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Autor Thema: Der Erdbeerdrache  (Gelesen 5582 mal)
Greldon
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« am: 28.Juli.2008, 20:16:35 »

Nach dem doch etwas ernsteren Blazestorm oder auch dem traurig endenden "Novembernächte" mal etwas Heiteres von mir, etwas, das zu den sommerlichen Sonnentagen paßt. Eine Story, in der ich mich selber ein wenig auf die Schippe nehme (und nicht nur mich!).

Ursprünglich ist die Idee einer kleinen Bierlaune bei einer Grillfeier entsprungen, bei der man mich ob meiner "Sucht" nach Erdbeeren gehänselt hat. Als man sich dann auch noch bereit erklärt hatte, Greldon als "Erdbeerdrachen" zu zeichnen, war klar, es muß eine Geschichte dazu her. Doch aus einer geplanten "schnell dahingeschriebenen wirklich kurzen" Kurzgeschichte ist ein ausgewachsenes Geschichtenprojekt geworden, zu dem ich Euch viel Vergnügen wünsche.
"Die Moritat vom Erdbeerdrachen" stammt von Khirdras.
Speziellen Dank für ihren Input gehen an (in alphabetischer Reihenfolge) Fuchur, Horsewolf, Khirdras, Smerb und Tylon.
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Greldon
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« Antworten #1 am: 28.Juli.2008, 20:18:48 »

Der Erdbeerdrache



Durch das geöffnete Fenster drang fröhliches Vogelgezwitscher und die ersten Strahlen der Frühsommersonne liebkosten Khirdras Gesicht. Doch wurde diese friedliche Morgenidylle durch ein lautes Rauschen empfindlich gestört.
Khirdras war sofort hellwach und übellaunig sprang er aus dem Bett. Er erkannte dieses Geräusch und schon stieg ihm auch der charakteristische, schwere Geruch eines Drachens in die Nüstern.
Doch als er an das Fenster trat, sah er nur noch die gewaltige Drachensilhouette am Horizont verschwinden.
Zornig stapfte Khirdras auf und streckte seine Hände aus, von denen blaue Lichtbögen und kleine Feuerbälle sprangen.
„Du elender Dieb! Lass Dich bloß nicht noch einmal erwischen! Das sind meine Erdbeeren! Hast Du verstanden, Du missratene Kreatur? Meine Erdbeeren!“
Kopfschüttelnd wandte sich Khirdras ab und trat an den großen Spiegel, während er überlegte, in welche Robe er für diesen Tag schlüpfen wollte.
Wie alle Geschöpfe des Pferdegeschlechts war auch Khirdras ziemlich eitel, zumal es sich bei ihm nicht um ein schlichtes Einhorn, sondern um einen anthropomorphen, gehörnten Pegasus, im Volksmund auch Alicorn genannt, handelte.
Khirdras war eine beeindruckende Erscheinung: Sein Fell war von kräftiger brauner Färbung, seine seidige Mähne und auch seine Fesselbehaarung jedoch waren hellbraun wie Milchkaffee. Von gleicher Färbung war auch der Stirnstern aus dessen Mitte das einzelne, zur Spirale gewundene Elfenbeinhorn steil herausragte. Seine grüne Augen waren trotz fortgeschrittenen Alters immer noch tief und klar und die einzelnen Federn seiner prächtigen Schwingen, die von der Färbung und Musterung an Bussardschwingen erinnerten, saßen immer noch fest und in perfekter Ordnung.
Khirdras war Meistermagier und gehörte nach wie vor dem Magischen Zirkel an, doch hatte er schon seit einigen Jahren die praktische Magie aufgegeben, um sich ausschließlich seinem Hobby, der Gärtnerei, zu widmen.
Der prachtvolle Garten rund um sein Anwesen war sein ganzer Stolz und vor allem das große Erdbeerfeld, auf dem er nur die edelsten und kostbarsten Erdbeersorten anbaute, deren Wohlgeschmack landauf, landab legendär war, war sein Heiligtum.
Natürlich konnte Khirdras niemals so viele Früchte selbst verzehren, wie hier wuchsen und daher machte es ihm auch nicht das Geringste aus, wenn sich Kinder oder vereinzelte Wanderer, die es durch Zufall auf sein Grundstück verschlagen hatte, an den Erdbeeren und auch an dem anderen Obst, das er in seinem Garten anbaute, labten.
Doch im Falle des Drachens verhielt es sich anders. Während jeder bei der Erdbeerernte äußerst behutsam mit den Pflanzen umging, zumal jeder um deren enormen Wert wusste, richtete der Drache mit seinen gierig rupfenden Pranken und seinem vor Freude schlagendem Schweif einen großen Schaden auf dem Erdbeerfeld an.
Auch heute bot sich dem Alicorn erneut ein Bild der Verwüstung, als er in den Garten getreten war, um den vom Drachen angerichteten Schaden zu begutachten und – soweit möglich – mit einem kleinen Zauberspruch zu beheben.
Frustriert und wütend schnaubte Khirdras auf. Diese Arbeit würde ihn mindestens den ganzen Vormittag kosten und zum wiederholten Male fragte er sich, weshalb dieser Drache so versessen auf Erdbeeren war. Ausgerechnet Erdbeeren. Drachen sollten sich an Kühen gütlich tun oder an Pferden. Oder an Rittern und Jungfrauen! Aber doch nicht an Erdbeeren.
„So kann das nicht weitergehen“, knurrte Khirdras und machte sich eine geistige Notiz, nach getaner Gartenarbeit in seiner umfangreichen Bibliothek nach einer Schutzmöglichkeit für seine Erdbeeren zu suchen. Vielleicht würde er einen geeigneten Drachenabwehrzauber finden, denn selbstverständlich wollte er, dass für andere möglichen Gäste weiterhin ein freier Zugang zu seinen Erdbeeren gewährleistet war.

***

Die Thermiken waren äußerst günstig und dem Drachen genügten nur wenige, kraftvolle Flügelschläge, um geschwind wie ein Pfeil hoch in der Luft voranzukommen. Greldon war mit sich zufrieden, auch wenn es diesmal etwas knapper gewesen war als sonst. Diesmal hatte ihn offensichtlich der Zauberer, dem das herrliche Erdbeerfeld gehörte, gesehen und auch wenn der Drache nicht verstanden hatte, was genau ihm das Alicorn da nachgerufen hatte, die blauen Blitze, die nach seinem Drachenschweif gegriffen hatten, waren deutlich genug gewesen.
Ach, der alte Klepper soll sich nicht so anstellen, dachte sich Greldon und leckte sich die Lippen, immer noch den wunderbaren Geschmack von Erdbeeren in seinem Maul. Übermütig flog er ein großes Looping. Erdbeeren! Was gab es auf dieser Welt besseres als Erdbeeren – sah man einmal von seiner wunderbaren Gefährtin Auruliyuth ab.
Er liebte sie von ganzem Herzen und teilte mit der prachtvollen Erddrachin seine versteckte Höhle im Hochgebirge.
Das einzige Problem war, sie billigte seine Schwäche für Erdbeeren in keinster Weise. Ein ordentlicher Drache hatte dafür zu sorgen, dass sich in seiner Höhle Gold und wertvolles Geschmeide befand, nicht aber seine Kräfte für die Suche nach Erdbeeren zu verschwenden.
Daher behielt er seine regelmäßigen Ausflüge zu dem Erdbeerfeld für sich. Für Auruliyuth handelte es sich um tägliche Kontrollflüge, die ihr Gefährte unternahm, um das riesige Revier auf eventuelle Gefahren abzusuchen, denn in ihrem Leib trug sie die gemeinsame Frucht ihrer Liebe zueinander.
Um zumindest so zu tun, als ob er auf einem solchen Rundflug wäre, überflog Greldon einen kleinen Weiler und den dahinter anschließenden Wald, doch es gab keinerlei Anzeichen einer drohenden Gefahr. Kein Ritter oder Drachentöter war seiner Gefährtin oder ihm auf der Spur und die Menschen in diesem Weiler hatten sich mehr oder weniger an die Gegenwart der Drachen gewöhnt.
Instinktiv achteten Greldon und Auruliyuth stets darauf, jede Konfrontation mit den Menschen zu vermeiden und in der Regel hielten sie sich von ihnen und ihren Behausungen fern.
Doch nun drangen der Klang einer Laute und fröhliches Gekicher an sein empfindliches Drachengehör.

***
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« Antworten #2 am: 28.Juli.2008, 20:20:14 »

„… und mit viel Getöse fuhr der Huf in sein Gekröse.
Somit die Moral von der Geschicht’: Wilde Hengste zähmt man nicht.“

„Der arme Ritter“, kicherte die junge Frau und lehnte ihren Kopf an die Schulter des fahrenden Sängers, der sorgfältig sein Instrument beiseite legte.
„Mir hat aber die andere Geschichte von seinem Kampf mit dem furchtbaren Drachen besser gefallen“, stellte die andere Frau fest und kuschelte sich ebenfalls an den fahrenden Künstler.

Zufrieden lächelnd lehnte er sich zurück und zog die beiden Mädchen mit sich.
Es war für ihn ein überaus erfolgreicher Tag gewesen. In dem Weiler hatte er als Entgelt für seine Darbietungen, einige Lieder, Balladen und Tratsch und Klatsch aus fernen Städten, seine Vorräte auffüllen können und zog nun weiter auf seiner Wanderschaft. Die beiden Schwestern waren ihm nachgelaufen und wollten bei einem vertraulichen Picknick noch eine kleine Zugabe haben.
„Nun“, lächelte er und strich der einen Frau eine blonde Haarsträhne aus ihrem Gesicht, „das waren zwei Episoden aus dem viel besungenen Leben dieses edlen Recken. Natürlich werden nur die Heldentaten des Ritters Georg besungen, vor allem sein Sieg über den gewaltigen Lindwurm. Aber wie Ihr jetzt wisst, hatte er auch einige Fehlschläge einzustecken. Oder sollte ich sagen Tiefschläge?“
„Solange nicht Dein kleiner Ritter von einem Pferdehuf getroffen wurde“, kicherte die erste Maid und beugte sich nach vorne. Die Nachmittagssonne beschien ihren üppigen Busen.
Anzüglich lächelnd strich sie mit zarter Hand über sein Beinkleid aus dünnem Stoff, während das andere Mädchen kichernd die verspannten Muskeln des Barden massierte.
Auch sie hatte einiges zu bieten und ihre prallen Brüste sprengten beinahe das schon ein wenig abgetragene Mieder.
„Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war noch alles in bester Ordnung“, grinste der Sänger und überließ sich nun ganz den geschickten Händen seiner Bewunderinnen. Schon bald bedeckte nur noch ein dünnes Hemd seine Männlichkeit, die deutlich sichtbar nach einer bestimmten Form der Zuwendung verlangte.
Das war das Schöne am Leben eines fahrenden Sängers. Zwar war er die meiste Zeit auf staubigen Straßen unterwegs und musste oft mit leerem Magen sein müdes Haupt zur Ruhe betten, aber dafür ergab es sich immer wieder, dass man von verbotenen Früchten naschen konnte.

Es dauerte nicht lange und gedämpfte Geräusche von Lust und Leidenschaft vermischten sich mit dem Surren von Insektenflügeln und dem allgegenwärtigen Vogelgezwitscher.
Niemand achtete auf den Punkt hoch oben im wolkenfreien Himmel, der ein großer Vogel hätte sein können, der seine Kreise zog, und weder Barde noch Mädchen kamen auf die Idee, dass ihre Unterhaltung belauscht und ihr Treiben beobachtet worden waren.

„Gekröse? Was mag das sein? Gekröse – dieses Menschenwort habe ich noch nie gehört?“
Das prachtvolle Geschöpf, das am Himmel seine Kreise zog, verlagerte sein Gewicht nach vorne und suchte den Platz unter sich nach einer für die Landung geeigneten Stelle ab.
„Es ist sicherlich das Beste, wenn ich diesen Mann direkt befrage. Mit Sicherheit wird er mir Auskunft darüber geben. Oh, was machen die denn da?“

Die angsterfüllten Schreie der fliehenden Mädchen wurden durch das donnernde Rauschen schlagender Schwingen verschluckt.
„So wartet doch, ich tu Euch hübschen Maiden nichts, ich will diesem Mann doch nur eine Frage stellen“, rief das gewaltige Geschöpf, das gerade vor den Augen der entsetzten Menschen gelandet war.
Doch die beiden Mädchen waren, nackt wie sie gerade waren, bereits im Wald verschwunden.
„Was… wer… Hilfe!“
Der ebenfalls unbekleidete Barde war aufgesprungen und schlug mit zitternden Armen ein Kreuz. Im Gegensatz zu den beiden Mädchen hatte er die drohende Gefahr jedoch viel zu spät bemerkt.
„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich will Dir kein Leid zufügen. Ich wollte Dir nur eine einfache Frage stellen. Wenn ich Dich eben bei einer bestimmten Tätigkeit gestört haben sollte, bitte ich Dich um Verzeihung.“
Dem Drachen war selbstverständlich bereits der Geruch der Liebessäfte in seine empfindlichen Nüstern gestiegen und er tat sein Bestes, einen möglichst unschuldigen Gesichtsausdruck zur Schau zu stellen.
Der Barde errötete vor Scham und wagte es nicht, sich zu bewegen. Obwohl er nun völlig unbekleidet da stand, zitterte er mit Sicherheit nicht vor Kälte.
Vor ihm stand das prächtigste und wohl auch tödlichste Geschöpf, das man sich vorstellen konnte. Natürlich waren die Lieder und Geschichten, die er zum Besten gab, voll von Drachen und Drachentötern, doch hatte er nie zuvor ein solches Wesen gesehen.
„Ich… ich…“, mehr brachte er immer noch nicht hervor und der Drache blickte mitleidig auf ihn herab.
Sein gewaltiger Leib war von silbernen Schuppen ummantelt, seine Brust, sein Bauch und auch die Innenseite seiner Gliedmassen hingegen waren von einem dichten, cremefarbenen Fell bedeckt, durch das sich dunkelbraune Streifen, ähnlich denen eines Tigers, zogen.
„Oh, Du zitterst. Aber ich sehe schon, Dir ist kalt – hier!“
Mit einer spielerischen Bewegung seines Schweifes schob der Drache das Gewand, das achtlos zur Seite geworfen war im Rausch der Leidenschaft, dem Barden vor die Füße.
Den Drachen nicht aus den Augen lassend und weiterhin mit hochrotem Kopf, bückte sich der Sänger und schlüpfte eilig in die Hosen.
„Verzeih bitte, ich war unhöflich und habe mich noch nicht vorgestellt. Du kannst mich Greldon nennen“, fuhr der Drache mit der recht einseitigen Konversation fort. „Und ich habe die Ehre mit…?“
„A… Angelo Anselmo von der Fuchsheide“, brachte der Barde mit Mühe hervor.
„Ich werde Dich einfach Angelo nennen, wenn es Dir Recht ist“, erwiderte der Drache freundlich und setzte sich vor dem Menschen auf die kräftigen Hinterbeine. Seinen geschuppten Schweif schlang er sorgfältig um sie herum und brachte seine große Schnauze auf Augenhöhe mit dem Menschen.
„Wie gesagt, ich bitte Dich um Verzeihung, wenn ich Dich gestört haben sollte. Ich wollte Deine Paarung mit diesen hübschen Maiden nicht vorzeitig beenden.“
Das Gesicht des Sängers war nun dunkelrot vor Scham geworden.
„Das braucht Dir nicht peinlich sein. Wenngleich ich sagen muss, dass die Vereinigung von Euch Menschen, zumindest soweit ich das nun beobachten konnte, lange nicht so anmutig ist wie die von uns Drachen und die Größe Deiner Männlichkeit nicht einmal an die von Hengsten, von denen Du zuvor so schön gesungen hast, heranreicht. Könnt Ihr Menschen Euch wirklich vermehren auf diese Art und Weise? Aber egal, ich schweife ab. Ich wollte nur eines von Dir wissen: Was ist das Gekröse, von dem Du eben gesungen hast?“
„Wie bitte?“
Der Barde konnte es nicht glauben. Vor ihm saß ein leibhaftiger Drache, der ihn mit einem einzigen Schlag seiner Pranke zerquetschen mochte wie eine Laus und eine ganze Stadt mit dem legendären Feueratem dem Erdboden gleichmachen konnte, und dieser Drache fragte ihn, Angelo, den fahrenden Sänger, was das Wort Gekröse bedeutete.
Trotz seiner Angst konnte sich der Barde ein Lächeln nicht verkneifen: „Das ist nicht Euer Ernst, oder?“
„Wieso nicht?“ fragte Greldon ein wenig verletzt. Er hasste nichts mehr, als sich in irgendeiner Form zu blamieren und offensichtlich hatte er eine nach Menschenmaßstäben dumme Frage gestellt.
„Ich habe noch nie zuvor dieses Wort vernommen. Ist das eine Schande?“
„Nein! Nein, bitte macht Euch da keine Sorgen.“
Allmählich hatte Angelo seine Fassung wieder gewonnen. Sein Beruf als fahrender Sänger erforderte des Öfteren diplomatisches Geschick, da es immer wieder zu brenzligen Situationen kam. Eifersüchtige Ehemänner oder besorgte Väter, zum Beispiel. Oder Drachen, die nach Gekröse fragten.
„Es ist nur eine sehr ungewöhnliche Frage, aber ich kann Euch das gerne erläutern. Habt Ihr mein Lied über den Ritter Georg gehört?“
„Genau aus diesem Grund frage ich ja“, entgegnete der Drache und schnaubte seinen warmen Atem in das Gesicht des Sängers. „Wobei ich festhalten möchte, dass das Erschlagen von Drachen keine Heldentat ist, die es zu besingen gilt.“
„Nun ja, das ist aber das, was mein Publikum hören möchte“, rechtfertigte sich Angelo. „Die Menschen lieben Geschichten über wilde Kämpfe zwischen blutrünstigen Drachen und wackeren Rittern. Aber nun lasst mich erklären, was mit dem Begriff Gekr… - was schnüffelt Ihr, mit Verlaub, so ungebührlich an meiner Tasche herum?“
„Oh? Ungebührlich?“
Nun stand dem Drachen die Verlegenheit deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Mir stieg nur dieser herrliche, verführerische Duft in die Nüstern und ich fragte mich, von woher…“
„Welcher Duft? Ich bin ein fahrender Sänger und führe nichts von materiellem Wert bei mir. Zumindest kein Gold oder Geschmeide, also nichts, was für einen Drachen von Interesse sein könnte.“
„Was hast Du denn in Deinem Beutel?“
Greldon kümmerte sich im Augenblick nicht darum, dass seine Frage eben ausgesprochen unhöflich war.
„In meinem Beutel? Darin befindet sich nichts weiter als von mir gesammelte Walderdbeeren, die…“
„Erdbeeren!“ rief Greldon erfreut aus und trommelte mit seiner Schweifspitze auf den Boden.
„Meinst Du, Du könntest mich noch einmal… nur einmal daran schnuppern und vielleicht…“
Die Gier stand dem Drachen deutlich ins Gesicht geschrieben und der Barde fügte sich seinem Schicksal. Solange dieses Wesen nur seine Erdbeeren verspeisen wollte…
„Bedient Euch bitte, Herr Drache“, lud Angelo den Drachen ein.
„Ich danke Dir von Herzen. Und nun erkläre mir, was das Gekröse sein soll.“

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« Antworten #3 am: 28.Juli.2008, 20:22:48 »

Kleine Staubwölkchen wirbelten unter seinen Schritten auf, als er die gewundene Steintreppe in das Kellergewölbe hinab stieg.
Ich muss mir wirklich einmal die Zeit nehmen, hier gründlich sauber zu machen, dachte sich Khirdras, als er zum wiederholten Male niesen musste, weil ihm der Staub in die Nüstern gestiegen war.
Die Suche in seiner Bibliothek war erfolglos gewesen, aber ihm war eingefallen, dass er irgendwo in seinem Keller noch einige alte Folianten aufbewahrte. Er war überzeugt davon, dass er dort fündig werden würde.
Etliche Stufen und Niesanfälle später stand er fluchend vor einem Berg an Gerümpel und irgendwelchem Tand, das er in all den Jahren achtlos in den Keller geworfen hatte. Und irgendwo dazwischen sollte sich eine Truhe mit den Folianten befinden.
Seufzend entzündete er mehrere Lichter, um den Raum zu erhellen und machte sich an die Arbeit. Wie so oft schon haderte er dabei mit seinem Schicksal: Zwar war Khirdras ein Meistermagier, aber es gab genau eine Art von Zauber, die er niemals beherrscht hatte und auch niemals mehr beherrschen würde: Ein Zauberspruch, der einem dabei half, Ordnung zu halten.
„Dieser elende Drache“, schnaubte Khirdras, „Statt dass ich in der Sonne draußen bin bei meinen Pflanzen, muss ich mich hier im Kellergewölbe schinden. Und warum? Nur damit ich meine Erdbeeren vor seiner Gier schützen kann. Aber das wird er mir teuer bezahlen, das schwöre ich, so wahr ich Khirdras, der Meistermagier bin. Oh, was haben wir denn da...“
Aus einem Stapel alter Zauberumhänge zog er eine hölzerne Truhe, deren Schloss bereits durchgerostet war. Vorsichtig öffnete er sie und holte drei in Leder gebundene Folianten heraus.
„Da sind sie ja. Die gesammelten Zaubersprüche der berüchtigten Hexe Cruella de Firgh!“
Nur allzu gut erinnerte er sich noch an das magische Duell, das er mit ihr vor vielen Jahren ausgetragen hatte. Sie hatte ihn damals in eine tödliche Falle gelockt und das Duell entschied über Leben und Tod.
Als er sie schließlich besiegt hatte, hatte er alle ihre Zauberutensilien vernichtet, um die Welt vor ihrer bösen Magie zu schützen – nur diese drei Folianten hatte er aufbewahrt, als Trophäe sozusagen.
Behutsam blätterte er durch die brüchigen Seiten und tatsächlich war ihm das Glück hold. Bereits im ersten Buch in einem der ersten Kapitel hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte.

„So, mein geschuppter, gieriger Freund!“ rief Khirdras und stürmte die Treppen hinauf in sein Arbeitszimmer. Vor ihm lag eine Menge Arbeit und er musste bis zur nächsten Vollmondnacht damit fertig sein - also in ein paar Stunden.

***

Das Gebräu blubberte graubraun vor sich hin, ab und an zerplatzte eine entstehende Blase.
Es stank buchstäblich zum Himmel.
Khirdras rümpfte die Nüstern und kratze nachdenklich seinen Hornansatz.
„Irgendwas stimmt da nicht. So kann ich das nicht auf das Feld ausbringen. Das stinkt wie Gülle und niemand würde sich den Erdbeeren auch nur nähern. So habe ich mir deren Schutz vor dem Drachen auch nicht vorgestellt“, murmelte das Alicorn und wandte sich erneut der aufgeschlagenen Seite mit dem Rezept zu.
Er las laut die einzelnen Zutaten vor:
„Schusternägel – sind drin. Fellhaare eines bei Vollmond mit einer Silberkugel erlegten Werwolfs – passt. Fünf Esslöffel Olivenöl – habe ich auch reingetan. Saft von einem Kilo katalonischer Orangen – auch drin. Nunja, nicht aus Katalonien, diese Orangen sind mir zu teuer. Aber die aus meinem eigenen Garten sollten es doch eigentlich auch tun... Acht Maß Drachenbannkugeln. Habe ich auch reingetan. Oh... ich habe die Erdbeeren vergessen. Gut, das ist schnell korrigiert.“
Khirdras nahm den Topf mit dem Trank vom Feuer und eilte hinaus in seinen Garten. Es war bereits später Nachmittag und er würde sich beeilen müssen: Der Trank musste ausgekühlt sein und dann mittels einer magischen Handspritze über dem Feld im silbernen Schein des Vollmondes ausgebracht werden. Zum Glück deutete alles auf einen wolkenlosen Nachthimmel hin.

Schlagartig nahm der Trank eine transparente Färbung an und auch der entsetzliche Gestank war verschwunden, als Khirdras die Erdbeeren in pürierter Form dem Gebräu hinzugefügt hatte.
Er wartete geduldig, bis der Trank soweit ausgekühlt war, dass er ihn in seine Gartenspritze – er hatte diese vor einigen Jahrzehnten von einem reisenden Magier im Morgenland für ein geringes Entgelt erworben – füllen konnte.

Immer wieder ging er im silbernen Mondlicht die einzelnen Reihen des Erdbeerfeldes entlang, hüllte jede einzelne Pflanze ein in dem feinen Sprühnebel. Dabei murmelte er wiederholt in einem monotonen Singsang die Worte Cambiate Ladronem Dragonem Fragole.
Wenn der diebische Drache sich noch einmal an seinen Erdbeeren gütlich tun wollte, würde dieser sein spezielles blaues Wunder erleben – oder sollte man besser sagen rotes Wunder?
Mit einem zufriedenen Grinsen brachte Khirdras noch den letzten Rest des Zaubertranks aus. Heute würde er endlich wieder in Ruhe schlafen können ohne befürchten zu müssen, dass der Drache seine Erdbeerpflanzungen noch einmal verwüsten würde. Sollte es der Drache dennoch versuchen, nun, man würde sehen...

***


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« Antworten #4 am: 29.Juli.2008, 17:51:35 »

Greldon erwachte grummelnd, als der Morgennebel seine kalt-feuchten Finger nach seinem Schuppenleib ausstreckte. Missmutig richtete er sich auf und schüttelte sich. Wie er die Vollmondnächte hasste. Zum einen konnte er da nie richtig schlafen und zum anderen hatte er dann – fiel er schließlich doch noch in den Schlaf – meist ausgesprochene Albträume.
Diese Nacht war sein Traum besonders bizarr gewesen: Lianenartige Schlingpflanzen hatten sich um seinen Leib geschlungen und ihn bewegungsunfähig gemacht, während eine schwarze und eine weiße Ratte, beide weitaus größer als Ratten gemeinhin waren, abwechselnd an seiner Schweifspitze genagt hatten.
Außerdem hatte sein Bauch die ganze Nacht über rumort und wenn er es genau bedachte, so rebellierte es immer noch in seinem Magen. Die Kuh, die er noch kurz vor dem Schlafengehen geschlagen und verzehrt hatte, konnte es nicht gewesen sein. Die war, soweit er es beurteilen konnte, jung und zart im Fleische gestanden. Es gab eine Erklärung für sein Unbehagen, aber das wollte er sich nicht eingestehen. Und selbst wenn: Das bisschen  Magengrimmen war ein Preis, den er gerne für den Genuss von Erdbeeren bezahlte. Abgesehen davon war es gar nicht erwiesen, dass es da überhaupt einen Zusammenhang gab.
„Autsch!“ entfuhr es ihm und er rieb sich seinen Bauch.
Sehr eilig verließ er die Höhle.

Als er endlich fertig war mit dem, was er so dringend hatte erledigen müssen, trottete er zu dem nahe gelegenen Bach, um seinen Durst zu stillen und sich zu erfrischen.
In großen Schlucken soff er gierig das frische Wasser und betrachtete nicht ohne Stolz sein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche.
Er war in der Tat ein prächtiger Drache und stand in der Blüte seines Lebens. Sein Körper strahlte Kraft und Ausdauer aus.
Er dachte an seine Kämpfe zurück, die er vor nicht allzu langer Zeit ausgefochten hatte mit anderen männlichen Drachen. Er war daraus als Sieger hervor gegangen, klar und strahlend, und hatte auf diese Weise das Herz seiner großen Liebe errungen. Kurz darauf hatten sich die beiden zurückgezogen und in einem wilden Flug sich ihrer Leidenschaft zueinander hingegeben. Sie würden vereint sein, für immer mit ihren Leibern und mit ihren Herzen.
Mitten in diese süßen Gedanken platzte das erneute Grollen, das seinem Magen entsprang.

„An Deiner Stelle würde ich das nicht tun“, ließ sich unmittelbar darauf eine vertraute Stimme vernehmen, als Greldon einen weiteren Schluck Wasser zu sich nehmen wollte.
Der Drache hob sein stattliches Haupt und blickte geradewegs in die funkelnden Augen seiner Liebsten.
„Auruliyuth“, murmelte Greldon verlegen. Er hatte sich schon gefragt, wo sie nur stecken würde – der Platz neben ihm in seiner Höhle war heute Morgen leer gewesen.
„Nun, endlich aufgewacht, Du Faulpelz?“
Ihre Schuppen waren wie goldener Wüstensand und ihre Augen glichen flüssigem Bernstein. Sie trat an ihren Liebsten heran, um ihren schlanken Kopf an seiner Brust zu reiben.
„Du weißt doch, wir haben eine weite Reise vor uns. Es wird höchste Zeit, einen geeigneten Platz für das Nest zu finden. Ich spüre schon deutlich, dass es schon sehr bald so weit sein wird, mein geliebter, starker Greldon. Aber so wie es aussieht, hast Du Dich gestern wieder einmal hoffnungslos überfressen. Mit was diesmal?“
„Ich werde einen Nistplatz für uns finden und ich werde für Dich das Nest mit den funkelnden Sternen des Himmels schmücken, meine geliebte Auruliyuth“, versprach der männliche Drache mit zärtlicher Stimme und überhörte geflissentlich ihre spitze Frage. Liebevoll leckte er die Schnauze seiner Gefährtin, doch die Drachin war viel zu klug und zu erfahren, als dass sie sich auf diese Weise hätte ablenken lassen.
„Du hast wieder zu viele Erdbeeren genascht, ist es nicht so? Und nun säufst Du den Bach leer. Nicht sehr klug, weißt Du das?“
„Aber ich...“
„Ich habe Dir schon so oft gesagt, Erdbeeren sind keine geeignete Nahrung für ein ausgewachsenes Drachenmännchen. Zumal ich nun auf Deine Kraft und Stärke angewiesen bin. Ihr Götter! Wie kann man nur so verantwortungslos und dumm sein?“
Sie gab ihm einen zwar immer noch spielerischen, aber doch auch nachdrücklichen Hieb mit ihrer Tatze auf seine Schnauzenspitze.
„In diesem Zustand willst für mich die Sterne vom Himmel holen? Deinen Bauch zerreißt es beinahe und abgesehen davon bist Du ohnehin zu faul, Deine Schwingen zu strecken. Und da sprichst Du davon, des Nachts zu den Sternen zu fliegen? Wo hast Du diesen Unsinn überhaupt aufgeschnappt?“
„Ich hatte vor kurzem eine sehr interessante Begegnung mit einem fahrenden Sänger und eine sehr wohlschmeckende obendrein“, erklärte Greldon, froh darüber, dass er nun nicht weiter mit dem leidigen Thema, dass Erdbeeren nichts für ausgewachsene Drachen seien, behelligt wurde.
„Wohlschmeckend? Du hast doch nicht etwa…“
In Auruliyuths Augen stand blankes Entsetzen geschrieben.
„Nein! Nein! Nicht, was Du denkst!“ rief Greldon aus und versuchte seine Gefährtin zu beschwichtigen.
„Ich schwöre Dir, ich habe ihm kein Leid angetan. Wir haben uns nett unterhalten und er hat lediglich seine Erdbeeren mit mir geteilt.“
„Schon wieder Erdbeeren! Und er hat sie mit Dir geteilt, so nennst Du das also“, grollte Auruliyuth und drückte eine Krallenspitze in Greldons weiches Bauchfell.
 „Ich kenne Dich doch. Genommen haben wirst Du sie diesem Menschen. Erst stiehlst Du sie aus den Gärten dieses Erzmagiers und nun raubst Du auch noch einen wehrlosen Sänger aus. Wahrlich, einen prächtigen Gatten habe ich mir da in mein Nest geholt!“
„Nein, wirklich, er hat sie mir von sich aus gegeben und…“
„Ja, nachdem Du ihm wahrscheinlich keine Wahl gelassen hast, Du alter Gierschlund.“
Greldon seufzte. Weshalb glaubte ihm seine Gefährtin nicht? Er unternahm noch einen zaghaften Versuch: „Schatz, ich habe ihn nur gefragt, was er in seinem Beutel bei sich führte, da mir dieser herrliche Duft in die Nüstern gestiegen ist. Und als ich ihn dann darum bat, an dem Beutel zu schnuppern zu dürfen, hat er sie mit mir bereitwillig geteilt. Er hätte es ja auch ablehnen können.“
Auruliyuth versetzte ihrem Gefährten einen weiteren Hieb, der nun so gar nichts Liebevolles mehr hatte.
„Und Du meinst, er hätte das wirklich getan? Ein Mensch, der zu einem Drachen aufblicken muss, vor allem wenn es sich um ein solch stattliches Exemplar wie Dich handelt, würde dem Drachen dann einen Wunsch abschlagen?“
Greldon ließ den Kopf hängen, als er erkannte, dass es für ihn heute mit Sicherheit keinen gemütlichen, ruhigen Morgen geben würde.
Auruliyuth war auch noch lange nicht fertig mit ihrer Standpauke.
„Du dummer, erdbeersüchtiger Gatte. Dein nahezu krankhaftes Verlangen nach Erdbeeren wird noch einmal Dein Untergang sein und überhaupt...“

Den Rest hörte Greldon schon nicht mehr. Er hatte sich mit seinen Hinterbeinen kraftvoll vom Boden abgestoßen und stieg mit kraftvollen Flügelschlägen immer höher.
Weibchen! Wissen wenig, plaudern viel, dachte er sich und war zuversichtlich, dass sich seine Gefährtin in ein paar Stunden wieder beruhigt haben würde.
Nun war nicht nur Greldons Magen verstimmt.
„Ich und erdbeersüchtig, die hat doch einen Klopfer… Was weiß denn schon ein Weibchen von meinen Bedürfnissen“, grummelte er vor sich hin, als er hoch am Himmel seine Bahnen zog.

Er achtete gar nicht darauf, in welche Richtung er flog, doch als er eine prachtvolle Gartenanlage mit Gewächshäusern und zahlreichen Feldern und Beeten unter sich auftauchen sah, blitzten seine Augen gierig auf und seine Laune besserte sich schlagartig.
Er verlagerte sein Körpergewicht ein wenig und ging in einem langsamen Sinkflug über.
Er erkannte sehr wohl das dazugehörige Anwesen und für einen kurzen Augenblick dachte er an jene Lichtblitze, die nach seinem Schweif gegriffen hatten. Doch das Verlangen nach den verbotenen Früchten war größer als jede Vorsicht oder gar Vernunft.
Mit seinem scharfen Drachenblick konnte er genau erkennen, dass wieder zahlreiche Erdbeeren gereift waren und auf ihre Ernte warteten. Und Greldon war sich sehr wohl jener Tatsache bewusst, dass es sich bei diesen Erdbeeren um die wohl exquisitesten Früchte im ganzen Land handelte.
Ein gutes Stück von Khirdras Anwesen entfernt landete Greldon und legte sorgfältig seine Flügel an. Voll freudiger Erwartung näherte er sich dem Ziel seiner Begierde, immer wieder vorsichtig in die Luft schnuppernd und lauschend, ob sich der Besitzer nicht irgendwo versteckt hielt. Aber es schien alles in bester Ordnung; offensichtlich war Khirdras ausgegangen. Nun, ein Meistermagier hatte sicherlich zahllose Verpflichtungen und Greldon ging davon aus, dass er sich ungestört den Bauch voll schlagen konnte. Sollte der Zauberer wirklich unverhofft auf der Bildfläche erscheinen, nun, Greldon würde sich blitzschnell in die Lüfte erheben und dann konnte man immer noch sehen.
Mit geblähten Nüstern den herrliche Duft des göttlichen Obstes aufnehmend, stand Greldon  am Rande des Erdbeerfeldes. Er ergötzte sich noch ein wenig an dem Anblick. Sein Schweif peitschte in freudiger Erregung, als der Drache schließlich sein Haupt senkte und mit spitzen Krallen die erste Frucht pflückte, freilich dabei versehentlich die Erdbeere mitsamt dem Grün ausreißend.

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« Antworten #5 am: 29.Juli.2008, 17:57:45 »

„Das ist doch wohl der Gipfel der Unverfrorenheit!“ rief Khirdras aus, als er in der Ferne eine Silhouette ausmachte und recht bald schon darin einen Drachen erkannte, der Kurs auf sein Anwesen genommen hatte.
„So unverschämt, so tolldreist kann doch nicht einmal ein Drache sein“, wunderte sich das Alicorn und lief in sein Arbeitszimmer.
Insgeheim bewunderte er aber den Drachen. Zu schade, dass dieser Drache so sehr irregeleitet war von seiner perversen Gier nach Erdbeeren.
Khirdras griff nach einem kleinen Tiegel auf einem der Arbeitstische und gab etwas von einer gallertförmigen, geruchslosen Masse, die die Farbe von Hafergrütze hatte, in seine Hand. Langsam verrieb er die Substanz zunächst in seinem Gesicht und verteilte sie auch auf seinem restlichen Körper.
Die Wirkung trat beinahe augenblicklich ein: Die Konturen des Alicorns begannen zu verschwimmen und er war kaum mehr von seiner Umgebung zu unterscheiden. Khirdras war stolz auf diese seine Erfindung: Zwar hatte er in all den Jahren keinen wirksamen Unsichtbarkeitszauber gefunden, aber die von ihm entwickelte Chamäleoncreme tat genauso gut ihren Zweck und hatte sich in Magierkreisen zu einem wahren Verkaufsschlager entwickelt. Sie hatte noch einen anderen entscheidenden Vorteil: Sein eigener Körpergeruch wurde vollständig unterdrückt, so dass ihn nicht einmal Wölfe aufspüren konnten.
Derart präpariert trat er in den Garten und beobachtete in einer Mischung aus brodelndem Zorn, schelmischer Vorfreude und auch Ehrfurcht den ungeladenen Gast bei seinem Festmahl.
Erdbeere um Erdbeere wanderte in den Drachenschlund und viele Pflanzen fielen Pranken und Zähnen und einem um sich schlagenden Schuppenschweif zum Opfer.
Welch eine unbändige Kraft, was für ein prachtvolles Geschöpf, dachte sich Khirdras und wie so oft schon in seinem Leben wünschte er sich, ein solch prächtiges Wesen zum Gefährten zu haben – oder zumindest als Zauberlehrling oder auch als Gehilfen. So ein Drache konnte schließlich sehr nützlich sein: Mit seiner Körperkraft könnte er schwere Gegenstände bewegen – genau das richtige, wenn es darum ging, beispielsweise einen Keller zu entrümpeln. Darüber hinaus besaßen Drachen einen ausgeprägten Geschäftssinn, den sich Khirdras, der nicht nur diese Chamäleoncreme produzierte und vertrieb, sondern auch magische Beratungsleistungen für jeden, der Rat suchte, anbot – gegen ein entsprechendes Entgelt, versteht sich. -, zu Nutzen machen würde. Zu guter letzt könnte so ein Drache auch ohne weiteres die Stelle eines Wachhundes einnehmen: Allein schon die imposante Größe des Drachens könnte mögliche Eindringliche von seinem Grundstück fernhalten.
Khirdras seufzte, wohl wissend, dass sich sein Traum in dieser Richtung wahrscheinlich niemals erfüllen würde, und widmete sich wieder seiner Vorfreude auf das, was nun mit dem frechen Erdbeerdieb passieren würde. Die Beschreibungen in dem alten Buch waren so ungenau gewesen und die Illustrationen so sehr verwaschen, dass er keinerlei Vorstellung davon hatte, wie sich das ausgebrachte Mittel nun tatsächlich auf den Drachen auswirken würde.
Seinen Appetit schien es jedoch schon einmal nicht zu zügeln…

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Greldon
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« Antworten #6 am: 29.Juli.2008, 18:07:18 »

Rote und violette Blitze verfehlten fuhren rings um ihn hernieder, pastellfarbene Explosionen vor seinen Augen blendeten ihn und sein hämmerndes Herz drohte zu zerspringen. Er hatte die Orientierung verloren – hoch, tief, oben und unten. Hektisch schlug er mit seinen Schwingen, doch er fiel in eine wirbelnde Spirale aus Rot, Rosa und Weiß. Die Luft um ihn herum roch fruchtig und er schmeckte Erdbeeren und verzehrendes Feuer. Sein Fall war ungebremst, die Farben wogten, ein Rausch der Sinne – bis ihn irgendwann wohlige Wärme umgab und er ein einem Meer aus pinkfarbenen Schleiern trieb.
Stöhnend trat er mit seinen Beinen in die Luft und irgendwann meldete ihm sein Unterbewusstsein, dass er gar nicht abgestürzt war, sondern er auf festem Boden lag – auf dem Rücken mit ausgebreiteten Schwingen, nicht gerade eine übliche Schlafstellung eines Drachens.
Doch Greldon konnte nicht die Energie aufbringen, sich in eine bequemere Position zu bringen. Eine bleierne Müdigkeit drückte ihn nieder und wie ein Blitz in der Nacht durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass er sich kurz nach dem Verzehr der Erdbeeren unendlich müde und schlapp gefühlt hatte und ihn seine Flügel kaum noch in der Luft halten wollten. Doch schon im gleichen Augenblick, als er darüber nachdenken wollte, war er schon wieder eingeschlafen.

„Krah!“ „Krah!“ „Krah!“
Greldon öffnete langsam die Augen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte, doch der Lärm sich zankender Krähen weckte ihn.
„Was zum…“
Er brach ab und schloss rasch seine Augen, als das helle Sonnenlicht ihn blendete.
Langsam öffnete er sie wieder und sah aus seinen Augenwinkeln heraus hastige Bewegungen und Geflatter. Offensichtlich war eine Horde Krähen, warum auch immer, in seine Höhle eingefallen – nur dass er sich nicht in seiner Höhle befand.
Brennender Durst quälte ihn. Brust und Bauch juckten ihm und er bemerkte gar nicht, dass er sich ohne Unterlass kratze. Aber am allerschlimmsten war der stechende und hackende Schmerz, den er an seinem Schweifende verspürte, da wo sein Schuppenschwanz auslief zu einer eleganten Quaste, wie sie sonst nur Löwen haben.
Er hatte sich eben nicht getäuscht: Er befand sich nicht in seiner Höhle, sondern lag - immer noch auf seinem Rücken - irgendwo im Freien, wie es sich anfühlte, auf einem Acker. Ärgerlich verscheuchte er mit einer Bewegung seiner Tatze einige Krähen, die unruhig und mit flatternden Flügeln auf seinem Bauch herumhopsten. Allmählich klärte sich auch sein Blick und er richtete sich auf, als ihn erneut eine Welle des Schmerzes von seiner Schwanzspitze her durchlief.
Entsetzt brüllte er auf, als er die Ursache des Schmerzes sah. Die Krähen sprangen laut protestierend von ihm weg, als er sich hastig aufrichtete – nur, um sich wieder auf seine Schweifspitze zu stürzen.
„Das ist ein Albtraum!“ rief er entsetzt und schlug mit seinem Schweif um sich, der so gar nicht mehr wie ein Drachenschweif aussah.
Statt des Schuppenschwanzes spross aus dem Schweifansatz eine Art dicker, grüner, biegsamer Stängel, von dem in regelmäßigen Abständen Blätter herauswuchsen. Am Grauenvollsten jedoch war das Schweifende: Anstelle der ehemals prachtvollen Schwanzquaste lockte eine beinahe kürbisgroße, vollreife Erdbeere mit ihrem leuchtenden Rot die Krähen an, die gierig mit scharfen Schnäbeln darauf einpickten.
Greldon wurde rasend vor Schmerz und entsetzt stellte er fest, dass jedes Mal, wenn die Krähen die Frucht an seinem Schweifende zerhackt und verschlungen hatten, die Erdbeere auf wundersame Weise sofort wieder nachwuchs.

Gehetzt blickt sich Greldon um und stieß einen Feuerstrahl nach dem anderen gegen seine gefiederten Peiniger aus. Doch die Krähen ließen sich nicht im Geringsten davon beeindrucken, zu sehr lockte die sich immer wieder erneuernde, pralle Beere.
Wasser! Ich muss ins Wasser. Hoffentlich träume ich das nur, dachte sich der Drache und setzte sich in Bewegung. Mittlerweile wusste er, wo er sich befand. Von seiner Höhle war er immer noch ein gutes Stück entfernt und auf dem Weg dorthin würde er an einem kleinen See vorbeikommen.
So gut es ging, stieß er sich mit seinen Hinterbeinen ab und mit mühsamen Flügelschlägen – die aufdringlichen Krähen weiterhin im Schlepptau – erreichte er endlich das Linderung verheißende Gewässer.
Doch als er sein Spiegelbild in der stillen Wasseroberfläche erblickte, hallte sein schmerzerfüllter Schrei der Verzweiflung über den See: Nicht nur war sein Schweif zu einer Erdbeerranke und seine Quaste zu einer Erdbeere geworden. Sein cremefarbenes, mit ockerfarbenen Streifen durchzogenes, seidig weiches Bauchfell war von dem gleichen leuchtenden Rot wie die Frucht an seinem Schweifende. Als er mit einer Tatze vorsichtig über seine Brust strich, spürte er deutlich jene für die Erdbeerfrucht so charakteristischen, kleinen, gelbgrünfarbenen Samennüsschen.
Er tauchte seinen Kopf in das eiskalte Seewasser, in der Hoffnung, dass er dadurch aus dem furchtbaren Albtraum erwachen würde. Doch es war bittere Realität.
Verzweifelt wehrte er erneut die lästigen Krähen ab.
„Was mach ich denn nur?“ rief er in das Krähengekrächze.

Greldon konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Dennoch war ihm klar, dass er nicht in diesem Zustand bleiben konnte. Abgesehen von den Schmerzen, die das Angeknabbertwerden verursachte, jedes Geschöpf im ganzen Land würde sich über ihn lustig machen. Greldon, der Erdbeerdrache – oder Schlimmeres.
Er brüllte schmerzerfüllt auf, als erneut seine Quastenerdbeere von den Krähen zerpickt wurde, und zog sich in das Wasser zurück.
Unter enttäuschtem und entrüstetem Gezeter zogen die gefiederten Plagegeister schließlich ab. Doch Greldon hatte nicht vor, den Rest seines Daseins in diesem See zu verbringen. Aber ihm war bewusst, dass er sofort wieder zahlreiche Peiniger, die ihn vernaschen wollten, am Hals haben würde, sobald er nur einen Schritt auf das trockene Ufer machte.
Nur seine Schnauzenspitze schaut aus dem Wasser, als er angestrengt nachdachte. Es war offensichtlich, was passiert war. Seine Vorliebe für Erdbeeren hatte ihn in diese missliche Lage gebracht. Wahrscheinlich hatte dieser Zauberer, dem das prachtvolle Erdbeerfeld gehörte, die Früchte irgendwie verflucht. Was läge also näher, als diesen Zauberer aufzusuchen und ihn zu bitten – nein, zu zwingen, schließlich war Greldon ein prachtvoller Drache – diesen Fluch von ihm zu nehmen. Doch Greldon verwarf diese Idee sofort wieder. In dieser Erdbeerdrachengestalt würde er kaum den Magier beeindrucken, geschweige denn einschüchtern können. Aber um Hilfe zu bitten, kam ebenfalls nicht in Frage. Dazu war der Drache zu stolz.
Es musste eine andere Möglichkeit geben. Und was noch viel wichtiger war, seine geliebte Auruliyuth durfte ihn unter gar keinen Umständen in dieser lächerlichen Gestalt sehen.
Doch wie es der Zufall so wollte, vernahm er just in diesem Augenblick die kraftvoll tönende Stimme seiner Gefährtin.
„Greldon! Wo steckst Du denn? Ich warte schon seit Stunden auf Dich. Greldon? Bist Du am Ende wieder auf der Suche nach Erdbeeren? Du nichtsnutziger, verfressener...“
„Ich bin hier, hier im See“, rief Greldon Auruliyuth zu, als er sie hoch über ihm im Himmel kreisen sah.
„Im See? Um diese Zeit?“

Auruliyuth faltete nach ihrer Landung ordentlich ihre Flügel zusammen und setzte einen besonders strengen Blick auf, als sie an das Ufer trat.
„Bequemt sich mein Gatte jetzt endlich, sein Bad zu beenden?“ fragte sie spitz.
„Ich... ich kann nicht“, erwiderte Greldon zerknirscht.
„Was soll das heißen: Du kannst nicht?“
„Das heißt“, klagte der geplagte Drache, „dass ich nicht aus dem Wasser kommen kann. Zumindest nicht jetzt, so lange es hell ist.“
Auruliyuth kniff ihre Augen zusammen und setzte sich auf ihre Hinterbeine, ihren Schweif wickelte sie mit äußerster Sorgfalt um sie herum. Die Schweifspitze klopfte auf den Boden, für Greldon das sichere Anzeichen, dass seine bessere Hälfte nicht mehr sehr viel Geduld aufbringen würde.
„Was ist das nun wieder für eine Spinnerei? Hast Du nun nach Deiner übermäßigen Erdbeerlust auch noch einen Badefetisch entwickelt?“
„Nein, so kann man das nicht nennen“, schüttelte Greldon den Kopf.
Kleine Wellen plätscherten sachte an das Ufer, als er sich näher heran schob, dabei immer darauf bedacht, dass nur sein Kopf aus dem Wasser ragte.
„Mir reißt gleich der Geduldsfaden! Wenn Du nicht augenblicklich herauskommst und Dich wie ein erwachsenes, verantwortungsbewusstes Drachenmännchen benimmst, dann...“
„Schon gut!“ lenkte Greldon seufzend ein und richtete sich langsam auf. „Aber bitte, erschrick nicht und vor allem, bitte keine Vorwürfe.“
„Um Himmels Willen! Greldon! Wie schaust Du denn aus?“

Greldon stand da wie der sprichwörtlich begossene Pudel und bot wirklich einen erbarmungswürdigen Anblick, als das Wasser von seinem entstellten Körper tropfte. Das Grünzeug, das einst sein stolzer Schuppenschweif gewesen war, war vom Wasser aufgeweicht – nur die übergroße Erdbeere war geradezu eine Einladung und prompt hatten sich auch schon wieder die Krähen und auch andere Vögel gierig darauf gestürzt.
Resigniert zuckte der Drache mit seinem botanischen Körperanhängsel und stöhnte gequält auf, als die Frucht erneut zerpickt wurde. Doch die Vögel blieben unbeeindruckt und erst als Auruliyuth drohend auf sie zusprang, erhoben sie sich zeternd.
Der Blick der Drachin durchbohrte Greldons Herz und er ließ seinen Kopf und seine Flügel noch tiefer hängen, die Standpauke erwartend, die auch prompt begann:
„So. Offensichtlich hast Du nun ja Deinen Preis bezahlt für Deine krankhafte Erdbeersucht. Wie oft habe ich Dir gesagt…“
„Das hilft doch jetzt auch nichts mehr, geschehen ist geschehen“, wagte Greldon zu unterbrechen und fragte sich zum wiederholten Male, weshalb Drachenweibchen immer mit diesem ominösen hättest Du bloß oder ich habe es Dir doch gleich gesagt anfingen, nachdem bereits ein Unheil eingetreten war – darin standen sie in Nichts den Menschen nach, die in diesem Unfug wahre Meister waren.
Auruliyuth knurrte verärgert ob dieser unqualifizierten Unterbrechung und fuhr fort:
„Und wie gedenkst Du nun, auf Jagd zu gehen? Wie willst Du Dich unbemerkt der Beute nähern, wenn Du künftig als fliegender Obstkorb einen lärmenden Vogelschwarm nach Dir ziehst und am Boden auch noch anderes Getier anlockst? Einen Hirschen wirst Du aber nicht anlocken, das verspreche ich Dir. Und wie willst Du dann genügend Nahrung für mich und unser Junges heranschaffen? Ich werde bald gar nicht mehr jagen können, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.“
Wie zur Bestätigung ihrer Worte knabberten nun einige Ratten an Greldons Schwanzspitze und die Krähen, zusammen mit ein paar Amseln und Spatzen, fühlten sich ebenfalls wieder eingeladen.
Schmerzerfüllt brüllte Greldon auf, als die scharfen Rattenzähne in ihrer Gier auch noch in andere Körperpartien schlugen,  und was noch schlimmer war: Ameisen und anderes Getier krochen über seinen erdbeerartigen Bauch. Nur mit Mühe konnte Greldon den Drang widerstehen, ins Wasser zurückzukehren. Doch Auruliyuth hatte offensichtlich sein Vorhaben erraten und grollte: „Also, wie soll es nun weitergehen? Du kannst nicht den Rest Deines Lebens im Wasser verbringen.“
Erneut half sie ihm dabei, die Plagegeister abzuwehren und sagte dann: „Wir kehren in Deine Höhle zurück. Und dann erzählst Du mir genau, was passiert ist. Ich frage mich, warum ich überhaupt bereit bin, Dir zu helfen. Jedes vernünftige Drachenweibchen würde sich sofort von so einem törichten, verantwortungslosen Drachenmännchen trennen. Und nun komm, worauf wartest Du? Willst Du hier etwa Wurzeln schlagen?“
Auruliyuths Äußerung war gar nicht so falsch gewesen: Als Greldon seinen Schweif bewegen wollte, stellte er entsetzt fest, dass tatsächlich wurzelartige Auswüchse sich mit dem Boden zu verbinden begannen. Zwar waren diese Wurzeln nur fadenartig, doch musste der Drache tatsächlich etwas Kraft aufwenden, um die ungewünschte Verbindung mit dem Boden zu lösen.
„Das kann ja heiter werden“, knurrte Auruliyuth und stieß sich ohne ein weiteres Wort vom Erdboden ab, ohne einen weiteren Blick zurückzuwerfen.
Greldon folgte ihr schließlich in einigem Abstand.  

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Greldon
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« Antworten #7 am: 29.Juli.2008, 18:11:02 »

Gierig riss Greldon Fleischfetzen aus der von Auruliyuth geschlagenen Kuh.
Der Flug zu seiner Höhle war der reinste Spießrutenlauf gewesen – sogar in die Höhle hinein waren die Plagegeister dem Drachen gefolgt.
Schließlich hatte Auruliyuth, eine äußerst praktisch denkende Drachin, über Greldon eine Art Schutzdach aus Steinen und Holz errichtet, so dass kein Tier mehr, abgesehen von Insekten, die Erdbeerquaste erreichen konnte. Von Vorne sah es so aus, als ob Greldon in der Höhle eingezwängt sei, ähnlich einer zu fetten Maus, die in ihrem eigenen Mauseloch stecken geblieben war.
Auruliyuth beobachtete ihren Gemahl mit zusammengekniffenen Augen.
„Du brauchst nicht glauben“, stellte sie klar, „dass ich Dich nun durchfüttern werde und zusehe, wie Du hier schließlich bewegungslos immer fetter wirst, bis Du wirklich fest steckst. Ich überlasse Dir diese Beute nur deshalb, weil ich viel zu weichherzig bin. Erzähle mir nun genau, was passiert ist.“
Greldon blickte auf und seufzte. Vor diesem Augenblick hatte er sich gefürchtet, denn nun musste er zugeben, dass er wider besseres Wissen zu dem Erdbeerfeld zurückgekehrt war, um erneut von den verbotenen Früchten zu naschen.

Auruliyuths Schweif peitschte wütend hin und her. Sie war aufgesprungen, sobald Greldon mit seinen Ausführungen an der Stelle angelangt war, als er sein Heil in der Flucht in das kühle Nass gesucht hatte.
„Und Du wagst es, Dich hier von mir füttern zu lassen und Dich im Selbstmitleid zu suhlen? Du hättest schon längst bei diesem Zauberer sein können.“
„Das verstehst Du nicht!“ rief Greldon verzweifelt. „Er wird mich bestrafen wollen, weil ich seine Erdbeeren gepflückt habe.“
„Ja, und? Das würde Dir nur Recht geschehen. Aber nach der Bestrafung würde er vielleicht den Fluch von Dir nehmen.“
„Ich kann das nicht!“
„Was kannst Du nicht? Zu ihm hingehen und ihn um Verzeihung bitten, mit dem Ziel, dass er den Fluch von Dir nimmt? Das sollte wohl in Deiner Situation nicht zu viel verlangt sein.“
„Nichts da!“ rief Greldon trotzig und Drachenstolz glomm in seinen Augen.
„Ich bin ein Drache! Drachen fragen nichts und sie erbitten auch nichts. Sie nehmen sich, was sie wollen.“
„Ach, wirklich?“ entgegnete Auruliyuth spitz und zuckte verächtlich mit ihren Flügeln.
„Schau Dich doch nur an, Du wahrlich stolzer Drache. Glaubst Du wirklich, dass irgendwer vor Dir in Deiner gegenwärtigen Verfassung Respekt hat? Denke an die Vögel, die draußen auf Dich warten.“
„Trotzdem, ich werde mich niemals soweit erniedrigen, dass ich diesen Zauberer um etwas bitte. Zumal der nicht einmal ein Drache ist, sondern nur ein Pferd.“
„Offensichtlich aber ein mächtiges Pferd, wenn es zu solchen Zaubereien in der Lage ist. Abgesehen davon ist das kein Pferd sondern ein Alicorn. Sag mir nicht, mein dummer Gemahl, dass Du noch nie zuvor von dem mächtigen Magier Khirdras gehört hast.“
„Und wenn schon. Ich werde nicht zu ihm hingehen. Irgendwie werde ich schon klarkommen.“
Auch Greldon konnte ungeheuer stur sein.
Statt einer Antwort brachte Auruliyuth schnuppernd ihre Schnauzenspitze an die rote, fleischige Brust ihres Gemahls und schnurrte leise: „Doch, ich muss zugeben, so Erdbeeren duften wirklich herrlich. Allmählich kann ich Deinen Appetit auf diese Früchte verstehen.“

Greldons Schmerzensgebrüll hallte ihr noch in den Ohren, als sich Auruliyuth in die Luft geschwungen hatte. Sie hatte herzhaft in die erdbeerartige Brust ihres Gemahles gebissen und ein Stück herausgerissen. Genau wie die Frucht an Greldons Schweif schloss sich diese Wunde sofort wieder.
Er wird schon noch zur Vernunft kommen, dachte sie sich, als sie davon flog. Ich hoffe nur, dass er das bald tut. Denn ich liebe ihn trotz allem.

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[Fortsetzung folgt]
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Greldon
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« Antworten #8 am: 30.Juli.2008, 22:34:49 »

Der Regen prasselte unbarmherzig hernieder und Greldon tat sich, wie schon so oft in den letzten Tagen, selber leid.
Natürlich hatte seine Gemahlin Recht gehabt: Seine Erdbeergestalt war alles andere als förderlich für seinen Jagderfolg. Sobald er seine Höhle verließ, hatte er einen Krähenschwarm im Schlepptau und deren Gekrächze vertrieb jedes potentielle Beutetier in weitem Umfeld.
Sein Magen knurrte erbarmungswüdig, die Kuh, die ihm Auruliyuth vor gut einer Woche überlassen hatte, war seine letzte ordentliche Mahlzeit gewesen. Wurzeln und Rinde waren einfach keine adäquate Nahrung für einen Drachen - nicht einmal Erdbeeren waren in der Nähe seiner Höhle zu finden. Selbstverständlich kamen die Erdbeeren aus dem Zaubergarten des Alicorns auch nicht mehr in Frage. Unter keinen Umständen wollte er dem Magier begegnen, denn er konnte sich nicht sicher sein, welches Unheil ihn dort noch über den Fluch hinaus erwarten würde.

Plötzlich schreckte Greldon auf: Der Wind wehte ihm den durchdringenden Geruch eines nassen Hundes - oder war es ein Wolf - an seine Nüstern. Prüfend hob der Drache seine Schnauze in die Luft und genau in diesem Augenblick vernahm er eine samtig weiche, honigsüße Stimme.
„Erdbeeren! Frische Erdbeeren!“
Greldon war wie elektrisiert. Er hatte die Stimme sofort erkannt. Sie gehörte einem fahrenden Händler, ein prachtvoller, schwarzer Anthrowolf, der sich selbst zu Recht aufgrund seiner königlichen Würde als Wolfsprinz bezeichnete.
Seit wann verkauft der Wolfsprinz Erdbeeren? wunderte sich Greldon und leckte sich die Lippen. Bisher hatte er doch nur selbstgebraute, freilich nicht wirksame Zaubertränke verkauft und war das, was die Menschen als einen Quacksalber bezeichneten.
Eigentlich spielte das aber keine Rolle, dem Drachen knurrte der Magen und der schiere Gedanke an Erdbeeren ließ ihm das Wasser im Maul zusammen laufen. Hastig durchsuchte er seine Höhle nach einigen Goldmünzen, fand diese aber nicht auf die Schnelle.
Aber das war ihm egal. Er würde den Wolf in seine Höhle führen, damit er sich selbst ein Stück aus dem wertvollen Drachenschatz aussuchen konnte - natürlich nur, wenn die Erdbeeren den hohen Qualitätsansprüchen des Drachens genügten.

„Erdbeeren, frische Erdbeeren. Erdbeeren aus dem fernen Mediterranea.“
Unermüdlich rief der Wolf und schwang in seiner rechten Hand eine kleine, verbeulte Glocke, während er seinen Verkaufswagen über den holprigen Waldboden schob.
Die Geschäfte liefen schlecht und normalerweise hätte er niemals diesen Weg durch den Wald genommen - schließlich gab es beunruhigende Gerüchte über einen Drachen, der hier hausen sollte und arme, wehrlose Händler zu überfallen pflegte. Aber ihm war zu Ohren gekommen, dass irgendwo in diesem Wald eine versteckte Siedlung lag, in der man Erdbeeren über alles schätzte und diese buchstäblich mit Gold aufwog. Er hatte sich auf den Verkauf von Obst umstellen müssen, da man ihn in den umliegenden Ortschaften als Scharlatan entlarvt hatte und ihn verjagte, nachdem man ihm seine sogenannten Zaubertränke abgenommen und vernichtet hatte. Frisches Obst konnte er schließlich ohne größere Probleme aus Gärten zusammenklauben.
Das Geräusch brechender Zweige ließ ihn im Glockenschwingen innehalten. Doch noch bevor er seinen Kopf in die entsprechende Richtung wenden konnte, schoss aus dem Unterholz ein gewaltiger Schatten auf ihn zu und dessen Gebrüll ließ ihn vor Schreck erstarren. Mit gewaltigem Getöse kippte der Wagen zur Seite und die Erdbeeren kullerten über den Waldboden!
„Oh ja! Erdbeeren! Heute ist mein Glückstag“, vernahm der Händler und jetzt erst erkannte er den gewaltigen Drachen, der sich an den verstreuten Früchten gütlich tat.
„Hey, das sind meine Erdbeeren. Die kannst Du nicht so einfach vertilgen“, rief der Wolf erbost, als er seine potentiellen Tageseinnahmen im Maul des Drachens verschwinden sah.
„Abgerechnet wird später, mein Freund“, knurrte Greldon gierig schmatzend. Sein Schweif peitschte vor Aufregung und Freude hin und her. Endlich konnte er seinen Magen füllen.
„Ich habe in meiner Höhle jede Menge Goldschätze, davon kannst Du Dir später nehmen, was Du willst“, fauchte er und verschwieg klugerweise, dass es sich um die Schätze seiner Gemahlin handelte. Er selbst hatte niemals etwas für Gold oder ähnlichem Tand übrig gehabt.
„Gold sagtest Du?“
Die Augen des Wolfes blitzten gierig auf. Etwas Besseres konnte ihm gar nicht passieren, schließlich galten Drachen stets als unermesslich reich.
„Ja, Gold“, grunzte Greldon und verschlang gierig die restlichen Erdbeeren. Akribisch leckte er auch noch die Körbe aus.
Als der Drache seinen Hunger gestillt hatte - zum Glück hatte der Wolf bisher noch keine Erdbeeren verkauft gehabt und dessen Warenlager war reich gefüllt gewesen - setzte er sich auf seine Hinterbeine und blickte zufrieden auf den Wolf herab.
„Verzeih bitte, falls ich Dich erschreckt haben sollte. Aber mein Magen knurrte und Erdbeeren kann ich einfach nicht widerstehen. Doch nun folge mir in meine Höhle, damit ich Dich angemessen für Deine Früchte entschädigen kann - Autsch!“
Greldon hatte vor lauter Freude über die unverhoffte Erdbeermahlzeit die Quälgeister, die mittlerweile seine ständigen Begleiter geworden waren, vergessen. Doch nun hatten die scharfen Krähenschnäbel erneut die Quastenbeere zerpickt.

Der Händler warf einen erstaunten Blick auf Greldons Schweifspitze und jetzt erst fiel ihm auf, dass dieser so gar nicht dem entsprach, was er über diese Wesen bisher gehört hatte.
„Was ist denn mit Dir passiert? Du siehst ja schrecklich aus? Sind das meine Erdbeeren gewesen? Denn falls Du auf Erdbeeren allergisch sein solltest, kann ich Dir einen Trank geben, den ich zwar momentan nicht bei mir habe, aber wenn Du mich im Voraus bezahlst, kann ich Dir gerne einige Flaschen davon zukommen lassen.“
„Nicht allergisch“, seufzte der Drache. „Aber das ist eine lange und tragische Geschichte. Ich erzähle sie Dir auf den Weg zu mir, wenn Du sie hören möchtest.“
„Aber gerne doch“, entgegnete der Wolf.
Zwar hatte er noch keine konkrete Vorstellung, aber die Geschichte eines Erdbeerdrachens, oder was auch immer dieses Geschöpf war, würde sich mit Sicherheit auf irgendeine Weise als profitabel erweisen.

„... und schließlich habe ich Deinen Ruf gehört“, schloss der Drache seine Erzählung, gerade als sie die Drachenhöhle erreicht hatten. „Und da sind wir schon. Suche Dir aus, mein Freund, was immer Dir gefällt.“
Das ließ sich der verschlagene Händler nicht zweimal sagen und schon nach kurzer Zeit kehrte er mit einem wunderschönen goldenen, über und über mit funkelnden Edelsteinen besetzten Pokal zurück.
„Darf ich den hier haben?“ fragte der Händler mit unterwürfigem Blick.
„Den?“ Greldon kniff die Augen zusammen. „Das ist das Hochzeitsgeschenk von Auruliyuths Vater. Und außerdem, ist dieser Pokal nicht etwas zu groß und schwer für Dich? Deine edle, zierliche Gestalt erweckt nicht den Anschein, im Umgang mit so großen Dingen geübt zu sein. Erlaube mir, Dir einen kleineren, jedoch nicht minder wertvollen Kelch zu geben.“
„Nein, nein, ich bin durchaus in der Lage, diese Bürde zu tragen, noch dazu, wenn diese von einem so edlen Spender wie Dir kommt. In der Tat, ebenso für mich ist es ein Glücksfall, Dir begegnet zu sein, denn auch in mir fließt teilweise Drachenblut. Ich bin mir sicher, dass das Schicksal uns zusammen geführt hat. Heißt es nicht, zwei zueinander verwandte Seelen würden einander rufen? Ich mag zwar äußerlich wie ein Wolf erscheinen, doch fühle und empfinde ich tief im Inneren zunehmend wie ein Drache.“
Greldon nickte stumm und seufzte: „Nun denn, wie Du willst.“
Die Andeutung des Händlers, er würde auch etwas Drachisches in sich haben, hatte Greldon geflissentlich überhört. Allzu oft schon hatte man versucht, sich bei ihm einzuschmeicheln, indem man auf eine - wie auch immer geartete - Verflechtung mit dem Drachenwesen verwies. Außerdem plagten Greldon nun ganz andere Gedanken: Ausgerechnet dieser Pokal. Wie sollte er das nur seiner Gemahlin erklären. Andererseits, er hatte dem Wolf ja angeboten, dass sich dieser nehmen könne, was er wollte. Und die Ehre eines Drachens verbot es, sein Wort zu brechen.  

Zufrieden und schwer beladen machte sich der Händler auf den Weg zurück zu seinem Wagen. Er stöhnte und ächzte unter der Last seiner Entlohnung, schließlich war der Pokal beinahe so groß wie er selbst, und schon bald trat ihm der Schweiß auf die Stirn. Niemals aber hätte er vor dem Drachen zugeben können, dass dieser Pokal zu schwer und zu groß für ihn war. Die Gier dieses Wolfes war zuweilen unermesslich.
Schon bald stolperte er durch den Wald und verfluchte seine eigene Maßlosigkeit. Seine Arme und sein Rücken schmerzten und bis zu seinem Wagen war es noch weit. Er wunderte sich, dass der Drachen ihn aus so großer Entfernung überhaupt hatte hören können.
Als seine Beine nachgaben und er der Länge nach auf den matschigen Waldboden hinschlug, beschloss er, den Pokal irgendwo zu verstecken und den Wagen herzuholen.

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Greldon
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« Antworten #9 am: 01.August.2008, 17:42:47 »

„Ah, endlich hört der Regen auf!“ rief der fahrende Sänger erfreut und packte seine Fiddel aus seinem Rucksack aus.
Schon seit Tagen versuchte er, für eine neue Ballade eine Inspiration zu finden und so wie die Sonnenstrahlen durch das nasse Blätterdach der Bäume brachen, dachte er, würde ihm schon bald das Schicksal eine passende Idee bescheren. Eine Melodie hatte er bereits vor Tagen gefunden, allein der Text fehlte ihm.
Er spielte gerade die Anfangsakkorde auf seinem Instrument, als sein Blick auf einen umgestürzten, verwaisten Verkaufswagen fiel. Der weiche Waldboden war von Spuren durchfurcht. Offensichtlich hatte ein schwerer Kampf stattgefunden.
Der Barde legte seinen Rucksack und seine Fiddel ab und blickte sich ängstlich um.
„Hallo? Ist da wer?“ fragte er und blickte sich um.
War da nicht ein leises Wimmern und Stöhnen aus dem Unterholz zu hören? Es klang beinahe wie Mist, der verdammte Drache hatte Recht gehabt. Er ist wirklich viel zu groß für mich. Aber ich musste ihn unbedingt haben. Das hab ich nun davon.

Der Barde war aufs Höchste erstaunt, als im nächsten Augenblick ein völlig verstört wirkender, am Ende seiner Kräfte stehender Wolf mit zerrissenem und besudeltem Gewand vor ihm stand.
„Was ist denn mit Dir passiert, mein Freund? Ist das Dein Wagen dort? Bist Du von Banditen überfallen worden?“ fragte er besorgt und blickte sich ängstlich um, ob nicht vielleicht hinter dem nächsten Busch eine Horde wilder Räuber hervorspringen würde.
„Nein, nein, keine Räuber“, keuchte der Wolf. „Es war ein Drache. Er...“
Doch hier verstummte der Händler, denn er wollte auf keinen Fall jemandem etwas von dem prachtvollen Pokal, den er von dem Drachen bekommen hatte, erzählen.  
Er überlegte kurz und fuhr fort.
„Es war ganz furchtbar. Wie eine Furie ist dieser Drache über mich hergefallen und er hat mir alles geraubt, was mit Wichtig gewesen ist. Er hat all meine Habe genommen, obwohl ich mich nach Leibeskräften gewehrt hatte. Ich habe um mich geschlagen, nach ihm geschnappt, laut um Hilfe gerufen, doch er war so viel größer als ich, so dass er mich schließlich hochgehoben und in seine Höhle verschleppt hatte. Nur durch eine List konnte ich ihm entkommen. Wer weiß, was er mir sonst noch angetan hätte, und das, obwohl in mir selbst Drachenblut fließt, ich auf magische Weise mit Drachen verbunden bin!“
„Ein Drache sagst Du?“ fragte der Barde erstaunt.
Es war das erste Mal, dass ihm eine solche Geschichte zu Ohren gekommen war. Schließlich galten Drachen als ehrenwerte und überaus friedfertige Geschöpfe, die nur im Falle eines Angriffs zu solchen Zornausbrüchen neigten.
„Wie sah er denn aus?“
„Mein inneres Drachenwesen, meinst Du? Nun, ich…“, begann der Händler und setzte zu einem Vortrag an über Magie und der metaphysischen Verbundenheit zwischen Wolf und Drachen, über gespaltene und zugleich verwandte Seelen, über Schatten und Licht und der gleichen mehr.
Der Barde winkte jedoch sogleich ab: „Nicht das. Ich möchte wissen, wie der Drache, der über Dich hergefallen ist, ausgesehen hat. Was für eine Art Drache das war. Das sind die Dinge, die uns Dichter interessieren, weil es das ist, was unser Publikum zu seiner Unterhaltung hören möchte.“
In Anselmos Kopf nahm eine bestimmte Idee immer mehr Gestalt an: Wäre das Ganze nicht ein wundervolles Thema für eine Ballade, eine Moritat?
„Wie er aussah? Ein wahrer Alptraum. Eine Chimäre. Und doch, würde man ihn sehen, würde man nicht glauben wollen, um welche Bestie es sich handelt.“
„Inwiefern?“
„Nun, er war zwar ein stattlicher Drache, doch hatte ihn wohl ein Zauberer verwünscht, so genau weiß ich das auch nicht, woher sollte ich auch, aber dieser Drache sah irgendwie aus wie eine zu groß geratene Erdbeere. Zumindest hatte er eine Art Schwanzquaste, die wie eine Erdbeere aussah.“
„Wie eine Erdbeere?“ In dem Barden keimte ein Verdacht auf.
„War der Drache vielleicht silberfarben und an Brust und Bauch mit Fell bedeckt? Und seine Hörner ein wenig nach vorne gebogen?“
„Silberfarben war er wohl und auch seine Hörner waren so, aber sein Fell, wenn es eines war, leuchtete rot und erinnerte ebenfalls an eine Erdbeere. Geduftet hat er verführerisch, das gebe ich zu, aber ansonsten war es eine mordlüsterne Bestie, wie sie nur aus den tiefsten Höllengründen entsprungen sein konnte. Ein wahrer Alptraum, der mich mein Leben lang verfolgen wird. Nie wieder werde ich den Anblick von Erdbeeren ertragen können ohne an die schrecklichsten Momente meines Lebens in den Klauen dieser Bestie denken zu müssen. Es war einfach furchtbar. Ich kann gar nicht sagen, was er mit mir...“
Hier sank der Wolf schluchzend in die starken Arme des Barden, der ihn geistesgegenwärtig auffing.
„Nun beruhig Dich erst einmal. Ich werde Dich in das nächste Dorf bringen, wo Dir sicherlich ein Heiler helfen kann, das schreckliche Geschehen zu verarbeiten. Mein Gott, was musst Du gelitten haben.“
Besorgt schüttelte der Barde seinen Kopf, doch eigentlich hatte er einen Grund zum Jubeln: Das Schicksal hatte ihm in der Tat eine Inspiration beschert, nämlich in Form dieses Unglückswolfs.
Anselmo hatte bereits einen Titel für diese Moritat: Der Erdbeerdrache.
Freilich musste er nun dieser Geschichte genauer auf den Grund gehen, denn seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, fahrenden Händlern, insbesondere Wölfen, nicht so ohne Weiteres Glauben zu schenken, neigten sie doch alle zu Übertreibungen und farbenprächtigen Ausschmückungen.
Er war sich sicher, dass es sich bei diesem Drachen um jenen gehandelt hatte, er ihn vor einiger Zeit nach dem Gekröse befragte, doch auch wenn der Drache geradezu versessen auf Erdbeeren gewesen war, so strahlte er doch jene drachentypische Würde aus, die die geschilderte Untat beinahe unmöglich erscheinen ließ. Aber wieso sollte dieser Drache nun wie eine Erdbeere aussehen?
„Und Du meinst, der Drache sei von einem Zauberer verhext worden, mein Freund?“ fragte der Barde mit zunehmendem Enthusiasmus.
„Ich glaube schon, denn wie sonst sollte ein Drache wie eine Erdbeere aussehen? Das wäre ja absurd. Sehe ich so aus, als ob ich mir so etwas ausdenken könnte? Und um auf Deine Frage von eben zurück zu kommen. Bitte lass mich hier nur ein wenig ausruhen. Ich denke, ich komme dann auch alleine zu Recht. Ich muss nur das schreckliche Ereignis noch ein wenig verdauen. Wenn Du vielleicht etwas zu trinken für mich hättest?“

Als sich der Barde zum wiederholten Male vergewissert hatte, dass der Wolf wirklich keiner Hilfe bedurfte, verließ er ihn eiligen Schrittes.
Ihm war nur ein einziger Magier bekannt, der einen solch kraftvollen Zauber wirken konnte, und den würde er nun aufsuchen. Vielleicht würde ihm dieser erzählen, was es mit diesem Erdbeerdrachen auf sich hatte.

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« Antworten #10 am: 01.August.2008, 17:52:35 »

„… und mit viel Getöse fuhr der Huf in sein Gekröse.
Somit die Moral von der Geschicht’: Wilde Hengste zähmt man nicht.“

„Der arme Ritter“, kicherte das Mädchen von dem fahrenden Volk und lehnte ihren Kopf an die Schulter des Barden, der sorgfältig sein Instrument beiseite legte.
Zufrieden lächelnd lehnte er sich zurück und zog die Maid mit sich. Erneut hatte sich das Lied hervorragend zum Erringen von Mädchenherzen geeignet. Alle Frauen, die Anselmo kannte, liebten Geschichten von prachtvollen Hengsten und strahlenden Rittern.
„Nun“, lächelte er und strich der Frau eine schwarze Locke aus ihrem hübschen,  südländischen Gesicht, „das war eine Episoden aus dem viel besungenen Leben dieses edlen Recken. Natürlich werden nur die Heldentaten des Ritters Georg besungen, vor allem sein Sieg über den gewaltigen Lindwurm. Aber wie Ihr jetzt wisst, hatte er auch einige Fehlschläge einzustecken. Oder sollte ich sagen Tiefschläge?“
„Solange nicht Du an einer empfindlichen Stelle von einem Pferdehuf getroffen wurdest“, kicherte sie und beugte sich nach vorne. Die Nachmittagssonne beschien ihren üppigen Busen.
Anzüglich lächelnd strich sie mit kräftiger Hand über sein Beinkleid aus dünnem Stoff und er fühlte eine bekannte Regung.
„Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war noch alles in bester Ordnung“, grinste der Sänger und überließ sich nun ganz den geschickten und geübten Händen seiner Bewunderin.

Es dauerte nicht lange und gedämpfte Geräusche von Lust und Leidenschaft vermischten sich mit dem Surren von Insektenflügeln und dem allgegenwärtigen Vogelgezwitscher.
Doch noch bevor der Barde am Gipfelpunkt des Genusses angelangt war, hielt sie inne und grinste ihn keck an.
„Und ich bin wirklich Deine erste große Liebe?“
„Aber natürlich, meine Blume.“
„Dann inspiriere ich Dich doch sicherlich?“
Zärtlich streichelt er über ihr hübsches Gesicht: „Und wie. Zur Zeit arbeite ich an einer Ballade, den Text hatte ich schon, nur die Musik wollte mir nicht so Recht einfallen. Doch Deine Schönheit ließ die Melodie in mir fließen und nun denke ich, habe ich es geschafft.“
„Wirklich?“ lächelte sie zuckersüß und setzte sich auf. „Dann lass mal hören.“
„Wie Du wünscht, meine Blume“, seufzte der Barde und griff nach seiner Fiddel.
„Und danach“, versprach sie, „werde mich um Dein anderes Instrument kümmern.“
Der Sänger lächelte und begann mit dem Vortrag.

Die Moritat vom Erdbeerdrachen


Greldon war ein stolzer Drache ne Zierde seiner Art
doch hat er auch ne große Schwäche sind Erdbeer’n ganz apart
Wo er die Beeren findet, schluckt er sie gierig rein
für ihn da könnt kein anderer Duhuft so arg verlockend sein.
Eines schönen Tages fand er ein Erdbeerfeld
für ihn da gab es nix schönres auf dieser weiten Welt

Das Einhorn das die Pflanzen heget, bekam gar einen Schreck
wo vorher alles rot und prall war, war nichts mehr alles weg
Du schlimmer, böser Drache, schimpft er bei sich auwei
doch half das alles nichts mehr, die Pflanzen warn entzwei
Um dies forthin zu hindern, das Einhorn wob voll List
nen Zauber der den Garten schützet wenn jemand davon isst.

In folgender Nacht schleicht sich schon wieder ein Schatten auf das Feld,
Verputzt die Beeren ganz klammheimlich, was ihm sehr gut gefällt.
Zurück in seiner Höhle, schläft er sogleich dann ein,
der Zauber tuet seine Wirkung, wird drüber nicht sehr glücklich sein.
Am nächsten Morgen trinkt er den halben Bach gar leer,
sein Spiegelbild das er erblicket erschreckt ihn dabei sehr.

Am ganzen vorher schönen Körper hat er wie Streusel jetzt,
ganz viele rote duft'ge Beeren, sein Rücken ganz besetzt.
Sein ganzer Bauch sieht aus jetzt, wie seine Lieblingsfrucht,
die er da im verbotnen Garten die Nacht vorher gesucht.
Zum Gespött der Leute, es wurmet ihn gar sehr,
prangt an der Spitze seines Schweifes ne große rote Beer.

Drum seid gewarnt ihr lieben Leute ich sage Euch es laut
wer in des Einhorns Garten wildert, ihm seine Erdbeer'n klaut.
der wird gar sehr bestrafet, es lohnet sich ja nicht,
hast Du die Früchte Deines Raubes fortan im Angesicht.
Drum lasst den armen Drachen ein warnend' Beispiel sein,
wildert nicht in fremden Gärten sie könnten verzaubert sein.



Niemand achtete auf das Krächzen zahlreicher Krähen hoch im Himmel.

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« Antworten #11 am: 01.August.2008, 18:02:56 »

Seit ihrer Auseinandersetzung war Auruliyuth immer noch nicht zu Greldon zurückgekehrt. Nicht, dass es dem Drachen etwas ausgemacht hätte. Freilich, sie fehlte ihm sehr, doch wusste Greldon auch, dass sie ihm weiterhin ständig Vorhaltungen machen würde, solang er derart verunstaltet war. Aber genau das wollte Greldon nicht ertragen - von dem Ärger, den er bekommen würde, weil er für ein paar Maulvoll Erdbeeren den Kelch, das Hochzeitsgeschenk, hergegeben hatte, ganz zu schweigen.
Das Glücksgefühl der unerwarteten Erdbeerlieferung hatte sich mittlerweile wieder verflüchtigt. Greldons Magen knurrte vernehmlich, denn die Erdbeeren hatten noch weniger gesättigt als es die vereinzelten Krähen taten, die versehentlich zwischen den Drachenzähnen endeten, wenn die Plagegeister in ihrer Dreistigkeit gar zu nahe an Greldons Maul vorbeiflatterten.
Immerhin hatte der Drache gelernt, den Schmerz des Angeknabbertwerdens zu ignorieren.
Nur fiel es ihm schwer, Beute zu jagen. Ständig hatte er den lärmenden Vogelschwarm zur Begleitung, wodurch jedes in Frage kommende Beutetier in weitem Umkreis gewarnt wurde.
Seine ständigen Misserfolge bei der Jagd veranlassten Greldon schließlich, sich am Herdenvieh der Menschen gütlich zu tun.
Das wiederum führte zu zahlreichen unliebsamen Begegnungen zwischen Bauern und dem Drachen, wobei es Greldon nicht entging, dass die Zweibeiner kaum mehr Respekt vor ihm zeigten.
Noch vor einigen Wochen hätte es niemand gewagt, auch nur in seine Nähe zu kommen, geschweige denn, ihm seine Beute streitig zu machen, doch nun versuchten sogar schon Kinder, die irgendwelche Herdentiere hüteten, ihn mit Stöcken und Steinschleudern zu verjagen. Freilich hielten sich solche Übergriffe noch in Grenzen, zumal er solche Angreifer stets sofort Mores lehrte, aber es war nichtsdestotrotz eine bedenkliche Entwicklung. Dennoch dachte Greldon nicht daran, sich die Blöße einer Entschuldigung bei dem Alicorn zu geben.

Wie ein Raubvogel kreiste er hoch am Himmel, die Krähen wie eine Wolke hinter sich herziehend. Es dauerte nicht lange und seine scharfen Augen machten eine etwas abseits gelegene Weide aus, auf der genüsslich einige Haflinger grasten und auch einige Kühe waren zu sehen. Der appetitliche Duft seiner Mahlzeit in Spe lag in der Luft. Er konnte sich nur nicht entscheiden, ob Rind oder Pferd, beides duftete verführerisch.
„Na schön, heute frische Kuh“, traf Greldon schließlich die Wahl, sich voller Vorfreude die Lefzen leckend.
Schnell schnappte er noch nach einer besonders aufdringlichen Krähe, bevor er in einen rasanten Sturzflug überging. Er hatte eine Kuh ausgewählt, die träge herumlag und sein Kommen nicht einmal bemerkte.
Erst als sich seine todbringenden Krallen tief in ihren Rücken gruben und er sie vom Boden riss, muhte sie erschrocken auf. Er schleuderte sie kraftvoll über den Weidezaun und sie blieb mit gebrochenem Rückgrat liegen.
Sowohl der Drache als auch die Krähen und verschiedene Nagetiere hatten sich ihre Bäuche vollgeschlagen und Greldon wollte sich gerade zu einem kleinen Verdauungsschläfchen zusammenrollen, als ihm der Wind den Geruch sich nähender Menschen zutrug. Offensichtlich hatte der Lärm des durch den Angriff aufgeschreckten Herdenviehs den rechtmäßigen Eigentümer alarmiert. Greldon hatte keine Lust auf eine erneute Konfrontation mit Menschen, so seufzte er mürrisch und stieß sich mit seinen kraftvollen Hinterbeinen ab. Schwerfällig schraubte er sich mit matten Flügelschlägen in die Luft, selbstverständlich die immer hungrigen Krähen im Schlepptau.
Greldon hatte längst die Hoffnung aufgegeben, dass diese Vögel einmal genug bekämen von seiner sich immer wieder erneuernden Quastenerdbeere. Seinen gelegentlichen Feuerbällen wichen sie stets geschickt aus und mehr als einmal hatte er sich mit dem Drachenfeuer an verschiedenen Körperstellen selbst versengt.

Als Greldon über eine Lichtung hinweg flog, vernahm er eine Stimme, die ihm wohl vertraut war und das fröhliche Lachen einer jungen Frau.
Neugierig ging der Drache ein wenig tiefer und kreiste über der Lichtung. Langsam formte sich in seinem Kopf eine wunderbare Idee: Ein Barde kam schließlich weit herum und würde mit Sicherheit eine Lösung für sein Erdbeerproblem wissen. Vielleicht hatte er ja irgendwo mal etwas aufgeschnappt, wie man Flüche lösen konnte.
Doch als er das Lied hörte, das der Barde gerade seiner Liebschaft oder wer auch immer dieses Mädchen sein mochte vorgetragen hatte, keimte Ärger in dem Drachen auf. Offensichtlich hatte ihn dieser Wolf, der ihm die Erdbeeren verkauft hatte, hintergangen und Gott und der Welt von dem Erdbeerfluch erzählt – und nun sangen sogar schon die Barden davon…

Das donnernde Rauschen der Schwingen riss die Liebenden aus ihrem Schäferstündchen.
Doch diesmal wirkte der Barde nicht im Geringsten verängstigt und auch die junge Frau zeigte keinerlei Anzeichen von Furcht, ein Umstand, der dem Drachen nicht entging, genauso wenig wie der forsche Ton, den der Sänger anschlug.
„Diesmal muss ich Dir aber nicht erklären, was Gekröse ist, nicht wahr? Diesmal willst Du mich direkt berauben, so wie Du den armen Wolf überfallen und ausgeraubt hast, nicht wahr?“
„Wie bitte, was?“
Greldon wurde durch diese verbale Attacke völlig aus dem Konzept gebracht. Doch fing er sich sofort wieder und blickte feste in die Augen des Menschen vor ihm, der so gar keine Scheu vor ihm zeigte. Ob das an seinem verunstalteten Äußeren lag?
„Ich weiß nicht, wovon Du sprichst, Mensch. Du solltest besser Deine Zunge hüten, wenn Du mit einem Drachen sprichst.“
„Das würde ich, wenn ich mit einem Drachen sprechen würde. Nicht aber, wenn ich es mit einem gemeinen Dieb zu tun habe, der über wehrlose fahrende Händler herfällt und ihn seiner einzigen Ware, die er hat, den Erdbeeren, beraubt.“
Nun meldete sich auch die Frau zu Wort, die bisher schweigend daneben gestanden hatte.
„Du hast gehört, was mein Liebster gesagt hat. Und nun verschwinde, bevor ich Dir Deine Schuppen gerbe.“
Zu Greldons großer Überraschung hatte sie nach einem dicken Ast gegriffen, den sie nun wie ein Schwert vor seiner Schnauze hin und her schwang.
Der Drache konnte sich die feindselige Haltung der beiden Menschen nicht erklären: Dieser Frau war er im Leben nie zuvor begegnet und dem Barden hatte er niemals ein Leid zugefügt. Genauso wenig wie jenem Wolf, von dem der Barde gerade gesprochen hatte. Um ihn herum hüpften die Krähen krächzend und sich um seine Quastenbeere zankend. Müde schlug er mit einer Tatze nach ihnen und wandte sich dann mit einem plötzlichen Aufblitzen in seinen Augen an die beiden Menschen.
„Du hast Dich ganz schön verändert, seit ich Dich das letzte Mal gesehen habe“, sagte er mit honigsüßer Stimme zu der Frau. „Vor allem, waren Deine Haare nicht bei unserer Begegnung blond wie das Sommerkorn im hellen Sonnenlicht? Und wo hast Du Deine liebreizende Schwester gelassen?“
„Wir haben uns nie gesehen. Und ich habe keine Schwester“, antwortete sie und beobachtete voller Misstrauen den Drachen.
„Nicht? Ob ich mich da geirrt habe? Aber Du sagst doch, der da wäre Dein Liebster. Und er hat Dir doch auch seine Liebe geschworen. Ich habe das genau gehört. Er verwendete die gleichen Worte, wie bei unserem Zusammentreffen. Sogar die Geschichte von dem Ritter und dem Pferd, das er zähmen wollte, hat er Dir noch einmal erzählt.“
Das war natürlich ein gewaltiger Bluff, denn tatsächlich hatte der Drache nur das Lied über ihn selbst gehört und ein paar Wortfetzen aus dem Liebesgesäusel der beiden aufgeschnappt. Doch seine Lebenserfahrung hatte ihm einiges an Weisheit beschert und er kannte die Vorgänge in einem Menschenhirn. Menschen waren in ihrem Verhalten so vorhersehbar. Seine Rechnung ging auf.
„Was redest Du da?“
Die Frau blickte nun ihren Geliebten an, der mit hochrotem Kopf und hängenden Schultern wie ein begossener Pudel dastand.
„Das ist ein Missverständnis“, sagte er leise und warf dem Drachen einen Blick zu, der Bände sprach: Eine Mischung aus bodenlosem Zorn und auch Verzweiflung.
„So ist das also“, rief die junge Frau und warf dem Prügel auf den Boden, um stattdessen ihre Faust zu ballen.
„Du hast also noch mindestens eine andere. Und ich habe Dir geglaubt, ich habe Dich geliebt, ich…“
„Aber, cara mia, Liebes, ich… lass mich erklären. Ich…“
„Vergiss es!“
Und zu Greldons aber auch zu Anselmos absoluter Verblüffung hatte sie dem Barden eine schallende Ohrfeige versetzt, die ihn rückwärts taumeln ließ.
Da ließ Greldon ein donnerndes Gebrüll vernehmen, das sogar die Krähen erschrocken aufflattern ließ.
„Schluss jetzt! Hört mich an, alle beide.“
Frau und Barde wussten, dass der Drache keinen Widerspruch dulden würde und trotz seines lächerlichen Aussehens ging von ihm genügend Autorität aus, dass sie beide verstummten und ihn reglos anblickten.
„So ist es schon besser“, grollte Greldon zufrieden und setzte sich auf seine Hinterbeine, seinen pflanzlichen Schweif so um sich wickelnd, dass die beiden Menschen zumindest nicht die Erdbeere am Schweifende erblickten, die bereits wieder voller Genuss von einigen Krähen aber auch von einem Igel beknabbert wurde.
„Ich wollte Euch nur eine Lektion erteilen. So wie sich Deine Gefährtin hier von meinen Worten beeindrucken hat lassen, hast Du Dich von den Worten von irgendjemandem beeindrucken lassen, ohne den Wahrheitsgehalt dieser Worte zu hinterfragen.“
„Worauf willst Du hinaus, Drache?“ fragte die Frau.
„Du hast Deinem Gefährten Misstrauen entgegen gebracht, nachdem ich eine Behauptung aufgestellt hast, die Du nicht hinterfragt hast. Doch genau das hättest Du tun müssen, denn vielleicht ist die Wahrheit eine ganz andere, als meine Worte Glauben machten? Ich habe davon gesprochen, dass ich Deinem Gefährten begegnet bin und er damals eine andere Begleitung bei sich hatte. Aber ich habe mit keinem Wort erwähnt, dass er Dich betrügen würde. Und wenn ich in das Herz dieses Sängers blicke, weiß ich, dass es voller Liebe zu Dir ist.“
Greldon blickte den Barden an: „Du siehst, was Worte ausrichten können. Doch Du darfst Deiner Freundin, die wirklich wunderschön ist, keinen Vorwurf machen. Denn auch Du hast irgendwelchen Worten vertraut, die Dir jemand gesagt hat und nun verurteilst Du mich, ohne mich überhaupt zu kennen.“
„Das stimmt so nicht!“ rief der Barde und sprang auf.
„Ich habe recherchiert. Ich war bei dem Magier Khirdras und er erzählte mir, nachdem ich von dem Fluch gehört habe, der über Dich verhängt worden ist, was geschehen ist: Von Deiner unnatürlichen Gier nach Erdbeeren, dass Du vor lauter Gier sogar seine Erdbeerpflanzen zerstört hast und er deshalb Dir eine Lektion erteilen wollte. Er meinte auch, dass Du…“
„Dass ich jemandem brutal überfallen hätte und ihn seiner Erdbeeren beraubt habe?“
„Nein“, widersprach Anselmo sofort. „Das hat Khirdras niemals geäußert. Diese Aussage stammte von dem Wolf, dem ich begegnet bin.“
„Einem Wolf?“ fragte Greldon, dessen Verdacht sich nun bestätigte. „Erzähle mir mehr von dieser Begegnung.“

Anselmo erzählte dem Drachen, wie er auf seiner Wanderung den umgeworfenen Verkaufswagen entdeckt hatte und von dem zerlumpten, erschöpften und offensichtlich verstörten Wolf, der aus dem Dickicht gekrochen war. Dass dieser davon berichtet hatte, von einem Drachen angesprungen worden zu sein und dass dieser Drache all seine Vorräte an Erdbeeren verschlungen hatte. Dieser Anblick sei so traumatisierend für ihn gewesen, dass er nun keine Erdbeeren mehr verkaufen könne.
„Nachdem er dann den Drachen beschrieben hatte, der ihn angeblich überfallen hatte, habe ich mich an unsere erste Begegnung erinnert. Daran, dass Du ja auch an meinen Erdbeeren… Interesse gezeigt hast. Außerdem gab es bereits Gerüchte, dass ein Drache mit einem Fluch belegt worden war. Ich dachte sofort daran, das Gehörte zu einer Ballade zu verarbeiten. Als ich mich vergewissert hatte, dass der Wolf keine weitere Hilfe mehr benötigte, habe ich sofort den Magier Khirdras aufgesucht, denn er war der einzige Zauberer, dem ich eine solche Macht zugeschrieben hatte. Denn ich bin schon jemand, der sich erst einmal Hintergrundinformationen beschafft, bevor ich ein Ereignis vertone. Nun ja, nach dem Besuch bei Meister Khirdras hatte ich dann den Text zu meiner Ballade, doch erst meine Gefährtin hier inspirierte mich zu der richtigen Melodie. Das war die Moritat vom Erdbeerdrachen, die Du eben gehört hast.“
„Immerhin hast Du Dir die Mühe gemacht, Dir weitere Informationen zu verschaffen. Doch leider hast Du nicht den Wahrheitsgehalt der Worte dieses Wolfes hinterfragt. Denn dazu hättest Du denjenigen, der auf so üble Weise beschuldigt worden ist, aufsuchen müssen und Dir dessen Version dieser Geschichte anhören müssen. Erst wenn Du beide Seiten der Medaille hast, kannst Du sie zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen und Dir dann darüber ein eigenes Urteil bilden.“
„Dann lass uns hier nicht dumm sterben“, forderte Anselmo den Drachen auf. „Erzähle uns Deine Sicht dieser Geschichte und ich werde gegebenenfalls den Text meiner Moritat ändern.“
Greldon schüttelte den Kopf: „Das wird nicht nötig sein, mein Freund.“
Er erhob sich und baute ich in einer leicht prahlerischen Pose vor den beiden Menschen auf.
„Ihr müsst wissen, meine Freunde, dass das, was der Wolf gesagt hat, stimmt. Ich bin in der Tat auf ihn zugestürmt und habe seine Erdbeeren vertilgt und dabei wohl auch in meinem Eifer den Verkaufswagen umgestoßen, vielleicht sogar zerstört. Das lag nicht in meiner Absicht, genauso wenig, wie ich die Erdbeerpflanzen des Zauberers zerstören wollte. Es mag auch sein, dass dieser Händler durch meinen Anblick zu Tode erschrocken ist. Aber er hat, aus welchen Gründen auch immer, nicht erwähnt, dass ich ihn für diese Erdbeeren mit einem Kleinod, einer Kostbarkeit aus meinem Hort, mehr als reichlich dafür entschädigt habe. Ich habe diesen Händler zu meiner Höhle genommen und dort durfte er sich aussuchen als Preis für die verzehrten Früchte, was immer sein Herz begehrte. Er hatte sich für einen Kelch entschieden, der als Hochzeitsgeschenk für meine über alles geliebte Gemahlin Auruliyuth und mich speziell angefertigt worden war. Ich habe sofort erkannt, dass er für einen so schmächtigen Wolf - der Arme schien seit Tagen schon keine ordentliche Mahlzeit mehr im Bauch gehabt zu haben - viel zu schwer und zu unhandlich zu tragen gewesen war. Ich habe ihm angeboten, ihm ein kleineres Stück von gleichem Wert zu geben, aber er bestand darauf, dass er genau diesen Kelch wollte und so ließ ich ihn von dannen ziehen. Hatte er den Kelch denn nicht dabei, als Du ihm begegnet bist?“
„Leider nein. Aber es würde erklären, weshalb er so mit Schlamm besudelt war und seine Hände waren verkrustet mit Dreck. Wahrscheinlich hatte er ihn irgendwo im morastigen Waldboden vergraben, weil er mich für einen Banditen hielt oder irgendetwas in der Art.“
„Wie dem auch sei“, schloss der Drache, „ich bin nicht gekommen, um mich in irgendeiner Weise zu rechtfertigen und auch nicht, um Dir einen Vorwurf zu machen oder die moralische Klaue zu heben. Ich habe Dich gestört, weil ich Deine Moritat über mich vernommen habe und gehofft habe, dass Du mir helfen kannst. Ich wollte Dich um Hilfe bitten.“
„Wenn ich helfen kann, will ich es gerne versuchen.“
„Sieh mich an“, forderte Greldon den Barden auf. „Ich kann so nicht bleiben. Ich kann nicht mehr auf Jagd gehen, weil mich dieses lärmende Vogelpack auf Schritt und Tritt verfolgt und verrät. Ich kann meinen eigenen Anblick nicht länger ertragen. Und, was das Schlimmste ist, meine Geliebte Auruliyuth hat mich verlassen. Sie wird erst zurückkommen, wenn ich wieder der alte Greldon bin.“
„Aber, wie soll ich Dir da helfen? Ich bin ein fahrender Sänger, kein Magier. Nur ein mächtiger Zauberer wird den Fluch brechen können.“
„Das ist mir schon klar. Aber ich dachte, vielleicht hast Du auf all Deinen Reisen… etwas gehört, was mit weiterhilft. Vielleicht weißt Du jemanden, an dem ich mich wenden kann in meiner Not.“
Der Barde lächelte: „Hast Du es schon mal mit dem Zauberer versucht, der Dich mit diesem Fluch geschlagen hat?“
„Du meinst, Meister Khirdras?“
Greldon kratzte sich verlegen seine rote, erdbeerartige Brust.
„Das geht nicht“, sagte er leise.
„Wieso sollte das nicht gehen?“ fragte Anselmo verständnislos.
„Das verstehst Du nicht. Ich kann nicht einfach zu ihm gehen und ihn darum bitten, dass er den Fluch von mir nimmt.“
„Und warum nicht? Ich denke mir, dass er es sogar tun wird, wenn Du ihn darum bittest. Vielleicht wartet er sogar darauf. Natürlich wirst Du ihn für den wiederholten Erdbeerdiebstahl um Verzeihung bitten müssen.“
„Du redest schon genauso einen Unsinn wie meine Auruliyuth“, grollte Greldon und stieß einen Rauchkringel aus seinen Nüstern aus. „Strapaziere nicht meine Geduld – autsch! Was war das?“
Ärgerlich blickte der Drache zu seinem Schweif und war überrascht, dass er dort neben den üblichen Krähen auch die Gefährtin des Sängers erblickte. Mit einem großen Messer hatte sie einfach ein großes Stück Fruchtfleisch aus seiner Erdbeerquaste herausgeschnitten.
„Doch, das ist wirklich lecker. Möchtest Du auch ein Stück probieren, Anselmo?“
Sie grinste und Greldon tat sein Bestes, um seinen Schweif in Sicherheit zu bringen.
„Und Du bist Dir wirklich sicher, dass Du es nicht über Dich bringen kannst, mit dem Meistermagier zu sprechen? Eine Schande. Andererseits, ein Erdbeerdrache hat seinen Vorteil. Und wie ich sehe, wächst die Frucht auch gleich wieder nach. Cara mia“, der Barde blickte nun die junge Frau an, „bitte probiere doch mal ein Stück Frucht von seiner Brust.“
„Was erlaubt Ihr Euch eigentlich!“ brüllte Greldon zornig und breitete im gleichen Augenblick seine Flügel aus.
Kraftvoll stieß er sich mit seinen Hinterbeinen ab und ließ zwei Menschen zurück, die sich anblickten und lachten.
Sie sahen den von seiner Kräheneskorte umgebenen Drachen von dannen ziehen und als er außer Sichtweite war, beschäftigten sie sich wieder mit sich selbst, die Welt um sich herum vergessend.

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« Antworten #12 am: 03.August.2008, 19:11:01 »

Die Milch zauberte filigrane Wölkchen in den Tee, als der Meistermagier gedankenverloren in seiner Tasse umrührte. Dabei wippte anmutig sein spiralförmiges Horn auf seiner Stirn. Dass er Besuch bekommen würde, daran hatte er nicht im Geringsten gezweifelt, aber er hatte nicht mit dieser Besucherin gerechnet.
„Natürlich hast Du vollkommen Recht, meine hoch verehrte Auruliyuth. Zumal gerade in Deinem Zustand solche Aufregungen nicht gerade förderlich sind und in der Tat brauchst Du einen zuverlässigen Gatten mehr denn je, der nun einen geeigneten Nistplatz für die Aufzucht Eurer Jungen findet. In diesem Punkt kann ich Dir auch behilflich sein. Aber bezüglich der Lösung des Fluchs, nun, ich fürchte, da muss sich Greldon schon persönlich bei mir einfinden. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich ihm eine Buße nicht ersparen werden kann.
Die Drachin nickte zustimmend und ihre hellen, sandfarbenen Schuppen glitzerten im Sonnenlicht wie geschmolzenes Gold. Doch ihre zuckende Schwanzspitze verriet ihre Unzufriedenheit, wobei sie sich selbst nicht darüber im Klaren war, ob sich ihr Unmut gegen Khirdras wendete oder gegenüber ihren Gemahl, der sie in diese missliche Lage gebracht hatte. Drachen waren nun einmal unsagbar stolze Kreaturen und es hatte sie ein großes Maß an Überwindung gekostet, den Meistermagier in dieser Angelegenheit aufzusuchen. Doch hatte er ihr die buchstäblich goldenen Brücken gebaut und hatte einen Kompromiss angeboten, den auch der stolzeste Drache in dieser Situation eigentlich nicht ablehnen konnte.
Sie setzte sich auf ihre Hinterbeine und blickte durch das weit geöffnete Fenster in das düstere Arbeitszimmer direkt in die Augen des Alicorns. Es war nicht Unhöflichkeit oder gar Ablehnung der Grund dafür, dass Khirdras seine Besucherin nicht herein gebeten hatte – es lag schlichtweg an Auruliyuths Größe. Zwar waren die Eingangshalle und das pompöse Stiegenhaus, ja sogar die Kellergewölbe groß genug, dass darin ein ausgewachsener Drache genügend Platz finden konnte, aber nicht die einzelnen Zimmer. Außerdem hatte es auch Auruliyuth vorgezogen, lieber im hellen Sonnenlicht zu sitzen als in der kahlen, kühlen Eingangshalle. Daher unterhielten sich Alicorn und Drachin durch das Fenster.
„Also, mein Gemahl soll Dir für eine bestimme Zeit als Dein Sklave dienen und im Gegenzug nimmst Du den Fluch von ihm und wir dürfen uns, bis unser Nachwuchs groß gezogen ist, auf Deinem Grundstück einrichten?“
Khirdras lächelte: „Es wäre mir eine große Ehre, wenn auf meinem Grund und Boden neue Drachen das Licht der Welt erblickten, in der Tat. Du hast den dichten Wald gesehen, er würde genug Nahrung und Schutz für Euch bieten. Aber es stimmt nicht, dass Dein Gemahl mir als Sklave dienen soll. Er soll mir nur bei einigen Aufgaben behilflich sein, seine helfenden Tatzen geben, um es so auszudrücken.“
Auruliyuth schnaubte auf: „Du kannst Dir nicht vorstellen, wie stur Greldon sein kann. Sein Stolz geht ihm über alles, mit Mitteln der Vernunft wird man nicht zu ihm durchdringen können. Allerdings habe ich auch keine Lust, ihn anzubetteln, auf Deinen Vorschlag einzugehen.“
Ihre Augen blitzen und sie fügte grollend hinzu: „Außerdem habe ich ihm klipp und klar gesagt, dass er mich erst dann wieder zu Gesicht bekommt, wenn er Vernunft angenommen hat.“
Khirdras seufzte. Nicht nur Greldon war stolz und stur. Drachen eben. Er trank die Tasse leer und erhob sich.
Aus einer eleganten Glasvitrine holte er eine etwas kürbisgroße Kristallkugel und stellte sie auf einen kleinen, mit Runen verzierten Holztisch.
Er murmelte einige Worte und blickte konzentriert in die Kugel, in der sich langsam ein Bild manifestierte. Gespannt blickte ihm die Drachin über die Schulter und schnaubte überrascht einen Rauchkringel aus ihren Nüstern, als sie ihren Gemahl erblickte. Es war ein trauriger Anblick. Der einstmals so stolze Drache lag am Boden und sprach mit zwei Menschen, einer jungen, südländisch aussehenden Frau und einem Mann, während freche Krähen mit scharfen Schnäbeln immer wieder auf die leuchtend rote Erdbeere, die einst eine Schweifquaste gewesen war, einhackten. Auch andere Waldbewohner taten sich gütlich an dieser Frucht.
„Ich denke mal“, kommentierte Khirdras das Geschehen, „Du brauchst ihn gar nicht lange überreden, zur Vernunft zu kommen. Das tun schon diese beiden Menschen und, ohne es zu wissen natürlich, die Krähen.“
Khirdras räumte die Kugel wieder an den für sie vorgesehenen Platz, nicht ohne sie zuvor mit einem Lederlappen rituell gesäubert zu haben und fuhr fort: „Greldon wird mir schon sehr bald einen Besuch abstatten. Du kannst Dir in dem Wald schon einen geeigneten Unterschlupf suchen. Ich verspreche Dir, Auruliyuth, es wird alles in Ordnung kommen.“
Die Drachin nickte und trat einige Schritte zurück. Sie nickte Khirdras huldvoll zu und wandte sich in einer eleganten, fließenden Bewegung, die dem Alicorn vor Bewunderung den Atem stocken ließ, um. Mit ihren Hinterbeinen stieß sie sich ab und schwang sich mit kraftvollen Flügelschlägen hoch in den wolkenlosen Himmel.
Khirdras blickte Auruliyuth hinterher, bis von ihr nur noch ein winziger, unbedeutender Punkt zu sehen war, und machte sich anschließend an die Arbeit. Er wusste, dass er spätestens am nächsten Tag noch einmal Besuch haben würde und er wusste auch, dass das Brauen des entsprechenden Antidots weitaus aufwendiger und komplizierter sein würde als die Erstellung des ursprünglichen Erdbeerschutzmittels.

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« Antworten #13 am: 03.August.2008, 19:14:22 »

Diese unglaubliche Respektlosigkeit, mit der man ihm begegnet war, nagte an seinem Drachenstolz und wütend stieß er mehrere Feuersalven gegen die Krähen, die ihm nach wie vor nachstellten, aus. Der Geruch verbrannter Federn verriet ihm, dass seinem Zorn der eine oder andere Plagegeist zum Opfer gefallen war, doch sofort tauchten buchstäblich aus dem Nichts neue, gefiederte Störenfriede auf. Die Worte Anselmos hatten sich in sein Gehirn gebrannt: „Nur ein Meistermagier kann diesen Fluch lösen.“
Greldon wusste so gut wie jedes andere Wesen auch, dass es keinen Magier gab, der an die Fähigkeiten Khirdras heranreichen konnte. Doch Greldon war nun einmal ein Drache. Unmöglich konnte er zu diesem Magier gehen, der zu allem Überfluss auch noch eine Art Pferd war, zwar geflügelt und gehörnt – und mit Zauberkräften obendrein versehen, aber immer noch im Grunde nach ein Pferd. Nein, es musste doch einen anderen Weg geben.
Greldon konnte keinen klaren Gedanken fassen, während er ziellos über Wälder und Wiesen unter ihm flog. Immer wieder erschien ihm das Bild seiner geliebten Auruliyuth. Würde er sie wieder sehen? Würde sie zu ihm zurückkehren? Er liebte sie über alles und er wollte sie nicht verlieren – um keinen Preis der Welt. Doch sie hatte ihm klar gemacht, was sie von ihm und seinem Verhalten hielt und sie ließ ihm praktisch keine andere Wahl – wenn er sie wieder sehen wollte. Doch einfach war es nicht. Andererseits, momentan war nicht mehr viel von seinem Stolz und seiner Würde geblieben: Die Menschen hatten die Unverfrorenheit besessen, ihn zu verspotten, ja ihn tatsächlich zu berühren – das klang besser als ein Stück aus seiner Schweiferdbeere zu schneiden -, er litt Hunger, weil er kaum mehr Beute schlagen konnte und zu allem Überfluss verbreitete ein dahergelaufener, wölfischer fahrender Händler Halbwahrheiten und Unrichtigkeiten über den Drachen, die ebenfalls seinem Ruf schadeten. So konnte es nicht weitergehen. Nur, was sollte er tun? Zu dem Anwesen des Zauberers fliegen, an der Tür klopfen und sagen: „Hallo, ich bin der Drache, der Deine Erdbeeren gefressen hat. Bitte vergib mir und nehme diesen Fluch von mir.“
Das würde vielleicht ein Mensch tun, oder dieser Windhund von einem Händler, aber niemals ein stolzer Drache. Eine andere Option wäre natürlich, Teile des Anwesens in Schutt und Asche zu legen, den Zauberer aus seinen schützenden Mauern heraus zu holen und ihn unter Anwendung geeigneter Maßnahmen zur Rücknahme des Fluches zu bewegen. Bestimmt war auch ein Meistermagier nicht besonders hitzebeständig oder aber der Meistermagier würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht besonders schätzen, wenn scharfe Drachenkrallen sein makelloses Fell durchfurchen würden oder gar das Horn abgebrochen würde…
Greldon verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Ein solcher Akt der Rohheit könnte sich weiter negativ auf seinen Ruf auswirken und abgesehen davon, wenn Khirdras nur halb so mächtig war, wie alle behaupteten, würde sich das Alicorn mit Sicherheit zu wehren wissen. Und selbst wenn es Greldon gelingen würde, in einem Kampf den Zauberer zu besiegen, welchen Nutzen hätte das schon? Khirdras würde eher sterben als ihm zu helfen und er würde für alle Zeiten als Erdbeerdrache das Gespött der ganzen Welt sein. Nein, diese Option war keine und daher dachte Greldon weiter über seine Situation nach.
Vor lauter Sinnieren bemerkte er gar nicht, wie er auf Khirdras Anwesen zusteuerte.

Endlich hatte Greldon sich einen Plan zurechtgelegt, als er landete. Immer wieder hatte er mögliche Entschuldigungen formuliert, diese kurz überdacht und dann verworfen. Es war eine delikate Angelegenheit, denn schließlich war der Drache es gewesen, der dem Alicorn Schaden zugefügt hatte, auch wenn es sich nur um Erdbeeren gehandelt hatte. Der Zauberer hatte daraufhin nur eine Maßnahme ergriffen, sein Eigentum zu schützen, indem er dem Erdbeerdieb eine ordentliche Lektion erteilte. Andererseits gehörte der Zauberer aber einer Spezies an, die von Standpunkt der natürlichen Ordnung aus an sich Beutecharakter hatte.

Leise seufzend setzte Greldon ein wenig unbeholfen auf. Er würde den Zauberer aus seiner Behausung heraus bitten, um den entwürdigenden Akt des Entschuldigens so schnell wie möglich hinter sich zu bringen – hoffentlich wurde er dabei von niemandem beobachtet.
Greldon hatte noch nicht einmal seine Flügel ordentlich hinter seinem Rücken gefaltet, als Khirdras bereits vor ihm stand.
„Wie schön, der Erdbeerdrache ist schließlich doch noch zu mir gekommen. Und da Du mich so inständig um Verzeihung für Deinen Frevel an meinen Erdbeerpflanzen bittest, will ich Dir vergeben. Doch Strafe muss sein, bevor ich den Fluch von Dir nehmen kann.“
„Wie? Was? Ich…“, stammelte Greldon verwirrt.
Khirdras eigenartige Begrüßung hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht und trotzdem tat ihm das Alicorn einen unschätzbar großen Gefallen damit. Auf diese Weise konnte Greldon sein Gesicht vor dem Magier wahren, da er nun nicht von sich aus um Verzeihung bitten musste. Aber jetzt wartete Khirdras auf eine entsprechende Antwort.
„Ja… in der Tat.“
Greldon versuchte eine möglichst reuevolle Mine aufzusetzen, was ihm jedoch gründlich misslang. Aber nun war es endlich ausgestanden.
Khirdras lächelte: „Siehst Du, das was doch gar nicht so schwer. Und wie der Zufall so will, bin ich gerade dabei, ein entsprechendes Gegenmittel zu brauen, damit Du bald wieder Deine ursprüngliche, prachtvolle Gestalt zurück erhältst.“
„Wirklich? Das ist nett von Dir.“
Greldons Mine hellte sich auf. Bald würde er wieder ein normaler Drache sein, seine geliebte Auruliyuth würde zu ihm zurückkommen und er hatte sein Gesicht vor diesem Alicorn gewahrt.
„Nicht so hastig, mein Freund“, dämpfte Khirdras Greldons Euphorie. „Du erinnerst Dich? Ich habe auch von Bestrafung gesprochen. Ohne die geht es nicht, mein Freund.“
„Wieso? Bin ich nicht schon gestraft genug gewesen? Sieh mich doch mal an! Autsch!“
Genau diesen Augenblick hatten Greldons ständige Begleiter ausgesucht, um sich erneut an seiner Quastenbeere zu verköstigen. Außerdem riss ein weißfelliges Hermelin kleine Stücke aus der sich gerade wieder regenerierenden Erdbeere.
„Ja, ich sehe schon. Darum liegt es sicherlich in Deinem Interesse, so bald wie möglich Buße zu tun, denn die Absolution wird die Aufhebung des Fluches sein.“
„Also schön“, lenkte Greldon verzagt ein. „Was verlangst Du von mir zur Sühne?“
„Sei nicht so theatralisch, mein Freund. Du sollst mir ein wenig Deine Drachenstärke zur Verfügung stellen, Deine Kraft und Ausdauer. Mehr verlange ich gar nicht von Dir. Warte hier.“
Einen Augenblick später kehrte Khirdras mit einer großen, noch ungebrauchten Sense zurück. Er machte eine vage Geste in Richtung des Erdbeerfeldes.
„Siehst Du das hoch gewachsene Unkraut am Feldrand und in der daran angrenzenden Wiese? Das muss alles weg. Ich reagiere allergisch, wenn ich mit dem Unkraut in Berührung komme und auf magische Weise bekomme ich es nicht weg.“
Greldon glotze ungläubig. Er was sich nicht sicher, ob er richtig verstanden hatte, was der Magier von ihm verlangte.
„Was ist?“ fragte Khirdras und drückte dem verdutzten Drachen die Sense in die Tatze.
Da, wie bei jedem anderen Drachen auch, seine Daumenkralle den vier Fingerkrallen gegenüberstand, konnte Greldon genauso geschickt etwas greifen oder ein Werkzeug gebrauchen wie jedes andere anthropomorphe Geschöpf.
„Schau mich nicht so entgeistert an. Du nimmst jetzt diese Sense in die Hand und mähst das Unkraut.“
Greldon konnte nicht mehr länger an sich halten: „Ja, wer bin ich denn?“ rief er aus.
Khirdras duckte sich geschickt unter dem aus Versehen ausgestoßenen Feuerstrahl weg und erwiderte gelassen: „Ein verzauberter Drache, der seiner eigenen Gier zum Opfer gefallen ist. Und jetzt legt es dieser Drache offensichtlich auch darauf an, seinem eigenen Stolz zum Opfer zu fallen.“
Das hatte gesessen. Greldon grummelte etwas Unverständliches vor sich hin und machte sich dann schließlich an die Arbeit, während Khirdras in das Haus zurückkehrte, um nach dem Gebräu zu sehen, das mittlerweile kurz vor seiner Vollendung stand.

Die Sonne stand schon tief am Horizont, als Greldon ein wenig außer Atem die Sense an die Hauswand lehnte.
„Komm, reinigen musst Du sie schon noch, Du Schlamper“, wies ihn Khirdras an, der wieder plötzlich aufgetaucht war.
Der Magier machte sich sofort daran, die Arbeit des Drachens zu kontrollieren und stellte hoch erfreut fest, dass Greldon das gemähte Unkraut feinsäuberlich auf einem großen Komposthaufen zusammengetragen hatte.
„Brav, Brav“, lobte der Magier und bedeutete dem Drachen, ihm ins Haus zu folgen.
„Weißt Du übrigens, was für eine prächtige und kluge Gefährtin Du hast? Aurylia, oder wie war doch gleich ihr Name?“
„Auruliyuth“, entgegnete der Drache und kniff seine Augen zu engen Schlitzen zusammen. „Wie kommt es, dass Du meine Gefährtin kennst?“
„Ach, nur flüchtig. So, da wären wir. Gleich löse ich den Fluch.“
Sie standen vor Khirdras verschlossenem Arbeitszimmer und gerade so als ob ihm etwas einfiel, schlug sich das Alicorn mit flacher Hand auf die Stirn: „Ach, wie dumm von mir, ich habe tatsächlich noch eine wichtige Zutat vergessen. Schaust Du rasch mit in den Keller und hilfst mir suchen? Ich lagere meine Vorräte dort unten.“
„In den Keller?“ Greldon blickte den Magier zweifelnd an. „Ist da überhaupt Platz für mich unten?“
„Bestimmt“, lächelte Khirdras und stieg vor dem Drachen die Treppe hinab.

„Ach Du meine Güte! Wie sieht es denn hier aus?“ entfuhr es dem Drachen, der in seiner Höhle stets peinliche Ordnung hielt. Schließlich verabscheuten Drachen nichts mehr als Unordnung.
„Ja, das habe ich ganz vergessen, ich war hier schon so lange nicht mehr unten. Ich fürchte, das wird nun eine kleine Ewigkeit dauern, bis wir in dem Durcheinander die fehlende Zutat finden“, sagte Khirdras verlegen.
„Was für eine Zutat soll das eigentlich sein?“ fragte Greldon und hatte ein ungutes Gefühl.
„Eine Buchecker“, erwiderte Khirdras leichthin. „Irgendwo habe ich hier noch eine rumliegen gehabt.“
„Eine Buchecker? Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder? Warum nicht gleich eine Backerbse?“ maulte der Drache und sah zu, wie sich Khirdras abmühte, eine schwere Holztruhe zur Seite zu schieben. Er nieste heftig, als eine Staubwolke in seine Nüstern geriet.
„Eine Backerbse? Eigentlich keine schlechte Idee. Aber ich habe keine mehr, soweit ich mich erinnere. Aber die Buchecker ist hier unten irgendwo. In einem kleinen, ovalen Döschen“, antwortete das Alicorn und fügte dann beiläufig hinzu: „Wenn hier unten mal aufgeräumt wäre, das ganze Gerümpel hier verschwunden wäre, dann würde man viel leichter und schneller etwas finden.“
Greldon nickte stumm und sah weiterhin Khirdras bei der Arbeit zu. Offensichtlich hatte er den dezenten Hinweis nicht verstanden. Das Alicorn seufzte und fuhr im Plauderton fort: „Ich bin zwar ein mächtiger Zauberer, aber leider ist es mir bis zum heutigen Tage nicht gelungen, einen Zauberspruch zu finden, der mir hilft, Ordnung zu halten. Das ist ganz ähnlich wie mit dem Unkraut draußen im Garten.“
„Ach so?“ kommentierte Greldon und ließ sich dazu herab, mit der linken Klaue einen Stapel Holzbretter beiseite zu schieben, damit Khirdras dahinter nach der Buchecker suchen konnte.
„Da fällt mir ein, was ich Dich noch fragen wollte. Sind eigentlich alle Drachen so… wie soll ich sagen… so stolz?“ führte das Alicorn die etwas einseitige Konversation munter weiter.
„Stolz?“ Greldon posierte ein wenig prahlerisch, soweit das in dem unaufgeräumten Kellergewölbe und vor allem in der gegenwärtigen erbarmungswürdigen Gestalt möglich war.
„Nun ja, wenn man nicht gerade ein Erdbeerdrachen ist, so wie Du eben“, fügte Khirdras rasch hinzu.
Das hatte gesessen.
„Was? Nun, wir Drachen sind nun mal die prachtvollsten und stärksten und weisesten Geschöpfe auf dieser Welt, egal was andere, uns unterlegene Spezies, auch immer behaupten. Und nun mach schon, ich will endlich wieder meine richtige Drachengestalt haben. Außerdem habe ich durch den Staub hier schon einen ganz rauen Hals.“
„Wenn Du mir suchen helfen würdest, wären wir vielleicht schon längst dabei, den Trank zu vollenden“, gab Khirdras freundlich zurück und fuhr fort: „Weißt Du, ich habe deshalb gefragt, weil ich vor einiger Zeit einmal einen Drachen in Not bei mir aufgenommen hatte.“
„Ein Drache in Not? Und der kommt zu einem aufrecht gehenden Pferd mit einem Horn auf der Stirn und einem Paar Federflügel?“ erkundigte sich Greldon verächtlich. „Wahrlich, weit haben es manche Drachen gebracht. Und, was war mit dem?“
„Nun ja. Er war eines der prachtvollsten Geschöpfe, die ich bis damals je zu Gesicht bekommen hatte. Darauf war er zu Recht stolz. Nur leider ging sein Stolz soweit, dass er jede Hilfe zur Selbsthilfe ablehnte.“
„Wie meinst Du das?“
„Nun ja, ich riet ihm, sich eine Beschäftigung zu suchen, damit er nicht vor Langeweile in Trübsal verfällt. Ich selber hätte genügend Aufgaben für ihn gehabt, als er seine Zeit bei mir verbrachte, aber er hatte das geflissentlich ignoriert und es vorgezogen, sich stattdessen in ein abgelegenes Zimmer zurückzuziehen und Trübsal zu blasen. Ein befreundeter Kaufmann, den ich aufsuchte, weil ich – ich erinnere mich daran noch so gut als ob das Ganze erst gestern gewesen wäre – ein wenig Zauberöl und einige magische Kerzen für ein Experiment benötigt hatte, erzählte mir, dass er händeringend nach einer Hilfskraft suchen würde. Natürlich dachte ich da gleich an meinem Gast und hocherfreut gab mir der Händler etwas mit für den Drachen. Aber meinst Du, mein Gast hätte auch nur das geringste Interesse daran gezeigt? Er hätte nur auf einige Fragen dieses Kaufmanns antworten müssen. Aber das lag anscheinend unter seiner Würde.“
„Das ist nicht schön, wenn er seine Dankbarkeit, dass er bei Dir bleiben durfte, auf diese Weise gezeigt hat. Und was ist dann passiert?“
„Nun ja“, erwiderte Khirdras leichthin, „da ich selbst ein hoch beschäftigter Meistermagier bin, konnte ich mich nicht viel mit ihm beschäftigen. Er hat sich dann in seine eigene Höhle zurückgezogen. Man sagt, er seinem eigenen Stolz zugrunde gegangen.“
Greldon sog geräuschvoll die Luft ein: „Also gut“, sagte er leise, denn diesen Wink mit dem Zaunpfahl hatte er sehr wohl verstanden. „Trete beiseite, ich helfe Dir. Alles verbrennen?“
„Verbrennen? Nein, um Gotteswillen, nein!“ rief Khirdras und hob abwehrend die Hände.
„Hier unten sind auch Schriften, Bücher und Folianten von unschätzbarem Wert. Wenn Du mir wirklich helfen möchtest, dann würde ich Dich bitten, all diese Truhen und Kisten ins Freie zu bringen. Auch das Gerümpel, das hier überall herum liegt. Dann können wir sehen, was man davon alles wegwerfen kann und ich bin mir sicher, dass wir auf diese Weise die Buchecker auch weitaus schneller finden werden.“
Greldon blickte zweifelnd auf die nächstbeste Truhe. Sie war aus massivem Eichenholz gefertigt, verstärkt durch mehrere Riemen aus Eisen. Sie machte einen sehr schweren Eindruck.
„Leider funktioniert mein Levitationszauber nicht, da dieser im Zusammenhang mit Ordnungmachen stehen würde“, erklärte Khirdras und fügte dann leise hinzu: „Aber für einen Drachen mit seinen gewaltigen Kräften müsste das doch das reinste Kinderspiel sein. Ich könnte mir vorstellen, dass jede Kuh, die so ein Drache als seine Beute in seine Höhle schleppt, weitaus schwerer ist als irgendeiner der Gegenstände hier.“

Der Mond schien hell vom wolkenlosen Nachthimmel. Zusätzlich spendeten unzählige magische Leuchtkugeln, die Khirdras erschaffen hatten, Licht.
Der Drache hatte tapfer Kiste um Kiste, zahllose Truhen, Alteisen und andere schwere Gegenstände aus dem Keller ins Freie geschafft. Erschöpft und enttäuscht ließ er sich auf den Boden neben dem Gerümpel plumpsen, denn die Buchecker hatten sie freilich nicht gefunden.
„Kopf hoch, mein Freund. Ich bin zuversichtlich, dass wir sie noch finden werden. Ich würde vorschlagen, dass Du in all diesen Kisten hier suchst. Räume am Besten alles aus und schaue genau nach. Wenn Dir dabei Dinge auffallen, die man nicht mehr gebrauchen kann, dann lege diese am Besten auf einen eigenen Haufen. Ich selber werde mich nun im ausgeräumten Keller noch einmal gründlich umsehen“, teilte das Alicorn munter die Arbeit auf und schnippte mit den Fingern.
Aus dem Nichts tauchten ein gefüllter Wassereimer, mehrere Putzlappen und ein großer Besen auf. Khirdras griff danach und erklärte: „Und wenn ich schon gerade mal den Keller so schön leer habe, dann kann ich dort auch gleich ein wenig sauber machen.“
„Aber… was ist mit dem Gegenmittel?“ fragte Greldon unglücklich und reckte seinen Schweif. Jetzt erst fiel ihm auf, dass schon seit längerer Zeit kein Quälgeist mehr an seiner Erdbeerquaste geknabbert hatte.
„Gemach, gemach, mein Freund. Alles zu seiner Zeit: Aufräumen, Buchecker finden und dann der Trank, nicht wahr?“
Noch bevor der Drache erwidern konnte, was das Alicorn mit den Putzutensilien wieder im Haus verschwunden. Seufzend machte sich Greldon ans Werk und öffnete die erste Truhe.

Die Arbeit entpuppte sich für Greldon als gar nicht einmal so unangenehm, wie dieser zunächst befürchtet hatte. Akribisch schlichtete er Bücher und Gewand, irgendwelche Utensilien und allerlei andere Dinge wieder zurück in Truhen und Kisten. Die Buchecker war ihm allerdings noch nicht unterkommen. Es gab noch ein anderes Problem, das Greldon zu schaffen machte: Zwar hatte ihm Khirdras aufgetragen, Dinge, die nicht mehr benötigt  wurden, sofort auszusondern, doch, woher sollte ein Drache wissen, was ein Magier in Zukunft noch gebrauchen konnte oder nicht. Kaputtes und Angeschlagenes, das war eindeutig und Greldon hatte bereits einen beträchtlichen Stapel mit nutzlosem Abfall angehäuft. Doch bezüglich des Restes würde er Khirdras fragen müssen.
Der Inhalt zweier schwerer Holztruhen hatte ihn besonders fasziniert. In der einen waren dutzende, wenn nicht gar hunderte silbern glänzende Scheiben gelagert, allesamt mit dem gleichen Durchmesser, der circa zwölf Zentimeter messen mochte, und alle hatten ein gleich großes Loch in der Mitte. Im Mondlicht glitzerten und funkelten diese Scheiben wie Diamanten und Greldons Sammelinstinkt war geweckt worden. In der anderen Truhe waren ebenfalls Scheiben gelagert, nur dass diese weitaus größer und aus einem anderen Material gefertigt waren. Die meisten von ihnen waren schwarz und glänzten im Gegensatz zu den Silberscheiben nicht.
„An die habe ich gar nicht mehr gedacht“, ließ sich eine bekannte Stimme vernehmen.
Greldon zuckte zusammen. Erneut war Khirdras neben ihm aufgetaucht, ohne dass der Drache etwas von dem Nahen des Alicorns bemerkt hatte.
„Was ist das?“ fragte der Drache. „Ich habe so etwas noch nie gesehen, aber es sieht wunderschön aus.“
„Das ist eine besondere Art Zauber, eine der wenigen Zauber, zu denen das Menschengeschlecht fähig ist“, erklärte Khirdras und nahm aus beiden Truhen jeweils eine Scheibe heraus.
„Auf beiden ist Musik enthalten und mit einer bestimmten Apparatur, die ebenfalls von Menschenhand geschaffen wurde, kann man die Töne, die auf diesen Scheiben enthalten sind, zum Leben erwecken. Wenn Du magst, kann ich Dir das später vorführen.“
Greldon schüttelte den Kopf: „Es würde mich interessieren, aber ich… nun, ich würde gerne den Fluch gelöst haben.“
„Das kann ich verstehen“, entgegnete Khirdras. „Und ich habe eine gute Nachricht für Dich. Ich habe die Buchecker gefunden und der Trank ist bereits fertig. Er muss nur noch auskühlen. Vorher müssten aber diese ganzen Sachen wieder in den…“
„Ich habe schon verstanden“, erwiderte Greldon resigniert.
„Warte noch!“ bremste ihn der Magier, als der Drache sich die erste Truhe geschnappt hatte.

Eilig musterte das Alicorn noch etliche Gegenstände aus, die es mit Sicherheit nicht mehr benötigen wurde.
„Siehst Du, mein Freund, jetzt ist es nicht mehr so viel, was in den Keller zurückgehört. Den Rest hier“, Khirdras deutete mit einer lässigen Handbewegung auf einen zu einem auf recht stattliche Größe angewachsenen Stapel, „würde ich Dich bitten, morgen, nachdem Du Deine richtige Gestalt wieder erlangt hast, mit Deinem mächtigen Feueratem restlos zu vernichten. Und diese beide Truhen hier, die lass mal in der Eingangshalle stehen."

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« Antworten #14 am: 03.August.2008, 19:18:34 »

Während Greldon die Truhen und Kisten wieder in das mittlerweile vor Sauberkeit blitzende Kellergewölbe brachte, pflückte Khirdras im Schein des silbernen Mondlichts einundzwanzig Erdbeeren. Behutsam legte er sie in eine kupferne Schüssel und brachte sie in sein Arbeitszimmer.
Dort füllte er mit geschickten Bewegungen das gebraute, geruchsneutrale Gegenmittel in die zuvor aufs Gründlichste gereinigte Gartenspritze und besprühte die prallen, roten Früchte mit einem feinen Nebel, immer und immer wieder.
Er hatte genug von dem Antidot gebraut, um damit später sein gesamtes Erdbeerfeld zu behandeln, wohl wissend, dass der Drache nie wieder sich ungefragt an seinen Früchten gütlich tun würde.  
Die Erdbeeren glänzten vor Feuchtigkeit, als sie Khirdras in die große Vorhalle brachte. Der Drache war immer noch damit beschäftigt, den Keller wieder einzuräumen und das Alicorn lauschte befriedigt den Geräuschen der harten, körperlichen Arbeit, während es einen bizarr anmutenden Apparat aufbaute.
Greldon kam gerade die Treppe hoch, als Khirdras die letzte der beiden Truhen mit den runden Scheiben neben dem Apparat in Position gebracht hatte.
„Fertig“, keuchte Greldon und ließ sich ermattet auf seinen Bauch plumpsen.
„Das hast Du gut gemacht“, lobte der Magier und konnte der Versuchung nicht widerstehen, dem Drachen mit weicher Hand sanft über die schuppige Schnauzenspitze zu streicheln.
Greldon war viel zu müde, um darüber empört zu sein.

Der herrliche verführerische Duft von frischen Erdbeeren erreichte die Drachennüstern.
„Hier, die sind für Dich, mein Freund“, bot sie der Magier dem Drachen an.
Misstrauisch schnupperte Greldon über die Früchte. Gier blitzte trotz der bleiernen Müdigkeit in seinen Augen auf und doch, etwas ließ ihn zögern.
„Ich habe getan, was Du wolltest“, sagte er leise. „Nimm bitte den Fluch von mir.“
„Aber das will ich doch gerade tun“, entgegnete Khirdras ein wenig verwundert.
Eigentlich hatte der Zauberer damit gerechnet, dass sich Greldon ohne langes Zaudern sofort über die Erdbeeren hermachen würde. Hatte die ihm erteilte Lektion tatsächlich sogar die drachentypische Gier ausgetrieben?
„Du musst die Schale leeren, ich habe die Erdbeeren mit dem Gegenmittel behandelt. Und während Du die Erdbeeren genießt, führe ich Dir den Menschenzauber vor.“
Immer noch ein wenig skeptisch griff Greldon nach der ersten Frucht und führte sie an sein Maul, während der Magier eine der silbernen Scheiben in eine Lade auf der Stirnseite dieses eigentümlichen Apparates einlegte.
Augenblicklich war der Raum erfüllt von harmonischen Klängen, die dem Drachen offenbar gefielen, denn er zuckte vor Verzückung mit seiner Schweifspitze, die immer noch eine Erdbeerquaste war.
„Iss nur, iss. Die müssen alle weg. Und wenn Du später noch mehr Erdbeeren willst, kannst Du gerne noch welche haben“, forderte ihn das Alicorn auf.

„Diese Scheiben und den Apparat kannst Du, wenn Du magst, Deinem Hort hinzufügen. Ich habe keine Verwendung mehr für diese Dinge.“
Doch die Worte des Magiers drangen an Greldons Ohren nur noch wie durch einen Schleier. Eine bleierne Müdigkeit hatte den Drachen befallen in dem Augenblick, als er die letzte Erdbeere zerkaut und geschluckt hatte.
Eine wohlige Wärme umhüllte den Drachenleib, als Khirdras eine Formel rezitierte und schließlich leise sagte: „Schlaf Dich gesund, mein Freund. Und wenn Du erwachst, dann habe ich eine Überraschung für Dich.“

Greldon wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Doch zum ersten Mal seit wie es ihm schien einer Ewigkeit, wachte er auf, ohne die pickenden und beißenden Schmerzen an seinem Schweifende zu spüren. Auch drang kein zänkisches Gekrächze mehr an sein Gehör, dafür wurde seinen Nüstern ein Duft zugetragen, dezent und doch so verlockend. Ein Duft, wie ihn Greldon schon so lange nicht mehr gerochen hatte und den er doch so sehr schon vermisst hatte.
Gleichzeitig fühlte er eine zärtliche Nähe, nach der er sich insgeheim so sehr verzehrt hatte.
Langsam öffnete er seine Augen und blickte in die Augen seiner Gefährtin, die ihre Schnauzenspitze liebevoll gegen die seine gedrückt hatte.
„Endlich bist Du wieder Du selbst geworden. Endlich ist mein Greldon, der stolze Vater unseres Nachwuchses, zurückgekehrt.“

Noch ein wenig benommen richtete sich Greldon auf. Zaghaft bewegte er seinen Schweif hin und her – das Gefühl war ein völlig anderes als in den letzten Tagen, in denen die Quaste jene prachtvolle Erdbeere gewesen war. Vorsichtig warf er einen Blick über seine Schulter zurück. Sie war weg! Greldons Herz machte einen Freudenhüpfer. Anstatt der lästigen Frucht endete sein Schweif wieder wie früher in einer geschmeidigen, eleganten Quaste.
Auruliyuth lächelte ihn an: „Du bist wirklich wieder ganz der Alte. Und so gefällst Du mir auch am Besten.“
Zärtlich küsste sie ihren Liebsten, doch dann blickte sie ihm direkt in die Augen.
„Ich hoffe aber“, begann sie mahnend“, dass diese Geschichte für Dich eine Lehre sein wird. Dass Du in Zukunft die Finger von verbotenen Früchten lässt. Hier! Khirdras hat vor der Höhle ein Pfund Erdbeeren für Dich hingestellt. Dir missgönnt ja keiner Deine Erdbeeren. Aber lerne, sie zu schätzen und verschlinge sie nicht einfach in Deiner Gier.“
„Oh, Erdbeeren!“ rief Greldon erfreut aus und stürmte aus der Höhle.
Was für ein prächtiger Morgen. Er hatte seine richtige Gestalt wieder, keine Plagegeister, die auf ihn herumhackten, eine ordentliche Portion Erdbeeren und das Wichtigste: Seine geliebte Auruliyuth war wieder bei ihm.
„Greldon! Was habe ich Dir gerade gesagt?“ tadelte die Drachin, die neben ihn getreten war und zusah, wie der Drache die Erdbeeren mit gierig blitzenden Augen vertilgte.
„Aber ich wertschätze und genieße sie doch“, schmatzte Greldon und sein Schweif zuckte vor Verzückung hin und her.
Als er alle Erdbeeren verputzt und die Schüssel fein säuberlich ausgeschleckt hatte, blickte er sich zufrieden um.
„Wo sind wir eigentlich? Das ist nicht meine Höhle.“
„Khirdras war so nett und hat uns einen Nistplatz zur Verfügung gestellt. Er wollte unsere Jungen auf seinem Gelände aufwachsen sehen. Ich habe ihm versprochen, dass Du ihm dafür gelegentlich hilfreich zur Hand gehst.“
„Na toll“, grummelte Greldon.
„Komm, stell Dich nicht so an. Khirdras tut uns schließlich einen großen Gefallen. Da wird Dir schon kein Zacken aus der Krone fallen, wenn Du ihm ab und an eine helfende Tatze gibst. Er hat Dir auch von dem einen Drachen erzählt, den er bei sich aufgenommen hatte? Wir Drachen müssen doch schließlich alles daran setzen, unseren guten Ruf zu wahren.“
„Du hast ja Recht“, sagte Greldon kleinlaut und dann fiel sein Blick auf die beiden Truhen vor der Höhle und auf die eigenartig anmutende Apparatur.
„Oh!“ rief er freudig aus und öffnete mit raschen Griffen die beiden Truhen.
„Greldon, was ist das? Diese Sachen hat Khirdras noch vorbei gebracht, während Du geschlafen hast. Er meinte, Dir hätte das gefallen und Du dürftest das behalten.“
„Da ist Musik drauf. Schau her.“
Voller Enthusiasmus legte Greldon eine der silbernen Scheiben ein – nicht ohne sich zuvor an den farbigen Reflexionen zu erfreuen, die das Licht der Morgensonne auf die Scheibenoberfläche zauberte.
„Oh, Auruliyuth, sieh nur… Da haben einige dieser Scheiben die gleiche Bezeichnung und eine fortlaufende Nummerierung.“
Greldon packte mit Feuereifer die Scheiben aus der Truhe und legte sie fein säuberlich nebeneinander auf den Boden.
„Da fehlen einige Nummern, wie es den Anschein hat.“
Rasch verräumte der die Scheiben wieder und erhob sich.
„Ich werde Khirdras fragen, ob er die fehlenden Nummern hat oder weiß, wer sie haben könnte. Ich muss diese Sammlung unbedingt vervollst…“
„Greldon?!“ rief Auruliyuth und klappte nachdrücklich die Kiste zu.
„Ja, Liebes?“ fragte Greldon unschuldig.
Die Drachin kannte den Blick ihres Gemahles. Jede Faser in seinem Körper schrie danach, die Sammlung zu vervollständigen. Drohend senkte Auruliyuth ihren Kopf und grollte: „Kein übermäßiger Erdbeergenuss mehr und keine weiteren Silberschreiben – und auch keine weiteren von diesen schwarzen Scheiben hier: Haben wir uns verstanden?“
„Aber“, wagte Greldon den Widerspruch, „nur die paar fehlenden Silberscheiben mit diesen Nummern?“
„Ich sagte: Keine“, schnaubte Auruliyuth und Greldon wusste, dass jedes weitere Wort in dieser Angelegenheit sinnlos sein würde, zumal sich seine Gefährtin gerade anschickte, mit geschickten Bewegungen die Silberscheibe, die noch in dieser geheimnisvollen Maschine gesteckt hatte, mit Greldons seidiger Schweifquaste zu verflechten.



ENDE
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« Antworten #15 am: 22.August.2008, 19:14:18 »

Ich hab's endlich geschafft durchzulesen ^^

Danke, Greldon. Es hat mir sehr gut gefallen Smiley
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Niveau ... ist keine Handcreme Wink

Für Jene, die an Drachen glauben, ist keine Erklärung nötig
Für Jene, die nicht an Drachen glauben, ist keine Erklärung möglich


 
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« Antworten #16 am: 26.August.2008, 21:02:12 »

*lol*

Die Geschichte ist einfach nur erheiternd^^, wie immer.
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...wenn einem nämlich etwas wirklich Wichtiges passiert ist, sorgt das Schicksal in der Regel dafür, dass es zu einem zurückkehrt und man eine zweite Chance erhält.
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