliche Szenerie dar.
Zias blickte sich um, in der Erwartung, ein Hinweis würde auf ihn zukommen und ihm endlich erklären, wo er sich befand. Doch er blieb natürlich aus.
Zias erkannte, dass ihn von beiden Seiten Geschäfte umgaben, deren Türen verschlossen waren, dennoch so labil erschienen, als ließen sie sich kurzerhand umstoßen. Er hatte es allerdings aufgegeben, dort nach Menschen zu suchen. Der siebzehn jährige Junge hatte bereits genug Zeit damit vergeudet.
Am Ende des Horizonts war ein großes Einkaufszentrum zu sehen. Es war das einzige Gebäude, dass noch beleuchtet war. Dafür jedoch gleich so gut, dass man den Schriftzug der Filiale selbst aus dieser enormen Entfernung lesen konnte. „Marble Planet“
Ein Murmel Geschäft? Zias glaubte das nicht. Aber dennoch fragte er sich, wie man auf einen solchen Namen kommen konnte. Er kickte eine zerbeulte Cola-Dose vor sich her und lauschte dem Surren der, im Sterben, liegenden Laternen, die, wie eine große Schlange Stück für Stück im gleichen Abstand hintereinander aufgestellt waren. Die monotonen Geräusche, die sie von sich gaben, war das letzte, wodurch man ihnen noch Beachtung schenken konnte.
Stunden vergingen und der leicht verzweifelte Junge hatte den letzten Ort verlassen, bevor er das Marble Planet erreichen würde. Erschöpft lehnte er sich gegen ein Straßenschild und holte Luft. Sie erschien ihm hier recht dünn. Es war ein Autobahn-Schild, das die Verkehrsteilnehmer daran erinnern sollte, hier mindestens 60 Stundenkilometer zu fahren. Ironisch, wenn man bedachte, das Zias mit seinen langsamen Schritten nicht mal auf drei Stundenkilometer kam. Er raffte sich wieder auf und schlug die Augenlieder hoch. Er hörte etwas. Das Knurren eines Motors. Da war er sicher. Es kam aus der Richtung, aus der er kam.
Erwartungsvoll drehte er sich um und erkannte Bewegung am Horizont. Ein Motorrad düste aus der Ferne auf ihn zu. Wild fuchtelte er mit den Armen in der Luft herum.
Das erste mal seit Längeren, benutze er seine Stimme, um auf sich aufmerksam zu machen.
Der Motorradfahrer wurde sichtlich langsamer und rollte schließlich auf den Jungen zu, bis er schließlich ein paar Meter vor ihm zum Stillstand kam. Der Nebel hatte sein Visier beschlagen, sodass sein Gesicht unbekannt blieb. Er stieg ab und senkte seinen Helm dem Jungen entgegen. „Was bin ich froh, endlich jemanden zu sehen.“
Zias nickte abrupt, allerdings mit leichtem Misstrauen. „Wer sind Sie?“
Der Motorradfahrer griff seinen Helm und nahm ihn mit der rechten Hand herunter. Ein älteres Gesicht ein glatzköpfigen Mannes zu kam zum Vorschein. Zumindest waren seine wenigen Haare kaum mehr zu sehen. Seine Stimme war eindeutig die, eines Rauchers.
„Richard Harrington.“ Er zeigte ruhig in die Richtung, aus der er gekommen war. „Ich hab drüben in Suedetown gearbeitet, seit ich vor drei Wochen entlassen worden bin. Das Textilunternehmen hat geschlossen. Zum Bedauern vieler...“ Seine letzten Worte wurden leiser. „Und du? Was treibt dich hierher?“
Zias senkte die Augenbrauen, als hätte ihn diese Frage verärgert. Er schwieg und schaute Richtung dem Einkaufsgiganten. „Das... Einkaufszentrum.“
„Das Einkaufszentrum?“ erwiderte Richard. „Was ist denn damit?“
„Sehen Sie nicht? Es ist der einzige Ort meilenweit, der Leben ausstrahlt. Jeder, der in dieser Einöde feststecken würde, wollte dorthin.“ Zias sah auf das Motorrad, das mit Sicherheit auch eine zweite Person verkraften würde. Richard schaute sich um. „Jetzt wo du es sagst. Ja, es ist etwas...“ Ihm fehlte der richtige Begriff, aber sein Gesichtszug ließ erahnen, dass er in diesem Moment dasselbe dachte, wie Zias. „Steig auf, dann fahren wir hin.“
Zias war verdutzt, dass der Fremde so zuvorkommend war und scheinbar fühlte er diese Leere ringsherum tatsächlich nicht. Er Junge stieg auf das Motorrad und hielt sich am Richards Rücken fest, der die Maschine lautstark startete. Das Autobahnschild gewann in diesem Augenblick wieder seine Bedeutung. Zügig steuerten die beiden auf Marble Planet zu.
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arakis
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« Antworten #1 am: 05.Januar.2008, 19:14:02 »

II

„Da wären wir.“ Richard stütze sich mit dem rechten Bein auf den Boden, während er das riesige schlichte Gebäude von seinem Motorrad begutachtete. Ein monströser weißer Kasten, der mit ein paar vereinzelten grauen Schlieren überzogen war. So wollte man meinen. Aus dem Boden schauten Scheinwerfer, die dem Bauwerk eine übertriebene Anerkennung zollten.
Es war von Licht überflutet, während wenige Lichtstrahlen im Nebel hängen blieben.
Zias indessen ab und betrat die trockene Straße. Seine Neugier trieb ihn voran, während Richard sein fahrbaren Untersatz abschloss. „Warte. Wie haben doch genug Zeit.“
Zias war schon ein Stück vorgegangen und blieb neben einem Pavillon stehen, in dem zahlreiche Einkaufswagen parkten. Zögernd schaute er sie sich an, bis Richard nachgekommen war. Sie standen mitten auf dem Parkgelände. Nur wenige Autos nutzen den übermäßigen Platz. Dennoch bekam Zias Hoffnung, noch mehr Leute zu treffen. Zias rannte los und peilte den Eingangsbereich an, den eine automatische Schiebetür markierte. Die Wolken verdichteten sich und erste Regentropfen fielen vom Himmel. Der Bewegungssensor über der Tür erkannte den Besuch und die Türflügel fuhren schwerfällig auseinander. Richard kam hinterher getrottet und zog den Kragen seine Lederjacke hoch, um sich vor dem kühlen Niederschlag zu schütze. Als er den ungeduldigen Zias erreicht hatte, spürte auch er die Wärme, die aus dem Kaufhaus floss. Es war überaus angenehm. Langsam traten die beiden ein und hörten vereinzelte durcheinander redende Stimmen, die aus den Zwischenräumen der zahllosen Regalen ertönten. Zur Linken stand der Kassenbereich, Fünfzehn an der Zahl. An Kasse 14 wartete ein Frau beständig und überaus aufmerksam, dass Kundschaft kommen würde. Richard sah zu ihr rüber und wollte hingehen, doch Zias packte ihn am Arm und deutete geradeaus auf die Schwenktüren. „Hier müssen wir lang, Mister Harrington.“
Richard runzelte die Stirn. „Dort drüben ist eine Verkäuferin. Wollen wir uns nicht mit ihr unterhalten?“ Zias zog ihn unsanft in den Warenbereich hinein. Die Regale waren voll mit Murmeln. So fern das Auge reichte. Die unterschiedlichsten Farben und Formen. Richard weitete die Augen, als ihm dieser Umstand bewusst wurde. „Was ist...“ Die beiden kamen zur Tiefkühlabteilung. Überall nur Murmeln. Zias schaute sich um, während Richards ein leichtes Gefühl von Angst durchzog. „Ein ganzes Kaufhaus voll mit Murmeln.“ Bestätigte der Junge.
„Ich verstehe das nicht.“ stammelte Richard. Am Ende des Ganges stand eine junge Frau vor einem Regal mit grünen Murmeln und kramte in ihrer Brieftasche. Sie suchte etwas. Richards Schritte wurden schneller. Zias blieb stehen und schaute hinterher.
„Entschuldigen Sie. Mein Name ist Richard.“ Der, noch immer von Verwirrung gekennzeichnete Mann, schaute zu der dunkelhaarigen Dame, während er sich die Schweißtropfen von der Stirn wischte, die sich durch seinen nervösen Zustand gebildet hatten.
„Oh. Hallo. Es tut mir leid, ich habe Sie gar nicht bemerkt. Ich hoffe, Sie stehen noch nicht allzu lange hier.“ Die Frau sah Richard vorwurfsvoll an. Sie hatte wunderschöne Augen und strahlte ein wohligen Gefühl von Zufriedenheit aus. „Es.. es macht doch nichts.“ Er schluckte kurz. „ich ..ich bin etwas durcheinander. Ich meine... sehen Sie nicht? Ein ganzer Laden... voll mit Murmeln. Was hat das zu bedeuten?“ Die Frau lächelte. „Und so schöne noch dazu. Schauen Sie.“ Die Frau nahm eine grüne Murmel aus dem Regal und hielt sie Richard hin.
„Voller Leben. Sehen sie hinein, dann wissen Sie, was ich meine.“ Richards Herz pochte weiter. Die Anwesenheit der Frau hatte ihn nicht sonderlich beruhigt. Er schaute in die Murmel. „Was...?“ Die Frau nickte zufrieden. Richard erkannte, was die Frau gemeint hatte. Die Murmel hatte ein Innenleben. In ihr regte sich etwas. Geformter Nebel schwamm von Innenwand zu Innenwand und immer so weiter. Es wirkte, als suche der Inhalt der Murmel nach einem Ausgang. Immer und immer wieder. Die Frau nahm die Murmel wieder an sich. „Ich glaube, ich werde sie kaufen.“ Lächelnd verschwand sie hinter der Ecke des Regals. Richard sah hinterher, ohne sich zu rühren. Ein Zerren holte ihn wieder zurück in die Realität. „Zias? ...diese Frau...“ Zias stand neben ihm und zog eine Augenbraue hoch. „Welche Frau?“
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« Antworten #2 am: 11.Januar.2008, 22:56:34 »

III

Zögernd traten die beiden um die Ecke. Ein langer leerer Gang offenbarte sich, der sich kaum von den vielen anderen Gängen unterschied. Eine Lautsprecherdurchsage zerriss das zerstreute Schweigen: „Miss Mayton. Miss Mayton bitte zum Empfang.“ Richard schaute sich um und horchte dem Ausklingen der Durchsage, um zu orten, wo es herkam. Anstrengung zeichnete sich in seinem Gesicht wieder. Es wurde ihm allmählich zu viel. Zias sah den Mann kurz musternd an, wandte sich dann ab und bewegte sich weiter den Gang entlang. „Vielleicht..“ Richard brach ab und folgte Zias. Auf den Jungen hatte dieser Ort sichtlich keinen Eindruck geschunden. Doch Richard fiel dieses Verhalten erst jetzt auf. Zias drehte den Kopf langsam von der einen Richtung in die Andere, als suche er nach etwas. „Junge, sag mir... was willst du hier jetzt eigentlich? Ich...“ Zias beschleunigte den Schritt, nachdem seine Augen etwas erspäht hatten. Beiläufig antwortete er auf die Frage. „Jeder, der von da draußen kommt, will hierher...“ Er erreichte eine Rolltreppe und blieb neben ihr stehen, um die Information zu sehen. Richard hatte auf seinem Weg mindestens drei weitere Personen zwischen den Regalen erkennen können. Doch Zias hatte für den Moment eine anziehende Wirkung auf ihn. Er folgte dem Jungen. „ ...erster Stock ..zweiter Stock... dritter... ah.. der siebte Stock.“ Zias hatte scheinbar gefunden, was er suchte. „Im siebten Stock? Richard stutzte, als er auf der Tafel den Schriftzug „Besonders große Murmeln“ las. Der Mann sah seine Begleitung ratlos an und setzte an, den Kopf zu schütteln. „Das ist doch verrückt.“ Zias lächelte. Aber keineswegs hinterhältig. Er freute sich auf etwas. Kaum das rechte Bein auf die Rolltreppe gesetzt, erschrak der Junge, als Richard seine geballte Faust gegen die Tafel schlug. „Junge! Jetzt ist genug! Ich mach das hier nicht mehr mit!“ „Schade.“ Entgegnete Zias und entfernte sich langsam, aber stetig mit der Rolltreppe von dem unten gebliebenden Motorradfahrer. Zias Blick war klar, seine Augen glasig, wie das Material der Murmeln, in diesem Laden. Das Surren der Elektronik in der Treppe dominierte Zias Gehör. Richard hatte sich abgewandt und verschwand unter dem Jungen irgendwo zwischen den Regalen.
Zias kam an und stieg auf die direkt daneben liegenden Treppe, um in das nächste Geschoss zu fahren. Flüsternde Unterhaltungen drangen in sein Bewusstsein. Es mussten die Kunden gewesen sein, die den Laden besuchten. Der Blick des Jungen war starr geworden, die Mundwinkel leicht gehoben. Treppe für Treppe, sah er auf die Regale unter sich herab und erkannte in den Regalen Murmeln in allen Variationen. Man bekam beinahe den Eindruck, als beobachteten sie den Jungen. Und es gefiel ihm. „Ich bin da.“
„Kannst du mit vielleicht helfen, junger Mann?“ Zias Blick richtete sich auf und er sah in die menschenleere Abteilung, die vor ihm lag. „Ich denke nicht...“ Seine Schritte bewegten sich auf einen großen runden Tisch zu, der in der Mitte dieser Abteilung stand. Eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter. Eine ältere Dame mit einem langen Gewand und einem Kopftuch erschien hinter ihm, als er sich schließlich zur Seite drehte. „Weißt du, ich suche nur die Toilette. Sie zeigte ihm ihre Handflächen, die mit vertrockneter Erde versehen waren. Zumindest sah es danach aus. „Ich bin draußen gestürzt und als ich mich aufgefangen habe, hatte ich diesen Matsch an den Händen. Aber ich bekomme ihn nicht ab.“ Zias sah ihre Hände an und tat sich schwer, sie bei ihrem orientalischen Akzent zu verstehen. „Sehen Sie auf die Tafel, da steht es sicher.“ Die Frau entdeckte die Tafel und schaute rasch von oben nach unten durch. „Oh.. der vierte Stock.“ Sie lächelte Zias an und steuerte auf die Treppe zu, die wieder nach unten führte. Der Junge hatte wieder den Tisch im Blick und erkannte nun den großen Glaskörper darauf. Die Beleuchtung dieser Etage war, das fiel ihm jetzt auf, scheinbar einzig darauf ausgerichtet, dieses Objekt zur Schau zu stellen. Es war mit Abstand die größte der Murmeln in diesem Geschäft. „Aber das ist doch!!“ Die Stimme kam von der Rolltreppe. Mit wilden Schritte eilte die alte Frau entgegen der Fahrtrichtung der Treppe, als ihre Augen das bemerkten, was Zias scheinbar ersucht hatte. Ihr Blick sollte an die Dankbarkeit an Zias gerichtet sein. Doch das vergaß sie in diesem Augenblick. Keuchend, kam sie oben wieder an.
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« Antworten #3 am: 16.Januar.2008, 00:29:59 »

IV

„Ich.. ich habe dich!“ Die alte Frau mit der Kopfbedeckung hatte die Arme stark um das gläserne Objekt geschlungen. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie ließ ihren Gefühlen in diesem Augenblick völlige Freiheiten. Zias war zur Seite gegangen und hielt sich mit seiner rechten Hand an dem Geländer fest, das zur Absturzsicherung an der Rolltreppe angebracht war. Er verstand nicht, was er sah, er fühlte nur eine gewisse Zuneigung zu der großen Murmel, die er bei dem Anblick der alten Frau aber rasch wieder verlor. Im Hintergrund öffnete sich eine Tür, die einen Raum für das Geschäftspersonal beherbergte. Der eiserne Türflügel öffnete sich leise, sodass die Person zunächst unbemerkbar blieb, die sich den Geschäftsartikel dieser Etage näherte. „Guten Tag. Ich bin Mr. Fellow, kann ich Ihnen behilflich sein?“ Die junge Servicekraft hatte einen eleganten Anzug an dem ein Schild befestigt war. Es trug den Namen des Einkaufszentrums und den der Servicekraft „Mr. Fellow.“ Der jüngere Mann streckte seine Hand anbietend aus. Zias und die Frau bemerkten den Mann beide und drehten sich überrascht zu ihm.
„Wie teuer ist diese Kugel? Sagen Sie es mir?“ Die Frau zeigte einen entschlossenen Blick.
„Die hier... steht hier doch nur zu Werbezwecken. Sie ist ein Teil unserer Dekoration. Sie verstehen doch...“ Mr. Fellow schaute leicht mitleidig auf die, wie eingenommen, agierende Frau. „Dann brauchen sie die ja sowieso nicht. Ich nehme sie.“ Die Stimme der Frau ging hastig und heiser und ihr Akzent verschluckte fast jedes Verständnis dieser Worte.
„Bedaure, meine Frau, ich...“ Die Alte löste ihre Arme von der Murmel und drehte sich leicht gebückt zu dem Geschäftsmitarbeiter. „Sie wollen sie für sich behalten, ja? Ist das nicht ziemlich egoistisch?“ Sie benahm sich ruhig, aber diese Ruhe versteckte sie hinter einer sehr schmalen Bühne. Zias spürte das und rettete sich langsam auf die Rolltreppe, die wieder abwärts führte. „Kommen Sie.“ Mr. Fellow legte seinen Arm sanft auf die Schulter der Frau, sodass er seinen Rücken leicht neigen musste. „Ich glaube, es geht Ihnen nicht gut. Ich mache Ihnen erst mal einen Kaffee. Wie heißen Sie denn, meine Dame?“ Mr. Fellow führte die Frau langsam von der großen Murmel weg, während ihr Blick an ihr haften blieb. „Burla...“
Zias konnte die Szene nicht weiter beobachten, da die automatische Treppe ihn bereits zu weit nach unten befördert hatte. Sein Atem ging unregelmäßig, da ihn die Situation irgendwie unangenehm mitgenommen hatte. Die Frau muss wirklich große Sorgen gehabt haben, dachte der Junge sich und schüttelte den Kopf.
Er kam unten an und betrat den Parkettboden. Er war seit Eintritt langsamer geworden und schaute sich nun häufiger um. Er hätte diese leisen Unterhaltungen wieder, aber konnte niemanden sehen. Es musste irgendwo zwischen den Regalen sein. Er ging weiter und kam in die Lebensmittelabteilung, die, wie alle Abteilungen voller Murmeln waren. Er spürte ein leises Hungergefühl, dass sich durch ein Grummeln in seinem Magen meldete. „ ...Ja, und das begreife ich einfach nicht.
„Was... so meinst du das also? ...gut.. ja.. Hey, ich bin hier übrigens in so einem total schönen Laden gelandet... ja, ich habe den Verkehrsdienst angerufen... ja, die kümmern sich drum... jetzt hör mir doch mal zu... ja...“  Die junge Frau hatte den Arm stützend an die Theke des Informationsschalters gelegt und die Beine voreinander geschlagen. Lässig drehte sie ihre Augen Richtung Mobiltelefon, das sie mit der anderen Hand an ihr Ohr gelegt hatte. „Schatz, jetzt mach dir doch nicht wieder so einen Kopf.. ich bringe dir auch was Süßes mit, na? ...ich hab dich lieb, Ciao.“ Die Worte verhalten in Zias Ohren, auf das ein regelmäßiges Klackern folgte, das ein Damenschuh auf festem Boden hinterließ. Es klang allmählich aus, während der Junge an dem Informationsstand angekommen war. Er sah sich wirr um und wusste, dass er dieses Gespräch gehört hatte. Aber er sah niemanden. „Bin ich jetzt ganz irre!?“ Seine Stimme trug Ärger in sich. Ratlos schüttelte er seinen Kopf und steuerte den Weg wieder zurück, den er gekommen war. „ ...wo ist Richard?“ murmelte er...
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arakis
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« Antworten #4 am: 16.Januar.2008, 22:55:33 »

V

Mr. Fellow hatte die alte Frau, die sich mit Burla vorgestellt hatte, in einen kleinen Lagerraum gebracht, wo er sich mit ihr an einen Tisch setzte, der neben der Tür aufgestellt war. An beiden Plätzen dampfte ein warmer Kaffee. Der junge Angestellte sah der Frau sorgvoll in die Augen und gestikulierte ruhig mit der rechten Hand „Sie sehen nicht gut aus, meine Dame.“ Er deutete auf die verschwitzte Stirn hin, auf der ein paar zusammengeklebte Haare lagen. Die Frau war reichlich mit Stoffen und Tüchern verhüllt. Ihr musste unheimlich warm gewesen sein und doch presste sie die Hände an ihren Kaffee. „Bitte verkaufen sie mir diese Murmel. Ich muss sie haben, mehr will ich doch nicht von Ihnen ...Mr.. Fellow“ Für die letzten Worte kniff sie ihr Augen zusammen und blickte auf das Schild des Mitarbeiters.
„Nennen sie mich Josh.“ Er legte die Hände gefaltet auf dem Tisch, während die Lampe an der Decke Mühe hatte, sich am Leben zu erhalten. Die Szenerie hätte genauso gut ein Verhör sein können. Josh holte tief Luft und versuchte es mit einem freundlichen Lächeln. „Wie ich Ihnen schon sagte, wir verkaufen keine Dekoration, aber ich könnte Ihnen anbieten, hier zu arbeiten. Dann könnten sie diese Dekoration jeden Tag sehen.“
Die Frau blickte den Mann aus ihren leblosen Augen an. „Ja. Ich bleibe hier.“
„Wie ist ihr Nachname?“ entgegnete Josh. „Sizmak. Ich heiße Sizmak.“ Die Frau antwortete schnell und fiel ihrem Gegenüber beinahe ins Wort.
Josh nickte und stand auf, um zu einer Kommode zu gehen, das neben dem Tisch zwischen den zahlreichen Kartons voller Murmeln eingebettet war. Er zog eine Schublade heraus, in der Hunderte kleiner Schilder aufbewahrt waren. Er wühlte ein wenig in ihr herum, bis er sich wieder aufrichtete und ein Schild in die Hand genommen hatte „Sizmak.“
Er schob die Schublade wieder in das, aus Blech bestehende Möbelstück und kam an den Tisch zurück, wo er der Frau das Schild hinlegte. „Bitte sehr. Sie können jetzt anfangen.“
Burlas Augen weiteten sich leicht und drehten sich zu dem kleinen Schild, woraufhin sie zögernd eine Hand von der Tasse ließ, um das kleine Objekt aufzunehmen. „Was wollen Sie von mir!? Was?“ Josh lächelte die Frau an und hielt inne.

Indessen streifte Zias noch immer durch den Laden. Er suchte schon seit einer guten Viertelstunde nach Richard. Seine Blicke huschten hastig hin und her. Doch alles, was er zu sehen bekam, waren Regale und Murmeln. Wenn er denn wenigstens einen anderen Menschen hätte finden können, von denen das unregelmäßige Flüstern kam, wäre er im Augenblick wohl schon zufrieden gewesen. „Wo sind die alle...?“ Zias hatte die Kassen im Erdgeschoss erreicht und sah durch alle Schalter. Weit und breit keine Seele.
Er schüttelte seinen Kopf und bewegte sich Richtung Ausgang, dessen Bewegungssensor den Jungen bereits bemerken und die Schiebetüren auseinander zogen. Kühle Luft strömte in das Kaufhaus hinein und verdampfte in den ersten Metern sofort zu dünnen Nebelschlieren.
Es waren ein paar Autos weniger geworden, die auf dem Parkplatz standen. Zias schnappte den Sauerstoff, um den leichten Schwindel abzuschütteln, der sich in seinem Kopf breitgemacht hatte. Er bewegte sich weiter auf den großen leeren Platz, bis ihm das klare Geräusch einer weinenden Frau ertönte. Es war die gleiche Frau, die er noch vorhin telefonieren gehört hatte. Der Junge schaute sich um und brauchte nicht lange, bis er auf einer Bank, direkt neben einem Fahrradabstellschuppen die verbitterte Frau vorfand. Ihre Arme lagen auf den aufgetürmten Kniescheiben, ihr Kopf hing leblos herunter. Zias näherte sich und schluckte langsam. „Hey... “ Die Frau bemerkte ihn scheinbar nicht, was man in ihrem Zustand auch nicht zu erwarten hatte. Er legte seinen Arm sanft auf ihren Rücken und wollte die Situation abmildern. Ein Handy klingelte. Zias drehte sich um, ließ den Arm wieder hochfahren und erblickte auf der Erde das vibrierende Mobiltelefon. „Ich...“ er blickte nochmals zu der Frau, doch sie reagierte nicht. Das Klingeln dauerte an und der Junge beschloss, das Handy aufzunehmen um das Telefonat entgegenzunehmen.
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arakis
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« Antworten #5 am: 17.Januar.2008, 23:47:46 »

VI

Die Luft fühlte sich kühl an. Die Frau war am Boden zerstört und hatte Zias nicht wahrgenommen. Sie hatte sichtlich andere Sorgen. Der Junge hörte ein nervöses Atmen auf der anderen Seite der Leitung. „ ... ...es tut mir leid, aber so kann das nicht weitergehen. Er wäre besser, wenn du alles vergisst. Es findet sich schon jemand. Also, tschüss.“
Es war die tiefe Stimme eines jungen Mannes gewesen und Zias ahnte, was passiert war. Er schaute unsicher zu der Frau und war unsicher, wie er jetzt mit ihr umgehen sollte. Zwei, drei Schritte rückwärts, bewegte er sich von ihr weg und legte das Telefon wieder auf den Boden.
Der niederschlagende Anblick verdrängte Zias Absicht, mit Hilfe der Frau aus der merkwürdigen Situation herauszukommen. Er biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Die Frau hatte sich erhoben und bewegte sich, schwächlich wirkend, auf den Eingang des Geschäftes zurück. Doch was wollte sie dort? Endlich riss sich Zias aus seiner Unsicherheit heraus und lief hinterher. „Hey, Sie da!“
Die Frau drehte sich um, bevor sie das große Gebäude wieder betreten hatte. Sie hatte Mühe, die Augenlieder zu halten und ihre Mundwinkel waren tief abgesunken. Gleichgültig starrte sie auf ihren jungen Verfolger „Was willst du? Geh nach hause, okay ?...“ Zias schluckte „Sie sehen echt nicht gut aus...“ Die Frau drehte sich wieder weg und ging weiter „Was du nicht sagst.“ Sie verschwand wieder im Laden, wobei sie mit einer Hand in ihrer Handtasche wühlte. Es funkelte, wie ein kleines Stück Glas. Eine Murmel. Zias sah es nicht, aber irgendwie wusste er es. Er hatte die Frau aus den Augen verloren und stand nun wieder allein in der Kälte. Ihm war nicht gut und sein Kehlkopf zog sich unangenehm zusammen, sodass es leicht schmerzte. Stimmen ertönten in der Umgebung „ ...habt ihr alles ins Auto eingeladen? Ja? Dann kommt, lasst uns losfahren. Ein schönes Abendessen wartet auf uns.“ Mit dem Geräusch eines ratternden Motors verlor sich die Kulisse wieder. Zias hatte sich mittlerweile umgeschaut, sah aber nichts als die stehende Luft und die im Hintergrund verblassten Abzäunungen, die das Gelände des Einkaufzentrums abgrenzten.

Richard stand indessen an einer Kasse und unterhielt sich mit der Kassiererin. Sie waren wohl schon länger in ein Gespräch verwickelt, wobei Richard noch immer anzusehen war, dass ihm die Tatsache zu schaffen machte, dass er sich in einem Geschäft befand, das mit Murmeln handelte. Die Frau an der Kasse gestikulierte gelassen mit den Händen und blickte immer wieder an Richard vorbei, ob Kundschaft hinzukam. „Wissen sie, ich fand es damals genauso seltsam, wie Sie, als ich davon las. Aber ob Briefmarken, Münzen oder Murmeln. Man denkt irgendwann nicht mehr so recht darüber nach, wenn es darum geht, sein Geld zu verdienen. Ich meine, sehen Sie, ich habe vorher meinem Mann auf dem Feld geholfen. Überall nichts, als Getreide. Ist das nicht genauso langweilig? Die Leute müssen etwas essen. Natürlich. Andere brauchen eben etwas Dekoration für ihre Wohnung. Verstehen Sie? Hauptsache, die Leute sind zufrieden.“ Die Frau erzählte eifrig aus ihrem Leben, während Richard ihr zuhörte.
„Ja, das verstehe ich schon. Ich glaube, die Welt entwickelt sich einfach zu schnell, für einen alten Mann, wie mich.“ Er tastete seine Stirn ab und bestätigte sich, indem er sich an seinen kahlen Kopf erinnerte. „In diesem Gebäude ist sicher Rauchverbot, oder?“ Die Frau nickte und deutete auf einen Kunden, der auf die Kasse zukam. „Entschuldigen Sie mich.“ Richard lächelte. Zumindest versuchte er es und verließ die Kasse auf der anderen Seite wieder. „Danke. Vielleicht sieht man sich ja wieder.“
Der etwas verzweifelte Mann hatte sich entschlossen diesen Ort wieder zu verlassen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass es besser gewesen wäre, hätte er Zias und vor allem sich selbst nicht hierher gebracht. Er bewegte sich von der Kasse Nummer 14, den Nummerierungen abwärts, entlang, um zum Ausgang zu gelangen. Auf der Hälfte des Weges rollten ihm plötzlich ein paar gläserne Kugel gegen die Schuhe. Verwundert sah er zu seiner Rechten und erblickte eine offenstehende Tür, die einen unbeleuchteten Raum beherbergte.
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« Antworten #6 am: 19.Januar.2008, 23:32:19 »

VII

Der ältere Mann bückte sich langsam zu den Kugeln herab und nahm eine der Murmeln zwischen seine Finger. Er rief sich die Worte der Frau in das Gedächtnis, die er an einem der Regale angetroffen hatte. ... Voller Leben. Sehen sie hinein, dann wissen Sie, was ich meine.
„Voller Leben...“ sprach Richard nach und sah tief in die Murmel hinein. Er sah es wieder. Deutlicher, als das Letzte Mal. Das Innere der Kugel wand sich hin und her, sprang an die gläserne Wand. Der Mann schüttelte den Kopf, während er die Augenbrauen ratlos herabsetzte. „Sie! Was tun Sie da! Lassen sie die Murmel sofort los! Dieb! Sie Dieb!!“
Die Stimme war aggressiv und der orientalische Akzent war unverwechselbar. Hastige Schritte ertönten. Richard begann zu schwitzen und ließ den Glaskorpus fallen, der auf den Boden aufschlug. Seine Beine bewegten ihn ohne weitere Gedanken rückwärts auf die offenstehende Tür zu. „ ...was ..soll das alles...?“ Er stammelte, während die alte Frau mittlerweile aus der Ferne zu erkennen war. Nebel steig auf. Die Luft wurde plötzlich vor Richards Augen zerfressen. Seine Lungen streiken und er begann fürchterlich zu röcheln.
Die Frau war vor ihm zum Stillstand gekommen und begann zu brüllen. Er verstand ihre Worte nicht mehr und stürzte nach hinten weg. Mit größter Mühe kratze er seine Fingernägel in den Parkettboden und zog sich an ihnen langsam aus dem Schleier heraus. Sein Herzmuskel drohte zu verkrampfen. Erst, als ihm dunkel vor Augen wurde, drang wieder Luft in seinen Körper. „... kch.. kch... “  ... „ ..kch.. kch.. kch...“

Zur selben Zeit war Josh Fellow dabei, einem Kunden eine Frage zu beantworten. Er war von einen alten Mann, Mitte 70, aufgelesen worden, der nach einem Geburtstagsgeschenk fragte.
„Wissen Sie, nehmen sie doch eine von diesen hier. Wenn Sie sich diese schöne Murmel einmal genauer ansehen, spüren sie die Frische der Natur. Was meinen Sie?“ Der Mitarbeiter war ganz in seinem Element und lächelte den alten Mann immerzu in die Augen hinein.
Der Mann nickte. „Ach.... das ist wirklich schön. Man muss wirklich genau hinsehen, junger Mann.“ Josh strahlte zufrieden und legte die Hände vor seinem Bauch zusammen. „Es freut mich, wenn...“ Er brach ab und drehte seinen Kopf, fast automatisch in Richtung der Rolltreppe, die von dieser Etage nach unten führte. „Was haben Sie, junger Mann?“ Josh ließ den alten Kunden zurück und bewegte sich zielstrebig auf die Rolltreppe zu. Er lief mit raschen Schritten abwärts. „Junger Mann?“ Der alte Mann sah verdutzt hinterher.

Richards Hand tastete sich mit einem Arm eine kühle Wand entlang. Sein Tastsinn vernahm plötzlich eine glatte Oberfläche, die etwas von der Wand abstand. Der noch immer keuchende Mann, drückte jetzt die ganze Wandfläche dagegen, woraufhin der Raum von der Decke aus mit Licht überflutet wurde. Der hatte den Lichtschalter betätigt. Angestrengte wandte er seine Augen zur Tür hin, die langsam zurück in den Rahmen lief. Von draußen war noch dichter Nebel zu sehen. Und auch das ärgerliche Wimmern der alten Frau war wieder in sein Gehör zurückgedrungen. Richards Kraft kam allmählich wieder. Er arbeitete sich hoch und fand zur Hilfe ein Hängeregal neben sich, an dem er sich hochzuziehen versuchte. Doch im gleichen Augenblick, riss das Möbelstück aus der Wand und krachte auf dem Boden entzwei.
Er raffte sich, getrieben von seiner Furcht, trotzdem hoch und ergriff die Türklinke, um den Raum zu schließen. Es passierte unkoordiniert, aber mit Erfolg. Er dachte nicht länger nach und warf seinen Körper gegen die Eisentür und verbarrikadierte sich somit. Sein Keuchen glich dem verzerrten Atmen eines Tieres, das im Sterben lag. „Der Schüssel!“ Noch bevor der Mann sich eine kurze Pause gönnte, legte er den Schlüssel um, der im Türschloss steckte.
Keine Sekunde später ging die Klinke herunter. Ein weiteres Mal wurde von einer souveränen Stimme begleitet. „Machen Sie auf. Hören Sie, machen Sie sofort die Tür auf. Sie befinden sich in einem Bereich, für den nur Mitarbeiter Zutritt haben. Ich warne Sie.“
Richards Nerven lagen blank. „ Oh ...schei*e.. oh, ...Himmel ...Gott..“ .. „Machen sie auf.“
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« Antworten #7 am: 20.Januar.2008, 22:03:48 »

VIII

Von draußen begann ein Gespräch zwischen der Person, die Richard gewarnt hatte, die Tür zu öffnen und einer Person, dessen Stimme der völlig entsetzte Motorradfahrer nicht zuordnen konnte. „Er hat sich eingeschlossen, Josh.“ Instinktiv drückte Richard sein Ohr an die Tür, um dem Dialog zumindest ansatzweise folgen zu können. „Ja. Sie haben ihre Arbeit getan. Wir müssen jetzt abwarten, bis er wieder herauskommt.“ Die andere Stimme verlor an Erregung. „Ich habe versucht, ihn aufzuhalten. Aber er ist einfach darein und... ich meine, er bestiehlt unser Geschäft und dann...“ Josh schien die nötige Ruhe zu bewahren und ging mit seiner Antwort dazwischen. „Kommen Sie.“ Es war das letzte, das Richard abhören konnte. Keine Schritte, keine Stimmen mehr. Sein Atem verlangsamte sich nur gemächlich. Die Situation war schneller passiert, als er sie wahrnehmen konnte und erst langsam begriff er, was geschehen war. Seine Hand lag auf seinen Augen nieder, die er geschlossen hatte. Schweißtropfen liefen über sein Gesicht und legten sich auf seine Handfläche, die ohnehin schon feucht geworden war.
Es verging eine Weile, in der Nichts geschah und Richard den Raum musterte. Er hatte die Augen wieder frei gemacht und erkannte gefüllte Pappschachteln mit Bergen von leerem Papier, die einen Schreibtisch umgaben. Es war nur eine kleine Nische, die den Weg zu dem hölzernen Möbelstück ebnete. An den Wänden standen Regale, aus dünnem Blech. Weitere Kisten füllten deren Zwischenböden. Vermutlich mit Murmeln, wie Richard bei diesem Anblick darauf schloss. Es war zwecklos, zu warten, dass jemand kam und diesem Spuk ein Ende setzte. Gerade, wo er doch die Rolle übernommen hatte einem anderen Menschen zu helfen. Doch Zias war seit den letzten Stunden verschwunden. Oder anders gesagt, hatte Richard nicht mehr nach ihm gesucht. Der Mann erhob sich und ging auf den Schreibtisch zu, auf den er sich kurz aufstützte. Sein Blick fiel in die Lampe, deren Licht seine Augen schmerzen ließ. Er begann einen Monolog, während er den Kopf wieder senkte und auf die Schubladengriffe starrte, die am linken und rechten Flügel des Tisches herausragten.
„Drei Wochen ist es her, dass die Firma schloss. Ich wollte ein gelassenes Leben anfangen. Die Früchte der Arbeit einen Moment lang genießen, bevor ich mich wieder dem Ernst des Lebens widme.“ Er holte Feuerzeug und eine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und sah den Slogan auf dem Päckchen an. „Anscheinend ist es mir nicht gegönnt. Die Menschen in Suedetown. Es hat sie verändert. Eine miese Stimmung erreichte die Stadt. Ich wollte mir mein Leben dort nicht verderben lassen. Bin abgezischt. Die anderen Käffer in der Gegend... überall hat die depressive Stimmung eingesetzt. Ich bin hier gelandet.. dieser Ort macht mich fertig...“ Er hatte eine Zigarette aus der Schachtel genommen und sie angezündet. Mit einer ruhigen Handbewegung nahm er einen Zug und verteilte mit einem Atemstoß eine Nebelwolke über dem Schreibtisch. Er sah herab und zog die Schubladen aus dem Tisch. Sein Blick fiel auf beiden Seiten auf unzählige Namensschilder. Ratlos wühlte er darin herum und ließ die Zigarette aus dem Mund fallen, als er seinen Namen auf einem der Schilder las.
„Was zum Teufel...“ Richard musste kräftig husten, während seine Hände wilder in einer der Schubladen zu wühlen begannen. Seine Finger ertasteten kleine Kugeln und unter ihnen Papier. Er wollte es heraus ziehen, doch der Irrsinn erreichte ihm wieder und ließ seinen Körper zurückschrecken. Er hielt sich seinen Kopf und schüttelte ihn kräftig. „Ich.. ich...“
Er überwand diesen Zustand und zog jetzt das Papier heraus. Es war eine Liste von Namen.
„Einkaufsliste. Umsätze vom 13.Septmeber...“ Er überflog die Namen, während die Buchstaben immer wieder zu verschwimmen drohten. „...Zias Tefler... 49,90$ .... ...Richard Harrington... 59,90$...“ Es waren gut Hundert Namen und die „1“ in der Fußzeile ließ weitere Seiten erahnen. „Zias....“ Er wusste, dass es sein Zias war. „Hast du das alles gewusst...?“
Seine Stimme flüsterte und war heiser geworden. Sein Blick wanderte zur Tür, durch die er in diesen Raum gekommen war. Ohne weiteres Überlegen, steckte er sich eine weitere Zigarette an, die er, ohne den Blick abzuwenden, aus der Schachtel genommen hatte. Rauch stieg auf...
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« Antworten #8 am: 22.Januar.2008, 01:25:46 »

IX

Richard hatte den Punkt überwunden, an dem er noch in Zweifeln versank und diese Geschichte immer und immer wieder überdachte. Er drehte den Schlüssel um und drückte seine Finger um die Türklinke. Kraftvoll presste er das Stück Eisen herunter und ließ die Tür aus dem Rahmen, nach außen gleiten. Es gab einen leisen fegenden Ton von sich und das Geräusch von Murmeln, die gegen die Tür rollten, war zu hören. Als er heraus trat, war kein Mensch zu sehen. Die Angestellten hatten anscheinend nicht damit gerechnet, dass der ältere Mann sich so zügig gegen einen weiteren Aufenthalt in dem Raum entscheiden würde.
„Zias! Komm raus!“ Los, komm sofort raus!“ Der Ruf hallte unangenehm durch den gesamten Eingangsbereich. Leise wirre Stimmen antworteten auf seinen Ausruf. „ ...da ist er... den holen wir uns... ja...“ Richard machte ein paar unsichere Schritte in den Gang hinein und erkannte, dass die Murmeln mittlerweile an der Wand neben der Tür zum Stillstand gekommen waren. Schritte ertönten. Sie mussten in unmittelbarer Nähe sein, doch es war keiner weit und breit zu sehen. Vorsichtig bewegte sich der Mann auf die Kasse 14 zu, an der er sich vor Kurzem noch mit der Kassiererin unterhalten hatte. Seine Blicke wechselten immer wieder die Richtung, während der Rauch seiner Zigarette sich im ganzen Gang verteilte. Es war kühler geworden. Als der Motorradfahrer an der angesteuerten Kasse angekommen war, legte er seine Handflächen auf die Ablage nieder, die dazu gedacht war, die Waren zwischen zulagern. Er stützte sich auf und sah auf den leeren Drehstuhl, der mit einem gepunkteten Muster gepolstert war. Die Kasse war nicht mehr besetzt, wie alle anderen Kassen auch. Er sah rasch durch alle Schalter. Ein unangenehmes Flüstern setzte sich in seinem Kopf fest, bis er plötzlich aus seinem resignierten Zustand herausgerissen wurde.
„Sie sind doch der Mann von vorhin.“ Die Stimme klang brüchig. Richard sah hoch und erkannte auf der anderen Seite der Kasse die Frau, die ihm kurz nach Ladeneintritt eine der Murmeln gezeigt hatte. Ihr Haar war durcheinander gekommen und unter ihren rötlichen Augen waren feuchte Ränder zu sehen. „Mr. Harrington..“
Richard sah sie an und war erschrocken über ihren schlimmen Zustand. „Was ist mit ihnen passiert...?“ Die junge Frau lehnte sich mit dem Rücken zu Richard gewandt gegen die Glasscheibe, die die Kunden von der Kassiererin trennen sollte. „ ...mein Freund hat Schluss gemacht. Vorhin... ich kann’s einfach nicht verstehen...“ Ihr rollten erneut die Tränen über die Wangen. Richard wusste das, ohne sie sehen zu müssen. Er nahm seine Zigarette aus dem Mund und legte sie beiseite. Ruhig atmend richtete er sich wieder auf und ging rüber zu der Frau, um seine Hand auf ihre Schulter zu legen. Sie hob ihren Arm, um ihre Hand auf seine zu legen. „ ...Danke.“ Richard sprach leise, und spürte die angenehme Wärme der Frau.
„Wie heißen Sie eigentlich? Ich habe ihren Namen noch gar nicht erfahren.“ Die Frau erwiderte, während sie die Augen wieder auf Richard richtete. „Cathrin. Du kannst mich ruhig duzen.“ Sie schluckte. „Okay, Cathrin. Ich muss dich etwas fragen. Hast du einen etwa 18jährigen Jungen gesehen? Er hat blonde Haare, trägt ein milchfarbenes Hemd mit schwarzen Mustern drauf und...“ Cathrin fiel ihm ins Wort, während sie ihre Hand und die von Richard wieder von ihrer Schulter nahm. „Ach den meinst du... ja, der stand vorhin noch vorm Eingang.“ Richard bemühte sich, die Nerven zu wahren und verfiel in eine nervöse Gestik. „Irgendwas ist hier seltsam und dieser Junge hängt da mit drin. Ich befürchte sogar, er weiß ganz genau, was los ist.“ Cathrin schaute Richard unschlüssig an und wischte die feuchten Augenränder aus. „Was meinst du damit. Was soll nicht stimmen...?“ Sie richtete den Blick kurz in Richtung Laden und sah auf die vereinzelten Leute, die an den Regalen standen und scheinbar Selbstgespräche führten. „Der ganze verdammte Laden ist völlig abgedreht. Diese Murmeln hätten mir vorhin fast das Leben gekostet, und dann hat man mich auch noch gejagt.“ Richard bemerkte Cathrins irritierten Gesichtszug. „Der ganze Laden ist Menschenleer geworden. Niemand weit und breit. Schau doch.“ Cathrin starrte auf die Leute an den Regalen. „Ja, es ist nicht viel los...“ Richard sah in der Tat niemanden außer Cathrin...
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« Antworten #9 am: 24.Januar.2008, 22:52:59 »

X

Richard atmete tief durch und versuchte Sauerstoff durch seine verkrampfte Kehle zu schleusen, doch stattdessen gelang nur dickflüssiger Nebel in seinen Körper. Zumindest waren es seine Empfindungen. Er hustete und sah Cathrin an. „Ich werde gehen und Zias suchen. Und dir rate ich, von hier zu verschwinden.“ Die Frau nickte und machte ein paar Schritte aus dem Kassendurchgang heraus. Sie schaute Richard mit leblosen Augen an, während sie sich langsam aber sicher entfernte. „ ...viel Glück...“ ... „Danke.“
Die beiden gingen auseinander. Irgendwie wurde Richard das Gefühl nicht los, dass es nicht das letzte Mal war, dass er Cathrin sah. Er schüttelte die Gedanken ab, um seinen Kopf wieder einigermaßen klar zu bekommen und ging von der Kasse aus, wieder in den Laden hinein. Ein unauffälliges Flüstern begleitete ihn, das er beinahe zur gewöhnlichen Hintergrundkulisse zugeordnet hätte. Die Regale erschienen ihm zunehmend grauer und er hatte Schwierigkeiten, seine gewohnte Sehschärfe beizubehalten, als seine Augen auf den Boden gerichtet waren.
Er sah sich die Murmeln dieses Mal weitaus genauer an, als er an den glasigen Kugeln vorbeilief, die überall im Regal darauf warteten, dass sie jemand kaufen würde.
Richard erreichte die Rolltreppe und erinnerte sich wieder daran, dass Zias nach besonders großen Murmeln gesucht hatte. Er blieb vor der Informationstafel stehen und überflog sie.
„ ..siebter Stock.“ Er murmelte die Worte rau vor sich her, während er die Treppe betrat.

...

Der Aufstieg in den siebten Stock war völlig ereignislos und doch nagte sie an seinen Nerven.
Richards Atemzüge setzten aus, als die Treppe ihn in den siebten Stock gebracht hatte. Er sah Zias und einen Mitarbeiter dieses Geschäfts in einem Gespräch verwickelt. Beide waren konzentriert zueinander gewandt und schienen schon seit Längerem über etwas zu diskutieren. Es war herauszuhören, dass die beiden über einen Preis verhandelten...

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass dieses Teil auch nur 10 Dollar wert ist. Was glaubst du, was du da verkaufst?“
„Mir ist es klar, wie unsinnig du das findest, aber du verstehst doch nicht mal im Ansatz, dass ich hier eine ganz große Sache am Laufen habe.“ ... „Ich kann es dir beweisen. Komm mit, dann kannst du es selbst erleben.“
„Lenk nicht vom Thema ab. Du verschuldest dich und kommst da im Leben nicht mehr raus, ist dir das klar?“ ...

Richard näherte sich den beiden. Sein Auftreten glich einem Anschleichen. Nach ein paar Schritten jedoch erkannte er eine Spiegelung, die ein Scheinwerfer auf das Szenario warf. Erst jetzt wurde ihm klar, dass dieses Gespräch im Inneren einer sehr großen Murmel stattfand, die vor ihm aufgestellt war. Der Dialog ging weiter. Wiederholte das Thema immer wieder, sodass die Gesprächspartner nicht zum Punkt kamen.
Richard klopfte vorsichtig gegen das Glas, während er seine Augenbrauen ratlos zusammen zog. Zias und der Geschäftsmann schraken leicht auf und starrten auf Richard. Ihre Körper wurden wie von einer unsichtbaren Hand fortgezerrt und immer weiter in den Hintergrund gerückt, bis sich schließlich nur noch Regale diese Etage in dem Glas spiegelten.
Der Mann schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen, während er ein Rascheln aus der rechten Seite hörte. Schon wieder zeigte sich ihm die Gestalt von Zias. Doch dieses Mal schien es real zu sein. Zufrieden stand der Junge an einem Regal und begutachtete eine blaue glasige Kugel. „Hey!“ Der Mann steuerte rasch auf den Jungen zu, der die Hand, in der er die Murmel hielt, langsam herunter gleiten ließ. „Richard? Du bist noch hier?“ Zias hatte sich ihm zugewandt, doch er wirkte fremd. Wieder erschien Richard dieses glasige Schimmern.
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« Antworten #10 am: 26.Januar.2008, 22:53:35 »

XI

Einige wenige Meter vor dem Jungen kam Richard zum Stillstand, als er bemerkte, dass sein eigener Atem in sein Gesicht zurückfand. Glas stellte sich ihm in den Weg.
Hektisch drehte sich der verwirrte Mann um und erkannte überall Spiegelung um sich. Seine Kehle war trocken geworden und er konnte seinen Unterkiefer nicht mehr an den Oberkiefer führen. Richards Blick ging nun wirr von einer Richtung in die Andere. Er erinnerte sich an den Inhalt der Murmeln und fühlte sich in diesem Moment in genau der selben Situation.
Der Junge sah irritiert zu seiner Bekanntschaft und vernachlässigte die blaue Murmel für einen Augenblick. Währenddessen trat eine Person hinter einem der Regale hervor und lächelte zufrieden. Es war Burla. Ihre Gewänder waren abgelegt und durch eine weißblaue Mitarbeiter-Kleidung ersetzt worden. Dieser Anblick und das nun offene gräulich lange Haar, dass streng nach hinten gekämmt war, gab sie kaum der Wiedererkennung preis. Doch ihre Stimme war unverwechselbar geblieben. „Du bist also freiwillig herausbekommen, alter Mann. Du bist ein Dieb und wolltest unserer Geschäft berauben.“ Ihre Stimme war bemüht geduldig. Ihre Unbeherrschtheit war nur schwierig zu verbergen.
Zias umklammerte die blaue Murmel zwischen seinen Fingern und erkannte nun das große Glasgehäuse, das Richard festhielt. Burla kam näher und stoppte vor der riesigen Kugel, deren plötzliches Auftauchen völlig unerklärlich schien. Richard starrte die Frau fassungslos an.
„Was zum Teufel machen Sie da ?“ Es war Zias, der die unerträgliche Stille durchbrach und Burla völlig anstößig ansah. „Sie sind doch vollkommen verrückt!“
Burlas Miene schwang schlagartig in tiefen Ernst um. Zügig steuerte sich plötzlich auf den Jungen zu. „Du warst vorhin so hilfsbereit! Was fällt dir ein, mich so zu beleidigen!?“ Sie hob ihre Hand und holte aus, als sie vor Zias angekommen war. Der Junge reagierte nicht schnell genug und bekam einem heftigen Schlag ins Gesicht. Reflexartig fuhr er seine Faust auseinander, aus der nun die blaue Murmel fiel. Ein schrillen Geräusch begleitete das Zerschellen des Glases und ein nebliger blauer Teppich breitete sich an der Umfallstelle aus.
Burlas Gesicht zeigte Niedertracht, doch der Nebel ängstigte sie, sodass sie rasch zwei, drei Schritte zurück machte. Er jetzt, als die Substanz begann auf Richards Gefängnis zu zulaufen, wurde die Barriere sichtbar, die ihn festhielt.  
„Zias! Verdammt, hol mich hier raus!!“ Richard war unglaublich nervös geworden. Der Junge hatte Schwierigkeiten sich zu bewegen, während er sich seinen Kopf hielt. Er bekam Kopfschmerzen und stöhnte leidig auf. Zahllose Stimmen strömten in seinen Verstand ein, Erinnerungen, Bilder, Töne. Alles war zu viel. Er ertrug es nicht und begann zu schreien.
„Josh! ...Josh!!“ Burlas Schritte wurden immer rascher, je weiter sie sich rückwärts von der Situation entfernte. Sie stieß mit dem Rücken an ein Regal, das bei dem Aufprall zu wackeln begann. Die Murmeln darin klapperten. Ein lautes Klirren übertönte Burlas Missgeschick und Scherben flogen zusammen mit einer Stahlkiste zu Boden. Keuchend stand Cathrin vor Richard, der, noch völlig überrascht, vor dem freigelegten Durchgang stand. Weißer Nebel strömte unter der Kiste hervor, die vor ihm auf den Boden gefallen war. Weitere Murmeln mussten zersplittert sein. Zias schrie immer hysterischer. Schmerzen verbreiteten sich in der Luft.
„Komm sofort da raus, verdammt!!“ Cathrin streckte den Arm in das Glasgehäuse und packte Richards Hemd. Ihr Arm blieb an einer Scherbe hängen, und arbeitete sich in das Fleisch hinein. Sie schrei auf, woraufhin Zias sie nun auch bemerkte. Es lenkte kurz vom Schmerz ab, was der Junge instinktiv nutzte um mit mühseligen Schritten aus dem Nebel herauszutreten.
Cathrin hatte es geschafft, Richard mit genug Schwung aus dem glasigen Ding herauszuschleudern und riss ihre Hand dann sofort auf ihre Wunde, die sie an ihrem Oberarm entdeckte. Richard begann die Situation zu realisieren, während die Sicht in dieser Etage immer nebliger wurde. „ ...Cathrin... du?“ Sie ließ ihre Wunde wieder los, packte den perplexen Mann und schleppte sich mit ihm zur Rolltreppe. Sie ging jedoch aufwärts...
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« Antworten #11 am: 28.Januar.2008, 01:28:37 »

XII

Das Surren der Förderbänder, die die Treppenkonstruktion Stück für Stück aufwärts trug, erklang in Cathrins Ohren, wie das Flehen von verstorbenen Seelen, die nach ihrem langersehnten Frieden bettelten. Sie keuchte angestrengt und das Blut der Schnittwunde war durch ihr Shirt hindurchgesickert. Die Zähne aufeinander gebissen, zischte Luft aus den Zwischenräumen, während sie auf Richard sah, der zwei Stufen unter ihr saß und noch immer auf die vernebelte Szenerie unter sich starrte. Die blaue Farbe hatte sich mit dem milchigen Farbton und einer hellblauen Nebelwolke vereinigt. „Zias.. ist noch da unten...“ murmelte Richard, ohne ernsthafte Bemühungen anzustellen, ihn noch zu retten.
„Ich bin froh, dass ich zumindest dich daraus holen konnte.“ Cathrins Stimme hatte die Tapferkeit rasch verloren, die sie sich durch ihre Rettungsaktion verdient hatte.
Die Stufen waren in der achten Etage angelangt und Cathrin schleppte sich auf den Parkettboden, während Richard langsam aufstand und ihr folgte. Noch bevor er es wagte, sich umzusehen, erblickte er Cathrins Wunde und deutete mit dem rechten Zeigefinder auf ihren herabhängenden Arm. „Das an deinem Arm... sieht nicht besonders gut aus..“
Cathrin blickte zu ihm zurück und nickte leicht. Rasch verwarfen sie die Gelegenheit, für einen kurzen Augenblick von ihrer Lage abzulenken und wagten, das Stockwerk zu betrachten. Es wirkte harmlos. Regale mit Murmeln, wie in den anderen Etagen auch. Zwei Bällchenbäder für kleinere Kinder an der linken Seite, Eine Spielecke mit einem Fernseher, der eine Werbesendung abspielte, und Werbeplakate mit fröhlichen Tieren darauf. Sie waren zweifelsohne in einer Art Spielzeugabteilung gelandet. Erst beim genaueren Hinsehen erkannten beide weit hinten zwischen den Regalen vereinzelte Personen. Wie fast alle Leute, die von den beiden gesehen worden waren, schienen auch diese Menschen in Selbstgespräche vertieft. Unauffällige Stimmen dominierten die Kulisse. Richards und Cathrins Blicke wanderten immer wieder abwärts, doch die Sicht war fast vollständig von dem Vorfall verdeckt worden. Und warten, bis etwas geschah? Richard machte einen vorsichtigen Schritt in die Etage hinein und entdeckte die Hinweistafel neben sich. „ ...dieser Laden hat neun Etagen. Also ist die über uns, die Letzte.“ Cathrin nickte, während sie überlegte, zu den Leuten zu gehen und sie auszufragen. Richard sprach weiter, wobei er das erste Mal Tafel für Tafel durchlas „In der neunten Etage ist die Geschäftszentrale.“ Er schwieg kurz, bis er weiter sprach. „Wenn du mitkommst, werde ich dorthin gehen und in Erfahrung bringen, was das hier alles soll.“ Er schaute zu seiner Begleiterin. Unsicherheit war von seinen Augen abzulesen. Cathrin wusste, dass seine Worte selbstsicherer waren, als der Wille dahinter. Doch sie nickte, da ihr klar war, dass sie wohl kaum mehr über die unteren Etagen, abwärts zum Ausgang kommen würden. Sie ließen die Personen in dieser Etage links liegen und stiegen auf die nächste Treppe, die sie langsam, aber stetig nach oben beförderte. Die Räumlichkeit hier oben war nicht mehr so klar standardisiert, wie die restlichen Geschosse.
Dafür bargen die Wände nun reichlich Türen, die jeweils mit einem Informationsschild bestückt waren. Ohne weitere Absprache steuerten die beiden auf die nahegelegenste Tür zu, auf der sie schließlich „Sekretariat“ lasen. Die beiden wechselten Blickkontakt und sahen sich stumm in die Augen, bis Richard schließlich nickte und mit den zusammengezogenen Finger gegen die Tür klopfte. Beide warteten einen Augenblick, doch es kam keine Antwort.
„Vielleicht ist die Tür nicht verschlossen und wir können...“ Richard war Cathrin zuvor gekommen und hatte die Türklinke heruntergedrückt. Die dünne Eisentür lief in den Raum hinein, der ein kleines Büro offenbarte. Auf einem Schreibtisch war ein Monitor, eine beschreibbare Unterlage und ein Telefon, sowie ein kleines Glasbehältnis, gefüllt mit durchsichtigen Murmeln, zu finden. Links und rechts ein paar Aktenschränke, zusammen mit Türen, die in weitere Räume führten. Der ganze Raum hatte wohl genügend Informationsmaterial, um alles über dieses Geschäft herauszufinden, was nötig war, um die Umstände zu begreifen. Richard steuerte auf die Akten zu, während Cathrin den PC startete...
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« Antworten #12 am: 29.Januar.2008, 02:21:37 »

XIII

Vorsichtig ließ sich Cathrin in den Schreibtischstuhl nieder, während Richard einige ausgewählte Akten aus dem Regal nahm, um sie auf dem Boden zu stapeln.
Jahrgang 1965 ... Stammzellenforschung II... Präparate A-E... Er wusste nicht wo er anfangen sollte und holte immer mehr Ordner heraus, während die Beschriftungen zunehmend weniger Sinn ergaben. Richards Blick auf die Akten strahlte tiefe Verwirrung aus. Glaskörper... Buthus... Carborylium... Hydrata...  Er hatte größte Mühe, einen einigermaßen kühlen Kopf zu bewahren und entschloss sich schließlich, eine Akte in den Händen zu behalten, um sie näher zu untersuchen. Die Seitenbeschriftung lautete „Herstellungsprozess I 1991“. Mit einem geringen Kraftaufwand, löste er die Rasterung, die die Oberseite des schwarzen, prallgefüllten Ordners an seine Unterseite geheftet hatte. Er blätterte Dokument für Dokument um und fühlte sich von der Informationsflut völlig erschlagen. Es war nicht seine Welt und er konnte dem, was er las, nicht im geringsten folgen. Chemische Formeln und Fotos von nicht identifizierbaren Substanzen, vermischten sich mit Bildern von Murmeln, wie er sie noch aus seinem eigenen Kinderzimmer kannte. „ ...was zur Hölle hat das...“ Der Motorradfahrer  stammelte vor sich her, während Cathrin verzweifelt an der Tastatur tippte. Beide hatten sich ganz in ihre eigene Recherche vertieft.
„Ich komm nicht rein. Ich ..ich brauche ein Kennwort.“ Cathrins Stimme flehte um Hilfe, obgleich ihr klar war, dass auch Richard nicht derjenige war, der ihr weiterhelfen konnte.
Die junge Frau verwarf ihre Bemühungen an dem Computer und bewegte sich ängstlich zu Richard, der noch immer in der Akte blätterte und zusammenhangslose Stichworte von sich gab. „ ...Glasfasern... Farbpigmente... Chlorgehalt... Schmelztemperatur... Bakterielle Fusion....“ Cathrin war hinter ihn getreten und erblickte nun auch die Dokumente, die Richard ratlos durchblätterte. Hoffnungslos suchte er nach einem Anhaltspunkt. „Richard. Was ist das?“ Cathrins Stimme war leise und unscheinbar. Doch ehe sie eine Antwort bekam, schrak sie auf.

Ein Hauch kalter Luft, hielt Einzug in den Raum. Jemand hatte die, zwischenzeitlich in den Rahmen zurückgefallene Tür, wieder geöffnet. Leichter Nebel legte sich in den Eingangsbereich, in dem plötzlich eine, ihnen unbekannte Person, aufgetaucht war. Es war Josh Fellow und die beiden hatten ihn erst jetzt bemerkt, während sie ihre Blicke stockend zu dem Geschäftsmitarbeiter wandten. Blut pulsierte kraftvoll durch ihre Kehlen, während ihre innere Nervosität auf ein extrem hohes Level anstieg. Sie waren für den Moment wie eingefroren, während Mr. Fellow langsam an den Schreibtisch trat. Seine Augen hatten sich fest auf Richard und Cathrin fixiert, als wolle er sie mit seinem Blick lähmen. Er legte seine Handflächen auf den Tisch nieder und wandte den Blick nun geradeaus auf die Sekretärin, die mit herabgesenkten Kopf ihre Notizen auf der Schreibtischablage durchging.
„Guten Tag, Miss Goodhill. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?“ Die Frau, mittleren Alters, sah auf und schaute ihren Gegenüber mit einem weitgehend emotionslosen Gesichtsausdruck an. „Hallo Josh. Ein paar Anrufe. Das Übliche eben.“ Sie überlegte kurz und nutzte die Gelegenheit, um einen Stift in die Hand zu nehmen. „Heute morgen ist eine Lieferung des Typen Genium B36 gekommen. Wenn ich mich richtig erinnere waren die schon seit einigen tagen überfällig. Ich schlage vor, wir ziehen es vom Gehalt ab.“ Josh schüttelte kurz den Kopf. „Ist schon gut, wir brauchten sie bisher ja nicht.“
Richard hatte Schwierigkeiten aus seiner starren Haltung herauszukommen. Der Mann, der den Raum betreten hatte, sprach in die Luft. Ins Nichts. Richards Mund war geöffnet, doch der ließ keinen Laut von sich. Cathrin hingegen verhielt sich still und weitaus konzentrierter.
„Hörst du das? ...“ Flüsterte sie ihm zu. „Die Stimme, die auf diesen Mann antwortet...?“
Richard verharrte in seiner Position. „Richard?“ Der Mann antwortete unstet, während sein Körper, ausgehend von seinen Armen, anfing zu zittern. „Irgendwas ...stimmt mit uns nicht.“
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« Antworten #13 am: 01.Februar.2008, 20:55:24 »

XIV

Josh breitete den Arm aus und trat langsam hinter den Tisch zu der Sekretärin „Kommen Sie, ich muss noch etwas mit Ihnen besprechen.“ Mrs. Goodhill erhob sich langsam, während sie noch rasch eine Notiz auf einem Schmierzettel niederschrieb. „Einen kleinen Augenblick.“
Josh wandte sich nach rechts, auf eine Tür zu, die er einladend öffnete. Er schwieg und wartete, bis die Sekretärin ihm folgte und mit aufrechtem Gang in den benachbarten Raum verschwand. Kurz bevor der Mitarbeiter, der anscheinend eine höhere Stellung in diesem Geschäft besaß, Mrs. Goodhill folgte, drehte er seinen Blick bedrohlich auf Richard und Cathrin, die Josh bei dieser Angelegenheit irritiert zugesehen hatten. Er hatte die Tür hinter sich geschlossen, woraufhin eine Konversation dahinter begann, die keiner von beiden mehr verstehen konnte.
Cathrin packte Richard ruckartig an der Schulter und starrte ihn eindringlich an. „Lass uns sofort von hier verschwinden!“ Richard erschrak leicht und holte tief Luft „Hier stimmt was nicht und wenn wir nicht herausfinden, was es ist, ....wer weiß, was dann mit uns passieren wird. Die machen irgendwelche Schei*e mit uns und dieser ganze wissenschaftliche Kram dort in den Akten macht mir echt Angst.“ Seine Stimme war schnell und er war sicher, das Cathrin größte Schwierigkeiten hatte, ihm zu folgen. „Dieser Mann kann jeden Moment zurück kommen. Er ist furchteinflößend.“ Richard ermannte sich und griff wahllos nach einer der Akten, die er angesammelt hatte. „Er ist völlig verrückt, so wie der ganze Laden hier.“
Die junge Frau distanzierte sich langsam aber sicher von Richard um bewegte sich auf den Ausgang zu. „Ich hau ab. Ich will einfach nur noch meine Ruhe haben. Weg von hier!“
Sie war laut geworden und war stückweise rückwärts von ihm gerückt, bis ihr Rücken schließlich die Ausgangstür berührt hatte. Ohne den Blick von Richard zu lassen, der wieder angefangen hatte, wild in den Akten zu kramen, tastete sie nach der Türklinke, die sich schließlich gefunden hatte. Hastig drückte sie die Klinke herunter. „Bitte, komm mit. Ich hab Angst, alleine da draußen herumzulaufen. Richard, bitte.“ Er hatte den Blick von ihr gelassen und kramte noch wilder und unkoordinierter in den Unterlagen. „Ich... ich komme sofort nach.“ Noch ehe er den Satz ganz beendet hatte, fing er an, pharmazeutische Fachbegriffe vor sich herzumurmeln. Cathrins Angst war zu groß, als dass sie auf Richard noch länger hätte warten können. Eilig rannte sie aus dem Raum heraus und ließ die Tür offen zurück.

Richard hatte einen Ergebnisbericht gefunden. Er war nassgeschwitzt und seine Kleidung klebte auf seine Haut. Völlig unkontrolliert griff er nach einer Zigarette und steckte sie sich an, während er begann, den Bericht leise vorzulesen:
„Embryonenstudie. Spender des Zellmaterials ist Mrs. Stefanie Vesser. Absatz. Das Embryo ist in der dritten Woche entnommen worden. Wir haben das Material in elf Buthus-Gefäßen gelagert. Nach Zugabe der Zusatzstoffe mutiert das Material schneller, als erwartet. Wir wissen nicht, was genau sich in dem Gefäß befindet. Absatz. Die Lagerung hat etwa vier Monate gedauert. Der Druck hat stark zugenommen und eine nebelige Substanz hat das Material scheinbar zu 92% zersetzt. Noch ist nicht bestätigt, ob die Mutationen dafür verantwortlich sind. Die Verlagerung in das Natronbecken wird vorbereitet...  

Richard spürte einen heftigen Schlag und krachte lautstark gegen den Aktenschrank.

Indes rannte Cathrin, so schnell sie konnte durch das Stockwerk. „Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben, als die Rolltreppen...“ sie murmelte diese Worte immer und immer wieder verzweifelt, in der Hoffnung einen Ausweg zu finden. Sie stoppte und keuchte entsetzlich, als sie plötzlich ein Hinweisschild für Behinderte entdeckte, das mit Ketten von der Decke hing. Es war der Hinweis für die Fahrstühle gewesen. Rasch entdeckte sie den weißen Pfeil neben dem Schild, das in die linke Richtung zeigte. Sie begann wieder zu rennen...
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« Antworten #14 am: 02.Februar.2008, 21:31:44 »

XV

Regen lief zäh an den Fensterscheiben entlang, die sich zwischen den Regalen und einigen Sitzgelegenheiten befanden. Der Stein, aus dem der innere Fenstersims geschlagen war, ließ Zias erschrocken auffahren, als sich seine rechten Hand daran festhalten wollte. Er hustete kränklich und atmete schwer. Der Nebel hatte sich gnadenlos durch seinen Körper gefressen und erzeugte leichte, aber unerträgliche Schmerzen. Die Migräne wollte nicht nachlassen.
Angestrengt zog er sich hoch und starrte aus dem Fenster. Er brauchte frische Luft und der Nebel musste so schnell wie möglich aus diesem Stockwerk entweichen. Seine Arme fühlten sich taub an. Er holte aus und schleuderte seine Arme immer wieder gegen die Scheibe. Doch es tat sich nichts. Er wollte nach Hilfe rufen, doch auch seine Stimme gehorchte ihm kaum. Er brachte lediglich ein paar unverständliche Laute aus sich heraus.
Seine Hände drangen langsam zur Fensterklinke vor, bis er es schließlich irgendwie schaffte, die Halterung zu lösen und den Flügel nach innen riss. Sauerstoff strömte in die Etage, während der Junge sich schnellst möglich mit dem Oberkörper nach draußen, über den Fensterrahmen lehnte. Es war wie Medizin, die nicht viel später hätte injiziert werden dürfen.
Die Stimmen wurden leiser, die Bilder verschwammen.
„ ...Luft...“ Der seichte Regen fiel auf seinen Oberkörper nieder. Er war kühl, aber angenehm.

Es dauerte bestimmt eine gute Viertelstunde, bis sich Zias wieder aufgerichtet hatte. Die Nebelschicht war dünner geworden und hatte sich auf den Parkettboden gelegt. Er hatte sich seltsam verfärbt, sodass man glauben könnte, der Boden sei von Schimmel befallen.
Der Junge ließ das Fenster offen stehen und bewegte sich nun zu den beiden benachbarten Fenstern, um sie ebenfalls zu öffnen. Er sah sich dabei um und erinnerte sich wieder an die Abteilung, in der er die blauen Murmeln gefunden hatte.
Er hatte ihn ihnen irgendetwas Vertrautes gespürt. Etwas Vertrautes, dass ihn beinahe den Tod eingebracht hatte, ergänzte er seine Gedanken spöttisch. Zias schaute auf und holte tief Luft. Er hatte für eine kurze Zeit das Gefühl gehabt, als hätten unzählige Persönlichkeiten seinen Verstand belagert. Es war unheimlich und er wollte es nicht noch einmal erleben.
Zias steuerte zögerlich an der Wand entlang und schaute auf die, mit Murmeln gefüllten Körbe, an denen er vorbeischlenderte. Sie hatten eine hellgrünliche Färbung. Vorsichtig nahm der Junge eine der Kugeln heraus und sah sie sich an, während er sich weiter geradeaus bewegte.  Der Inhalt schwebte ruhig im Zentrum der Kugel. Es waren kleine Luftblasen, die sich eng aneinander gepresst hatten. Fast so klar, dass sich Zias’ Gesicht darin spiegelte. Die Murmel fühlte sich warm an. Er hatte es schon länger drangegeben, dieses Gebäude als Geschäft zu sehen und steckte die Kugel in die Hosentasche. Es würde doch keiner mitbekommen...

Er war gedankenversunken durch das halbe Geschoss gewandert und erkannte unweit entfernt die Rolltreppenanlage, wo sich der Vorfall ereignet hatte. Die Scherben, die Richard festgehalten hatten, lagen noch immer, in Trümmern verteilt und die Regale waren leicht beschädigt. Doch es war menschenleer. Er machte zwei, drei Schritte darauf zu, bis er plötzlich stoppte und horchte. Irgendwas hielt ihn zurück. Der Junge wandte sich langsam um, doch um ihn herum war weit und breit nichts außer Waren und Einrichtungsgegenstände.
„Wer bist du? ...ich weiß, dass du mich hören kannst...“
Zias atmete unruhig und beobachtete die Umgebung genauer, doch die wiederkehrende Stimme lenkte ihn dabei ab.
„Du wirst mich nicht finden, wenn du versuchst, mich zu sehen. Die Murmeln vorhin... die blauen...“
Zias’ Kopfschmerzen begannen wieder stärker zu werden. Er biss die Zähne zusammen und neigte seinen Körper. „Verdammt.. lasst mich in Ruhe! ...haut ab! Verschwindet!“
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arakis
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« Antworten #15 am: 04.Februar.2008, 00:09:35 »

XVI

Der Junge begann, auf die Rolltreppe loszustürmen. Sein Gesichtsausdruck vermittelte, aus Hilflosigkeit, geborene Wut. Ohne zu warten, bis die Treppe ihn nach unten gebracht hatte, hastete er die Stufen herunter. Er konnte von Glück sagen, dass er nicht stolperte und herabstürzte. Die Verletzung wären bei seinem Tempo erheblich gewesen. Die Stimme hatte von dem Unfallschauplatz abgelenkt. Zias kam unten an und schaute sich kurz um, in der Hoffnung, irgendwas zu finden, dass ihm helfen könnte. Doch es war immer wieder das gleiche Bild. Menschenleere Gänge zwischen blass verfärbten Regalen vollgepackt mit Murmeln. Für gewöhnlich genoss er diese totale Stille um sich herum, doch er spürte, dass sie ihm für den Moment keine Kraft spenden würde.

„Es wird dir nicht helfen, fortzurennen.“ Die Stimme drang wieder in seinen Kopf ein. Zias brüllte, um sie zu vertreiben, doch anstatt sie loszuwerden, verschlimmerte er lediglich seine Kopfschmerzen. Der Junge fiel auf die Knie nieder und stützte sich mit den gespreizten Fingern seiner völlig verkrampften Hände.
„Die Murmeln, die du verstört hast, hat diese Verbindung hergestellt. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich deinen Körper nicht verlassen.“ Die Stimme verharrte einen Augenblick, während Zias mühsam gegen seine unkontrollierte Erregung ankämpfte. Langsam beruhigte sich der Junge, der nun das kraftvollen Pochen gegen seine Schädeldecke hören konnte.

„Irgendwie hat mich der Vorfall vorhin befreit. Diese Murmeln haben mich festgehalten. Vielleicht gerade deshalb, weil man diese Verbindung zu anderen Menschen verhindert wollte.“ Zias schloss die Augen und begann ruhig zu sprechen.
„Was. Zum Teufel. Bist du..? Du zerstörst meinen Körper... Du verursachst fürchterliche Schmerzen... wie werde ich dich wieder los!?“ Seine letzte Worte waren deutlich lauter und sein Körper begann leicht zu beben. Bläulicher Nebel kroch unter den Ärmeln seines Hemdes und den Beinen seiner Hose hervor. Seine Finger zitterten und betäubende Gliederschmerzen durchzogen seinen Körper. Zias biss die Zähne zusammen und kniff die Augen fest zusammen. Die Stimme fuhr fort, während der leichte Nebel um seinen Körper schwebte.

„Marble Planet war ursprünglich ein Pharmaunternehmen, das auf Medizin spezialisiert war. Es war immer der Traum des Vorstandes gewesen, die Konkurrenz durch Wunderheilmittel auszustechen. Man setzte zunächst alles daran, Krebsheilende Mittel zu entwickeln.
Es wurde bald ersichtlich, dass man dazu menschliche Stammzellen benötigen würde, die mutierte Zellen ersetzen könnten, die den Krebs langsam vorantreiben würden.
Die Forschung trat immer weiter in den Vordergrund, während der Absatz der Medikamente zunehmend abnahm. Leider waren sie die größte und wichtigste Quelle der finanziellen Mittel, um die Forschung weiter zu realisieren. Nach und nach kündigte das Unternehmen die Mitarbeiter und der Konzern drohte insolvent zu werden. Ein Gesetz, dass die Stammzellenforschung fortan verbot, kündigte den sicheren Untergang an.“


Ein unangenehmes Rauschen verzerrte ein paar Sätze der Stimme, der Zias inzwischen konzentriert zuhörte. Ein Hauch unangenehmer Kälte durchzog Zias Gliedmaßen, bis das Rauschen wieder nachließ und die Stimme wieder hörbar wurde.
„ ...war Josh Fellow. Ein Unfall veränderte ihn, was mit seiner Forschung in Verbindung gebracht wurde. Ich war hier ebenfalls Mitarbeiter. Irgendwann kam er auf mich zu und fragte mich, ob ich ihm einen Gefallen tun würde. Ich sagte zu und die nächsten Tage waren geprägt von Aussetzern und Schwindel. Ein Breakdown beendete...“

Das Rauschen setze wieder ein und dichtere Nebelschwaden strömten aus Zias heraus.
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arakis
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« Antworten #16 am: 05.Februar.2008, 01:41:31 »

XVII

Cathrin hatte den Aufzug gefunden. Nervös sah sie immer wieder hinter sich. Einerseits hoffte sie, dass Richard ihr gefolgt war. Andererseits fürchtete sie, Josh wiedersehen zu können.
Die junge Frau hörte das Rattern der Zahnräder, die den Fahrstuhl nach oben zogen. Es war ein schier endloser Vorgang, der Cathrin daran zweifeln ließ, dass sie mit dem Aufzug wirklich aus dem Laden herauskommen würde. Um sie herum ertönten Laute. Es hätten Stimmen sein können, aber auch Lärm, der von entfernt arbeitenden Maschinen zu ihr rüber tönten. Personen erschienen verschwommen am Horizont und genauso schnell verschwanden sie wieder, um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen. Cathrin kniff die Augen zusammen und war kurz davor, auf dem Boden zusammenzubrechen. Doch es würde ihr nicht helfen und das Risiko erhöhen, diesem Geschäft zum Opfer zu fallen, wie sie in diesem Moment grotesk dachte. Das Rattern wurde kurz lauter und stoppte schließlich. Die sorgfältig polierten Türflügel des Fahrstuhl, wie die junge Frau jetzt bemerkte, gingen in der Mitte auseinander, sodass Cathrins schwach auszumachendes Ebenbild zerteilt wurde. Die Türen waren in die Außennischen eingerastet und warteten auf den Befehl, wieder zusammen zustoßen. Langsam bewegte Cathrin die Beine in das saubere Gehäuse, das Platz genug für zwei nebeneinander gestellte Rollstühle bot. Auf eine seltsame Art und Weise fühlte sie sich geborgen und dachte daran, einfach in diesem Fahrstuhl zu verharren, bis der Spuk ein Ende nehmen würde. Würde er das denn? Die Frau wandte sich nach rechts an ein Pult, auf dem die Knöpfe positioniert waren mit deren Hilfe das Stockwerk auszuwählen war. Ein waagerechte Reihe mit den Zahlen Eins bis Neun standen zur Auswahl, während fünf Knöpfe darunter platziert waren. Alarm, Tür öffnen, Tür schließen, Erdgeschoss und Tiefgarage. Mit einem hastigen Blick, aus dem Gehäuse heraus, drückte sie auf „Tür schließen“, woraufhin die Flügel wieder zusammenliefen. Zwei Halogenleuchten erhellten den Raum und ein Spiegel auf der gegenüberliegenden Seite des Bedienungspultes bildete Cathrin originalgetreu ab. Sie war beinahe erleichtert, dass sie sich ohne weiteres mit ihrem Spiegelbild identifizieren konnte. Sie betätigte die Taste „Erdgeschoss“. Der Fahrstuhl setze sich in Bewegung und ratterte langsam abwärts. Nach und nach leuchteten die Knöpfe der einzelnen Etagen auf, die der Aufzug durchlief. Als schließlich die Taste „Erdgeschoss“ aufblinkte, wurde der Fahrstuhl langsamer und kam zum Stillstand. Ein kurzes Rumpeln begleitete ihn dabei. Cathrin drückte auf „Tür öffnen“ und die Flügel gingen wieder auseinander. Ihr Gesicht erblasste augenblicklich, als sie plötzlich eine Person von sich stehen sah. „Du! - ...“ Cathrins Stimme versagte. In normalem Schritttempo kam Burla näher. „Ich hörte den Fahrstuhl laufen und wollte mal nachsehen, ob ich helfen kann.“ Burlas Blick strahlte Ruhe aus und ihr Namensschild blitze im Licht der Halogenleuchten blendend auf. „Wo ist denn dein Freund hingegangen? Ist er nicht mehr bei dir?“ Zittrig hob Cathrin den linken Arm und führte ihn zum Tastenpult, während Burla stetig näher kam. „Geh weg! Komm mir nicht zu nahe, du Hexe!“ Cathrins Angst verzerrte ihre drohende Stimme zu einem schrillen Gebrülle. Wuchtig schlug sie mit der ganzen Hand auf die „Tür schließen“ -Taste. „Du bist hier Gast und wenn du meinst...“ Burla war stehen geblieben und erwiderte Cathrins Bemerkung verärgert. Die Türen schlossen sich wieder. Der markante Akzent war von draußen noch gedämpft zu hören.
Ohne zu zögern presste Cathrin ihre Handfläche auf „Tiefgarage“, um der unheimlichen Mitarbeiterin zu entkommen. Als der Fahrstuhl nun wieder in Bewegung kam und nach wenigen Sekunden Abfahrt wieder anhielt, bekam Cathrin schließlich den Zusammenbruch, der nur noch eine Frage der Zeit gewesen war. Heulend sank ihr Körper die, den Tasten, entgegenliegende Wand herab, bis sie schließlich mit dem Gesäß auf dem Boden landete.
Sie hatte keine Energie mehr, um weiterzumachen und blieb wimmernd sitzen.
Jederzeit hätte der Fahrstuhl wieder hoch gezogen werden können, doch es geschah nicht.
Cathrin verweilte einige Minuten. Erst, als ihre Handtasche von ihrem Oberarm rutschte und zu Boden fiel, sah sie auf und beobachtete, wie ein paar grüne Murmeln aus ihr herausrollten.
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arakis
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« Antworten #17 am: 05.Februar.2008, 20:06:13 »

XVIII

Die Schranken öffneten sich und kühle Luft krallte sich an Cathrins Körper fest. Sie zitterte unweigerlich und legte ihre Arme gekreuzt, eng an ihren Oberkörper an. Ihre Schritte verlangten ihr in diesem Moment jede Menge Mut ab. Unbewusst, ließ ihre Handtasche im Fahrstuhl liegen und sah sich um. Es war dunkel und nur wenige schwache Glühbirnen, die von der Betondecke, an einem Kabel baumelten, bildeten einige Lichtkegel, die vereinzelte Plätze in dieser gewaltigen Garage sichtbar machten. Die Parkplätze, die zusehen waren, standen leer. Das Auftreten ihrer Schuhe erhallten durch die ganze Räumlichkeit und hinterließen ein leises, langgezogenes Aufheulen, wie es Cathrin vorkam. Auf dem Boden lag eine dicke Staubschicht, sodass die Schritte der ängstlichen jungen Frau ihre Spuren hinterließ. Sie blieb stehen und horchte, als weiter entfernt ein Motor ansprang. Ein beständiges Rattern und das Durchdrehen der Räder ertönte durch die Halle. Eine verzerrte, unverständliche Unterhaltung kam hinzu, während das Geräusch immer näher kam. Cathrin begann zu schlucken und sah sich unkoordiniert um, bis sie schließlich begann, fieberhaft in eine ungewisse Richtung zu rennen. Instinktiv bewegte sie sich von einem Lichtkegel, zum Nächsten. Das Motorengeräusch war schon längst wieder verklungen, ohne dass es die Frau gemerkt hatte. Angst trieb sie an. Sie schluchzte und die negativen Gedanken wegen ihres verlassenen Freundes kehrten zurück. Sie spürte, wie sich Übelkeit entlang ihrer Kehle hochzog, sodass sie tiefer durchatmen musste. Ihr blieb keine Wahl, als eine kleine Pause zumachen. Erschöpft verweilte sie in einem der Lichtkegel und merkte, wie weit sie sich mittlerweile vom Fahrstuhl entfernt hatte. Panik. Und kein Mensch weit und breit. Sie zitterte und sah auf den rot verfärbten Boden, wie sie plötzlich schockiert feststellte. Es entlockte ihr einen panischen Schrei. Ein Flüstern hier, ein Huschen dort. Sie hörte plötzlich die seltsamsten Geräusche, während die sich rückwärts Stück für Stück aus dem Licht bewegte.
Ihre Augen waren auf den Grund gerichtet und erst, als sie die Grenze zwischen Licht und Düsternis erreichte, ermannte sie sich und realisierte, dass diese rote Färbung durch eine weitere Beleuchtungsquelle zustande kam. Die Frau kniete sich langsam herunter und sah vor sich schemenhaft einen Vorsprung in der Dunkelheit. Sie schluckte erneut und bewegte sich zögernd vorwärts. Es war eine Tür, wie sie nun ertasten konnte und der Luftzugschlitz, der das rote Licht hindurch ließ. Es musste eine Art Sicherungsraum gewesen sein, dachte Cathrin in diesem Moment und versucht jegliche unheimliche Gedanken zu unterdrücken. Sie schüttelte immer wieder leicht den Kopf, in der Hoffnung in einem Traum gefangen zu sein und ergriff die Türklinke, die sie unwohl herunterdrückte.

Es war die kräftige rote Beleuchtung, die ihr zuallererst ins Gesicht sprang und es der Frau durch die Umgewöhnung von der Dunkelheit in dieses helle Licht, unmöglich machte, in den nächsten Sekunden überhaupt irgendetwas erkennen zu können. Sie trat ein, in diesen recht großen Raum. Zahlreiche Regale mit Akten. Tische, auf denen Reagenzgläser und Murmeln lagen. Aquarien, die weder Wasser noch Fische, sondern farbigen Nebel beherbergten. Krankenliegen, an denen seltsame Apparaturen fixiert waren. Cathrins Sehfähigkeit kehrte wieder. Der Boden war mit blanken weißen Fliesen belegt, die in dem roten Licht bedrohlich schimmerten und auf die Glasbehälter in einem anderen Regal reflektierten. Das Spiel von Licht und Schatten erhellte die noch so verborgenste Ecke dieses Raumes.
Die Frau hatte den Atem angehalten und wünschte sich bei diesem traumatischen Erlebnis nicht mehr, als jemanden, hinter den sie sich verstecken konnte. Sie tastete nach ihrem Handy, doch es war nicht mehr da. Sie hatte es vor dem Geschäft liegen lassen und sie erinnerte sich wieder daran. Die Frau bewegte sich in die Mitte des Raumes zu und bemerkte, dass sie durch weißen Nebel watete. Es war eine Maschine, die in einer hinteren Ecke des Raumes stand, die den Nebel ausstieß.  „Schau her... Cathrin.“  In dem Aquarienglas generierten sich formlose Bilder. Langsam wurden Personen erkennbar und schließlich sie selbst, in Mitarbeiteruniform.
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« Antworten #18 am: 07.Februar.2008, 02:51:25 »

XIX

Cathrin war näher getreten, hob ihren rechten Arm und berührte das Glas mit ihrer Handfläche. Die Bilder waren schärfer geworden und deutlich zu erkennen. Die junge angestellte Frau stand vor einem anderen Mitarbeiter. Beide waren in einem Gespräch verwickelt und standen vor einer Tür, die halb offen stand. Die Dunkelheit dahinter, verbarg den Inhalt. Der Mitarbeiter sah die Frau besorgt an, während die angestellte Cathrin zuhörte...

„Cathrin, sag mal, bekommst du auch diesen Schwindel und die Ausfallerscheinungen? Mark und Steward beschweren sich schon seit Tagen über ihr ungutes Befinden. Und das sind nicht die einzigen. Es scheint sich bei sämtlichen Mitarbeitern wie eine ansteckende Krankheit auszubreiten.“ Er schwieg und sah Cathrins besorgter Miene an, dass sie sich dieser Probleme bewusst war. „Wir glauben, es hängt mit der Plasmaspende zusammen.“Cathrin nickte „Man munkelt, dass es kein Plasma ist, was sie da abnehmen. Angeblich hat Fellow eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, um Krebs zu heilen. Und dafür braucht er irgendwelches Zellmaterial. ...Ich habe bereits überlegt, ob ich freiwillig kündige. Auf jeden Fall müssen wir ein Gespräch mit dem Vorstand führen.“ Der Mitarbeiter nickte kräftig und legte die Faust in seiner geöffnete Handfläche. „Ich finde es sonderbar, dass unser Gehalt derart gestiegen ist, gerade, wo die Medikamente keinen Absatz mehr machen. Manchester hat das ganze Unternehmen umstrukturiert und setzt fast nur noch auf Forschung. Es macht mir etwas Angst, aber ich glaube, sie stehen vor einem Durchbruch.“ Er stoppte und Sorgenfalten legten sich auf seine Stirn „ ...auf Kosten der Mitarbeiter, fürchte ich...“

Das Bild verschwamm wieder und nahm neue Konturen an. Cathrins Atem war still, kaum hörbar geworden und ihre Konzentration war vollkommen der Projektion auf den Aquarienglas gewidmet. Erneut erschien Cathrin ihr Ebenbild in Mitarbeiterkleidung. Sie ging leicht desorientiert einen Gang entlang und stützte sich schließlich keuchend mit einem Arm an der Wand ab, an der ein leeres Regal stand, das darauf wartete, mit Waren gefüllt zu werden. „Ich... ich...“ ... „Cathrin!“ Schritte. Cathrin klappte zusammen und fiel ohnmächtig auf den Boden. „Einen Arzt! Schnell!“ Eine Vielzahl von Schritte hallten durcheinander.
Das Bild auf dem Glas wurde unscharf und Krankenwagensirenen wurden hörbar. Monotone, bedrohliche Sirenen. Sie verblieben noch ein paar Augenblicke, als das Bild schon wieder ganz verschwunden war und den farbigen Nebel darboten.

Tränen liefen über ihr Gesicht. „Bin ich gestorben? Werde ich sterben? Warum sehe ich das? Was ist das? Wo bin ich? Ist das real?“ ... „ ...Cathrin... ...Cathrin Keithers…komm zu mir.”

Die Frau stand still und schloss die Augen. Sie versuchte, einen klaren Verstand zu wahren und versuchte diese Situation als real hinzunehmen. Die Tränen blieben an ihrer Wange hängen. Ihr Blick war bleich und ernst. Sie bewegte sich langsam wieder von dem Glasbehälter weg und sah sich stumm in dem, in bedrohlichen Rot getauchten Raum um.
Die Einrichtung starrte sie wie höhnisch grinsende Fratzen an. Sie erkannte eine weitere Tür, auf die sie sich jetzt zu bewegte. Sie öffnete die Tür und legte einen weiteren, etwas kleineren Raum frei.

Richard öffnete die Augen. Dunkelheit. Er versuchte aufzustehen, doch ein kräftiger Widerstand hielt seine Unterarme und Unterschenkel fest. Langsam wieder zu sich kommend, zerrte er sich hin und her und spürte dabei, wie ein dünnes Objekt seinen Arm strich. Es fühlte sich kühl an und er begriff, dass man seine Arme entblößt hatte. „Hey! Hilfe! Lasst mich hier raus!! Hey!!“ Mit kraftloser Stimme versuchte er nach Hilfe zu rufen. Doch es erfolgte keine Reaktion. Schließlich schreckte er auf, als ein stechender Schmerz seinem Oberarm traf.
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« Antworten #19 am: 07.Februar.2008, 23:57:37 »

XX

Eine Nadel bohrte sich in seinen Oberarm. Eine kühle Handoberfläche griff stramm um den Arm, um ihn still zuhalten. Richard war augenblicklich verstummt und er spürte, wie sich Körperflüssigkeit entlang der Nadel aus seinem Körper entzog. Die Nadel erzeugte ein kurzzeitiges betäubendes Geräusch, bis sie wenig später langsam wieder herausgezogen wurde. Richard schüttelte seinen Körper so wild es ging und er begann zu schreien. Lautes, hilfloses Gebrüll ging von ihm aus und blieb in den Wänden des Raumes stecken. Ein paar Tropfen fielen auf seinen Arm nieder, während ihm ein Pflaster auf den Arm geklebt wurde.
Richard brüllte immer wieder auf, sobald er genug Kraft gesammelt hatte. Doch es kam keine Reaktion. Er hörte, wie sich die fremde Person mit leisen Schritten entfernte und eine Tür öffnete. Wenig später war von der Person keine Spur mehr. Der angestrengte Mann atmete schwer. Er warf dem Fremden letzte Wortfetzen hinterher, bis er resigniert die Arme hängen ließ. Sein Körper wurde schwer und Müdigkeit holte ihn ein...

„ ...Aussetzern und Schwindel. Ein Breakdown beendete mein Bewusstsein.“ ... „Irgendwann kam er auf mich zu und fragte mich, ob ich ihm einen Gefallen tun würde. Ich sagte zu und die nächsten Tage waren geprägt von Aussetzern und Schwindel. Ein Breakdown beendete mein Bewusstsein. Ein Breakdown beendet mein Bewusstsein.“
Zias’ Schwindelgefühle hatten wieder zugenommen, während die Stimme immer wieder die selben Sätze wiederholte. Es war schwer zu ertragen.
Der Junge versuchte diese Begeleiterscheinung zu ignorieren. Er war sicher, dass sie irgendwas von ihm wollte, damit sie ihn verlassen wurde. Fast so, wie ein Fluch, den man irgendwie brechen musste. Irgendwie...
Zias hatte sich zur Rolltreppe vorgekämpft und ließ sich auf einer Stufe nieder. Mit schmerzenden Augen wandte er seinen Blick abwärts und versuchte einen klaren Kopf zu bewahren, um zu überlegen, wo er am ehesten Antworten finden würde.
Besonders große Murmeln... Er entsinnte sich. Die Stufe hatte ihn in ein anderes Stockwerk gebracht, ohne dass er realisiert hatte, ob er abwärts oder aufwärts gefahren war. Er wusste in diesem Augenblick nicht mal, ob er vielleicht sogar mehrer Etagen gefahren war. Der Junge erhob sich und hielt seinen Kopf, in dem das wirre Geflüster endlos weiter lief.
Seine Augen hatten nichts besonderes erspäht, doch sein Herz schlug schneller, je weiter er sich vorwärts bewegte. Er spürte es. Murmeln in der Größe von Billardkugeln. Jede der glasigen Kugeln war sorgfältig in einer Kiste mit einem Samtboden eingebettet worden. Auf den ersten Blick erschienen sie farblos, doch je näher Zias ihnen entgegenkam, desto besser wurden die dünnen violetten Fäden in ihrem Inneren erkennbar. Seine Sicht war leicht verschwommen, doch er brauchte nicht zu sehen, was vor ihm stand, um das wärmende Gefühl zu spüren, dass die Kugeln in ihm auslösten.  
Rasch holte er aus und riss sämtliche dieser Kugeln aus dem Regal, sodass sie mit einem klirrenden Getöse auf den Boden aufschlugen. Nebel entwich den Kugeln. In der Schwelle der Rolltreppe stand Josh Fellow und sah tatenlos zu. Er war auf einer Blechplattform stehen geblieben, auf der eine große „Sieben“ eingeschweißt war. Seine Hände zeigten innere Anspannung. Zias hatte sich zu ihm gewandt und erkannte jetzt das bekannte Gesicht. Die Augen des Jungen waren blass und der Ausdruck in seinem Gesicht kalt. Der Nebel hatte sich rasch ausgebreitet und intensivierten sein Unwohlsein. Er begann mit den Beinen weg zuknicken und hustete. Seine Sinnesorgane setzen aus und eine grässliche Leere nagte an dem Jungen. Gefolgt von fremden Bildern, Stimmen... er hatte es bereits erlebt, aber dieses mal würde es tödlich enden. Es waren die letzten logischen Gedanken, die der Junge noch entwickeln konnte. Josh sah zu, wie der Junge sich mitten in einem Pulk von Menschen krümmte, die sich munter in einer amüsanten Unterhaltung befanden. „Also sind es ihre Spenden, die sie wieder zurückholen. Aber wieso, wenn sie daran sterben?“ überlegte Josh.
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