Einer neuen Zukunft entgegen (2) – Schwenninger Moos
Auruliyuth:
Im Schwenninger Moos
Durch die offene und fröhliche Art von Steffi, fühlten sich auch ein paar andere Patienten zu ihr und Anka hingezogen. Auf Anka's Vorschlag hin, das nur ein paar Kilometer entfernte Schwenninger Moos kennen zu lernen, verabredeten sie sich zu fünft. Glücklicherweise hatte einer von diesen sein Auto dabei und erklärte sich bereit die Gruppe bei Bedarf und Gegenleistung zu fahren. Jeder von ihnen wollte sich auch gerne an den Unkosten beteiligen.
An einem Mittag kurz vor Weihnachten, an dem alle fünf frei hatten, fuhren sie bei winterlichen Temperaturen, jedoch trockenen Straßen los. Den Parkplatz zum Neckarursprung fanden sie fast auf Anhieb. Eine verschneite Winterlandschaft lud bei strahlendem Sonnenschein zu einem Spaziergang rund um das Moos ein.
Anka meinte begeistert, jedoch auch mit einer Spur von Enttäuschung: „Das würde jetzt herrliche Winterbilder geben. Nur schade, dass ich meine Spiegelreflexkamera nicht mit dabei hab.“ Jeder pflichtete ihr bei. Die winterliche Landschaft sah aus wie die in einem Bilderbuch. „Dafür genießen wir die Ansicht jetzt umso intensiver.“
Noch während sie die unberührte Natur in ihrer winterlichen Pracht bewunderten, hatte Anka kurz entschlossen Papier und Stift aus der Tasche gezaubert und malte mit gekonnten Strichen ein winterliches Abbild auf ihr Papier, welches alle sogleich begeistert bewunderten. „Du brauchst ja gar keine Kamera. - So gut wie Du möchte ich auch zeichnen können. - Was machst Du mit dem Bild, wenn es fertig ist?“
Alle redeten wild durcheinander. Doch Anka malte in aller Seelenruhe ihr Bild fertig. Zum Schluss packte sie noch der Übermut und mit wenigen Strichen flog eine Entenschar durchs Bild.
Nachdem alle noch einmal das gelungene Bild gebührend bewundert hatten, steckte es Anka zurück in ihre Tasche, zusammen mit Block und Stift. Dann setzten sie die Landschaft bewundernd den Rundgang durch das Moos fort.
Fast zur gleichen Zeit in der Klinik.
Jens saß mit Kevin und Mark, die sich in den letzten Tagen gut eingelebt hatten, zusammen und sie gingen wieder einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen nach, dem Surfen und Chaten im Internet. Zum Chaten hatten sich alle drei über ein Drachenforum im dortigen Chatroom eingeloggt. Jens als Argus, Kevin als Phönix und Mark als Eagle. Privates konnten sie direkt reden, den Rest tippten sie sich über den Chatroom zu.
Jens brach als erster die Stille: „Schade, dass Steffi nicht hier ist. Wir wollten ursprünglich zusammen Schwimmen gehen.“ „Du und Steffi, ihr zwei seid wie für einander geschaffen,“ meinte Kevin alias Phönix fast ein wenig neidisch. Jedoch, er gönnte den beiden ihr Glück und sie unternahmen auch vieles gemeinsam. „Wann wirst Du sie endlich fragen?“ wollte er von Jens wissen. „Bald schon. Ich weiß, das wäre längst überfällig gewesen. Aber ich hatte bisher immer auf einen passenden Zeitpunkt gewartet. Und ich wollte nicht, dass sie sich mir gegenüber verpflichtet fühlt. Ich selbst kann mir ein Leben ohne sie allerdings gar nicht mehr vorstellen.“
„Wisst ihr noch, wie wir im Watt an der Nordsee gemeinsam die in Seenot geratene Gruppe mit Steffi gerettet haben?“ schwärmte Mark alias Eagle. Jens nickte gedankenverloren und schaute sehnsüchtig zum Fenster hinaus. Er dachte an Steffi und wie sie sich kennen gelernt hatten. Wäre er nicht zufällig ihr Masseur gewesen, oder hätte er nicht auch noch zufällig in seiner Mittagspause ins Internet gesehen, 'Dann wäre ich ihr vielleicht niemals begegnet.' Und laut meinte er: „Ich wäre jetzt auch liebend gern im Moos. Draußen wird es schon bald dämmern. Dann sieht uns keiner fliegen.“ Seine Freunde fanden die Idee ebenfalls großartig. „Wir können ja bis zum Rand fliegen und dort dann auch ein Stück zu Fuß gehen?“ Gesagt, getan.
Die drei klappten ihre Notebooks zu und machten sich für einen winterlichen Spaziergang fertig. Jens zeigte den Weg aufs Dach in eine kleine Kammer mit Dachfenster, von wo aus sie ins Moos starten wollten.
Mark verwandelte sich als erster in Eagle. „Ich starte als Erster und schau, ob uns keiner sehen kann.“ Mark hatte nicht nur den Vorteil, dass er aussah wie ein Adler, er konnte auch seine Größe verändern. Allerdings kostete ihn das sehr viel Kraft, weshalb er die Größe, die er an der Nordsee hatte, nur in Notfällen einnahm. Heute war er nur so groß wie die heimischen Greifvögel und sah ihnen zum Verwechseln ähnlich.
Kaum draußen, nutzte er die Thermik und ließ sich vom Aufwind in die Höhe tragen. Kevin nahm derweil das Aussehen eines eher unauffälligen Phönix an, um seine sonst so schillernde Farbenpracht zu verbergen. Er war nur wenig größer als der Adler. Er nickte Jens noch einmal zu und flog aus dem Dachfenster zu Eagle in die Höhe.
Beide signalisierten Jens, dass die Umgebung frei von neugierigen Augen sei. Jens konzentrierte sich auf die Verwandlung. Außerdem hielt er es für angebracht, eine Tarnung zu wählen, die er in der Luft um sich aufrecht erhalten konnte. Denn, seine Drachengröße zu verändern würde ihm alles abverlangen, deshalb setzte er auf einen Schleier, der seine Gestalt der Umgebung anpassen sollte.
Anders als seine Freunde, musste er zuerst durch die Dachluke klettern und hinter sich schließen, bevor er sich verwandeln konnte. Er hoffte inständig, dass das Gebälk sein Gewicht tragen würde. Hier gab es noch so vieles zu bedenken und planen, wenn sie hier wieder weg fliegen wollten.
Jens verständigte sich mit seinen Freunden telepathisch: 'Wir fliegen am Besten direkt über dem Wald, da ist die Gefahr vermutlich am geringsten. … und looooooos!'
Mit diesem Kommando sprang Jens mit einem gewagten Sprung von der Dachluke weg ins Freie. Noch im freien Fall verwandelte er sich in den prächtigen Drachen Argus und breitete sofort seine mächtigen Flügel aus um den Sturz zu bremsen. Mit ein paar routinierten Flügelschlägen gewann er wieder an Höhe und tarnte sich gleichzeitig vor neugierigen Blicken.
Von hier oben sah ein Teil der Gebäude wie ein Herrschaftliches Anwesen aus. Wenn man sich jetzt noch einen großen Park dazu vorstellte, könnte man sich fast in eine frühere Zeit zurück versetzt fühlen.
Die drei flogen knapp über den Wipfeln des Waldes, der fast direkt hinter der Klinik anfing. Der Wald strahlte eine friedliche Ruhe und Kraft aus, und von oben wurden die Flieger von den warmen Strahlen der Sonne verwöhnt. Ein Bilderbuchwetter. Aber auch ein Wetter, das fast jeden nach den langen kalten Wintertagen ins Freie drängen ließ.
Eagle flog immer ein Stück voraus, um die Lage zu erkunden. Ein Adler hier in der Umgebung fiel den wenigsten auf. Ein Raubvogel wie jeder andere auch. Wer achtete da schon genau, ob es sich da um einen Adler, Milan oder einen anderen Greifvogel handelte. Solange sie nicht direkt damit konfrontiert wurden, war es den Leuten eh egal. Phönix blieb lieber im Tarnschleier von Argus. Gemeinsam sahen sie dem übermütigen Eagle zu, wie er sich immer wieder in die Höhe schraubte, und dann wieder hinunter gleiten ließ.
In der Zwischenzeit waren sie am Rand des Schwenninger Moos' angelangt.
Auch dieser Ort strahlte eine wohltuende Ruhe aus, gepaart mit ungeahnten Mengen an Energie. Man sah auf den ersten Blick, dass sich hier die Natur seit Jahren selbst überlassen war. Nur hin und wieder wurde eingegriffen, um die Sicherheit der menschlichen Besucher zu gewährleisten.
Argus legte sich, immer noch getarnt und als Drache, in den Schnee und ließ die warmen Strahlen der Sonne und den Ort auf sich wirken. Seine Sinne tasteten sich behutsam durch das Moos. Alles war so friedlich und so erholsam. Ruhig konnte man es auf keinen Fall nennen. Bei diesem Wetter schien eine wahre Völkerwanderung über die Pfade stattzufinden.
Der Drache tastete sich weiter. Und erst als er sie gefunden hatte, gestand er sich selber ein, dass er Albino, bzw. Steffi die wenigen Stunden bereits vermisst hatte. Steffi spürte sofort seine Anwesenheit in ihren Gedanken. Mit einen paar zärtlichen Worten berührte er ihr Innerstes, was ihr einen sinnlichen Schauer über den Rücken huschen ließ und ein Kribbeln im Magen verursachte.
Ein Teil von Argus zog sich wieder langsam zurück. Er spürte plötzlich eine starke Unruhe in einer der Wandergruppen. Etwas stimmte hier nicht! Sie suchten jemanden, der plötzlich verschwunden war!
Argus informierte seine Freunde. Beide ließen sich nicht erst bitten, sondern waren bereits in der Luft, um unbemerkt bei der Suche zu helfen. Ein kleiner Junge wurde vermisst. Er war vier oder fünf Jahre alt. Argus gab auch zusätzlich noch Steffi Bescheid. Vielleicht wurde sie schneller fündig.
Die Eltern des Jungen waren inzwischen ganz verzweifelt und ziemlich hysterisch vor Angst um ihn, denn der Junge fehlte schon fast eine Stunde. Zunächst hatten sie ihn bei anderen spielenden Kindern vermutet. Wenn er vom Weg abgekommen und ins Moor gefallen war, würde man ihn vielleicht niemals mehr finden. Dies war mit ihre größte Sorge.
Argus hielt es am Boden nicht mehr aus. Mit einem Satz sprang er auf und stieß sich mit Schwung vom Boden ab. Solange er getarnt bleiben würde, würde ihm nichts passieren. Außerdem war der Junge jetzt wichtiger.
Eagle und Phönix hatten bisher keinen Erfolg gehabt. Es begann bereits zu dämmern und wurde empfindlich kalt. Argus schraubte sich immer weiter in die Höhe. Von weiter oben hatte er einen besseren Überblick. Die Freunde suchten gemeinsam aus der Luft, bis Eagle auf dem fast zugefrorenen See frische Bruchstellen bemerkte. Sofort richteten alle drei ihr Augenmerk auf die Stelle im See. Tatsächlich, da trieb etwas unter der Oberfläche mit einem sehr schwachen Lebenszeichen. Argus brauchte Steffi. Ein Glück, dass sie nicht allzu weit davon entfernt war.
In einem steilen Sturzflug suchte sich Argus ein Ziel neben der Stelle, wo er den Jungen spürte. Sein relativ leises Eintauchen durch das Eis ins Wasser blieb fast unbemerkt. Mit einer Pranke umschlang er den Jungen, als er ihn – abgetrieben von seinem Eintauchen – gefunden hatte, mit der anderen Pranke durchschlug er von unten das Eis an der Wasseroberfläche, das direkt über ihnen war. Das vorhandene Loch im Eis zu suchen hielt Argus für reine Zeitverschwendung. Nach unzähligen Schlägen gab das dicke Eis endlich nach. Der Drache schoss aus dem Wasser und flog mit dem Jungen zwischen den Krallen ans Ufer, wo Steffi mit ihrer Gruppe schon wartete.
Überraschte Gesichter und nervöses Getuschel erklang hinter Steffi, als sie den Drachen in voller Größe sahen, und Argus wurde jetzt erst bewusst, dass man ihn sehen konnte. Steffi ging beherzt auf den imposanten, mehrere Meter großen Drachen zu. Sie hatte Argus lange nicht mehr aus ihrer menschlichen Perspektive gesehen. In seiner Pranke sah der Junge fast wie ein winziges Spielzeug aus.
Steffi nahm ihm den kleinen Jungen aus den Klauen und trat ein paar Schritte zurück. Sie schien ihm noch etwas zu zuflüstern. Gleich darauf war der Drache wieder unsichtbar. Nur der Abdruck im Schnee blieb noch bis er mit kräftigen Flügelschlägen abhob. Jetzt wurde es allerhöchste Zeit. Argus hatte es plötzlich schrecklich eilig von hier wegzukommen. Sofort wurde Schnee aufgewirbelt, der sich barmherzig auf die verräterischen Spuren legte. Leute strömten herbei, darunter auch die völlig aufgelösten Eltern des Jungen, und von irgendwo aus der Luft hörte man Düsenjets heran donnern.
Steffi hatte sich zu dem unterkühlten Jungen hingekniet und strich ihm gefühlvoll über den Oberkörper. Dann fühlte sie seinen Puls und die Atmung. Weiter kam sie nicht, denn die Eltern stürmten erleichtert auf ihren Sohn zu. Steffi hatte nur noch festgestellt, dass er unsagbar kalt war und sowohl Atmung als auch Puls sehr flach waren. Plötzlich drängten sich durch die hinteren Reihen zwei Sanitäter nach vorne zu dem Opfer. Irgendjemand musste sie wohl geistesgegenwärtig angerufen haben.
Da wo noch ein paar Sekunden zuvor Argus gelandet war, war nun alles von aufgeregt durcheinander laufenden und auch erleichterten Helfern platt getreten. Etwas anderes machte ihr mehr Sorgen. 'Die Düsenjets um diese Zeit verheißen nichts Gutes!' Sie hatte es mehr zu sich selbst gesagt. Anka hatte sie dennoch gehört. Seit der Drache aufgetaucht war und Steffi keine Furcht davor gezeigt hatte, war sie völlig durcheinander. „Das sind Abfangjäger... hab ich gelesen.“
Steffi erschrak. Daran hatten sie gar nicht mehr gedacht! Sie hatte noch gründlich über die Gegend recherchiert. Aber dass sie hier bereits im Zollgrenzgebiet waren, und dass hier schon die Landungen für die Schweizer Flughäfen eingeleitet wurden, das hatte sie bereits wieder vergessen. Als sie jetzt ihr recherchiertes Wissen ab rief, fiel ihr auch wieder ein, dass es ganz in der Nähe noch Alliierte Streitkräfte gab.
'Hoffentlich kam Argus gut nach Hause!' betete sie inbrünstig. Es reichte schon, wenn er einmal auf dem Radar auftauchte. Bei einem zweiten Mal würde es hier von Polizei und Militär nur so wimmeln. „Argus?“ fragte Anka neugierig. „Heißt so dieser Drache? Gibt’s noch mehr wie ihn?“ Steffi und Anka standen etwas abseits. Die Menschenmenge hatte die Sanitäter mit dem Jungen bis zum Rettungswagen eskortiert. Alle waren neugierig, wie es dem Kleinen ging.
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Auruliyuth:
Roland – Um Leben und Tod
Die Frage von Anka kam für Steffi zu überraschend, daher fiel es ihr auch zunächst gar nicht auf, dass Anka ihre Gedanken verstand und erwiderte. Normalerweise hatte sie Jens, der alle Fragen beantwortete. Er hatte immer eine passende Antwort auf alles. Sie entschied sich dafür, Anka so gut sie konnte, und so gut sie es vertrug, die Wahrheit zu sagen. „Ja, es gibt noch ein paar wenige, die so sind wie Argus.“
Mit dieser Antwort schien Anka zufrieden zu sein, denn sie ging nicht näher darauf ein und zeigte keine weitere Gemütsregung nach außen. Auch für Anka schien es selbstverständlich zu sein, dass sie Steffis Gedanken verstehen konnte. Nach allem was sie die letzten Tage gesehen und wahrgenommen hatte, wunderte sie derzeit gar nichts mehr.
Dem Jungen schien es weder besser noch schlechter zu gehen. Der herbeigerufene Notarzt tat alles in seiner Macht stehende. „... aber in diesem Zustand würde er einen Transport in die Kinderklinik vermutlich nicht ohne bleibende Schäden überstehen.“ „Was fehlt ihm denn? Kann man irgendwie helfen?“ Steffi wollte unbedingt, dass es dem kleinen Jungen wieder gut ging. Einer der Sanitäter erkannte sie wieder: „Sie waren das doch, die ihn gefunden und gerettet hat, oder nicht?“ Steffi wurde verlegen, aber auch nachdenklich. „Ich habe nur geholfen. Meine Freunde haben ihn gefunden und gerettet.“
Der Notarzt sah sie einen Moment lang durchdringend an. „Das seltsame ist, dass es ihm eigentlich gut gehen müsste. Alle Vitalfunktionen zeigen normale Werte an. Er ist nicht einmal unterkühlt, obwohl er wer weiß wie lange im eiskalten Wasser war. - Aber er ist nicht ansprechbar. Es scheint fast so, als ob ein Teil von ihm sowie die nötige Energie fehlt.“
„Energie gibt es hier im Moos mehr als genug. Wenn Sie – und auch die Eltern – einverstanden sind, würde ich gerne helfen, dass er zu seiner fehlenden Energie kommt.“ Entrüstung und Unverständnis machte sich breit. „Er ist doch kein Roboter, den man einfach so an die Steckdose anschließen kann! - Was nimmt die sich da raus!? - Die tut aber wichtig! - Wer glaubt die eigentlich, wer sie ist?! ...“
Steffi hatte genug gehört. Sie verabschiedete sich rasch vom Notarzt und den Rettungskräften. Ein bedauernder Blick zu dem Kind und seinen Eltern, sowie ein stummer Gruß. Dann drehte sich Steffi suchend zu ihrer Gruppe um. Anka stand noch hinter Steffi, nachhaltig schockiert von den Reaktionen der Leute. Die anderen drei hatten vorher schon genug gehabt von der Meute. Sie waren noch damit beschäftigt, das zu verarbeiten, was nur sie davor gesehen hatten. Sofort überschütteten sie die junge Frau mit Fragen. „“War das wirklich ein echter Drache? - Hattest Du denn gar keine Angst? - Wie kann sich so ein riesiges Tier unbemerkt fortbewegen? - Was frisst so ein Tier eigentlich? - Und wieso hat es überhaupt geholfen? …“
Diese letzten Fragen gingen eindeutig in eine Richtung, wo man den Drachen nicht mehr ernst nehmen und Wertschätzen wollte. 'Ich hätte mir die Leute vorher besser ansehen sollen, bevor ich etwas mit ihnen unternehmen will.' Steffi entschuldigte sich kurz, bevor sie die Fragen beantworten würde. Ihr war da ein Gedanke gekommen, den sie auch gleich umsetzen musste. Die Nummer von Jens hatte sie schnell gewählt. Steffi wollte jetzt nicht noch mehr auffallen, indem sie ihn ohne Handy kontaktiert hätte.
In zwei bis drei Sätzen war geklärt, dass Jens Steffi, Anka und eventuell Peter selber holen würde. „Über Peter weiß ich so gut wie gar nichts. Er ist ruhig und unauffällig... und es scheint mehr in ihm zu sein als er selber ahnt.“ Steffi musste noch etwas hier im Moos erledigen, und dafür würden sie zu spät zum Abendessen kommen. Jens klärte das mit der Küche und versprach sofort zu kommen.
Steffi lief zurück zu ihrer Gruppe. Alle vier diskutierten und spekulierten wild ob es nun Drachen gab oder nicht. Um die Gemüter zu beruhigen und sich selber Gehör zu verschaffen, gab sie folgenden Satz von sich: „Eure Diskussion in allen Ehren, nur leider wird sie euch zu keinem gemeinsamen Nenner führen. Ein weiser Satz lautet:
'Für jene, die an Drachen glauben, ist keine Erklärung nötig.
Und für jene, die nicht an Drachen glauben, ist keine Erklärung möglich.'“
Zunächst setzte einerseits betretenes Schweigen ein, und andererseits warteten alle noch auf Steffis Darstellung der Situation. „Ob es ein Drache war, oder vielleicht nur eine Luftspiegelung, das müsst ihr für euch selbst entscheiden. Vielleicht lag der Junge auch schon die ganze Zeit dort im Graben.“ Steffi sah von einem zum Anderen. So hatte sie sich ihren netten Nachmittag eigentlich nicht vorgestellt. Und so hätte er auch nicht enden müssen.
Einer der Skeptiker, mit seinem Auto war die Gruppe her gefahren, nahm Steffis erklärende Darstellung gerne an. „Ich hab mir da sicher irgendwas eingebildet. Und wenn ich so drüber nach denk, hab ich nicht einmal 'nen Beweis für 'nen Drachen. Drachen sind was fürs Märchen oder fürs Mittelalter,“ versuchte er einen Scherz, wobei nur er und seine Begleiterin zaghaft lachten.
Gerade wollte Steffi dazu ansetzen und ihrem Chauffeur mitteilen, dass sie noch etwas bleiben wollten und selber eine Mitfahrgelegenheit finden würden, als einer der Sanitäter ganz aufgelöst auf Steffi zu trat. „Entschuldigen Sie, haben Sie noch etwas Zeit? Seit sich Ihre Gruppe von dem Jungen entfernt hat, geht es ihm zusehend schlechter. Keiner kann sich darauf einen Reim machen. Außer Ihrer Gruppe hatte sich nichts verändert. Der Notarzt kämpft seit dem sogar um sein Leben.“
Der Fahrer und seine Begleiterin schnauften unwirsch und hörbar auf. Das reichte Steffi nun wirklich. An die beiden gewandt erklärte sie: „Ich schlage vor, sie beide fahren schon einmal zurück zur Klinik. Würden sie uns bitte auch beim Abendessen entschuldigen?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, oder seine Reaktion, wandte sich Steffi an die Rettungskraft: „Ich hätte nur eine Bitte. Schicken Sie die schaulustigen Leute alle weg. Dann helfen wir gerne, oder versuchen zumindest unser bestes.“
Die beiden hatten sich inzwischen zum Gehen umgedreht, nachdem sie sowohl Anka wie auch Peter nicht zum Mitkommen überreden konnten. Beide waren neugierig wie und ob Steffi dem Jungen helfen konnte. Peter fühlte sich andererseits auch ein wenig verpflichtet als Beschützer bei den beiden Frauen zu bleiben.
Von Anka wusste Steffi, dass sie ihr helfen konnte. Von Peter wusste Steffi bisher nicht einmal, dass er sich für Drachen interessierte. Und doch war etwas an ihm, dass Steffi seltsam bekannt vor kam.
Bevor sie noch mehr darüber nach grübeln konnte, waren sie zurück am Rettungswagen.
Von weitem hatte Steffi gesehen, dass das Kind heftig um sich schlug und nicht zu beruhigen war. Je näher sie dem Wagen kamen, desto ruhiger wurde der Knabe wieder. Das war sogar Steffi etwas unheimlich. Sie wünschte sich, Jens wäre schon hier. 'Ich bin gleich bei Dir, Liebes. Ich brauche nur noch einen Parkplatz.'
Es war schön und beruhigend die Präsenz von Jens zu spüren. Steffi musste sogar ein wenig schmunzeln. Aber gleich darauf wurde sie wieder ernst. 'Gleich hab ich einen Parkplatz. Unsere zwei Patienten fahren gerade zurück in die Klinik. Dort warten schon Mark und Kevin auf die beiden. Wir wollen doch nicht, dass sich zu viele Gerüchte verbreiten.' Steffi konnte das Lachen von Jens geradezu hören zwischen seinen Gedanken. 'Ihr könnt schon anfangen. Ich bin gleich bei euch.'
Steffi nickte Anka und Peter aufmunternd zu. Dann fasste sie Anka und Peter jeweils an der Hand. Sie standen so, dass sie den Jungen in ihrer Mitte hatten. Steffi hoffte, dass man ihr nicht anmerkte, dass sie noch nicht so oft Energie direkt und bewusst an Fremde weitergegeben hatte. Aber sie spürte, dass es richtig war, was sie taten.
Eine Bewegung in den Augenwinkeln und ein Kribbeln über den Rücken ließen sie aufsehen. Jens war da. Endlich. Dann konnte nichts mehr schief gehen.
Er grüßte wie selbstverständlich in die Runde und dann auch seine Patienten. „Hallo Frau Reimor, hallo Frau Müller und Ihnen auch ein hallo, Herr Narender.“ Steffi grüßte ihren Lebensgefährten ebenfalls und musste dabei gut schauspielern. „Hallo, Herr Mattens. Schön, dass Sie so rasch kommen konnten. Wir könnten Ihre Hilfe gut gebrauchen. Ich habe so eine Art Reiki zwar schon ein paar Mal angewendet, nur will es hier nicht wie gewohnt funktionieren.“ Herr Mattens stellte sich den Rettungskräften und den Eltern als Physiotherapeut der Klinik vor und ließ sich vom Arzt alles wesentliche berichten. Dabei schaute er Steffi in die Augen und nickte immer wieder mit dem Kopf.
Nur an Steffi gewandt meinte er: 'So wie ich das sehe, war der Junge schon mehr tot als lebendig als wir ihn aus dem Wasser gezogen haben, und Du hast ihm das Leben gerettet, indem Du instinktiv etwas von Deiner eigenen Lebensenergie auf ihn übertragen hast, Steffi. Ich wusste gar nicht, dass Du das schon kannst.' Steffi traten Tränen in die Augen als sie antwortete: 'Offensichtlich muss ich etwas falsch gemacht haben, denn er wacht trotzdem nicht mehr auf.' Jens würde am liebsten seinem Impuls folgen und seine geliebte Steffi in den Arm nehmen...
'Und warum tut ihr es dann nicht?' Eine völlig fremde weibliche Stimme hatte sich unvermutet und zögerlich in das gedankliche Zwiegespräch eingemischt. Jens und Steffi blickten Anka überrascht an, und auch Peter schaute fragend in die Runde. Jens und Steffi dachten beide das gleiche: 'Könnt ihr uns etwa hören und verstehen?' Peter nickte mit dem Kopf, von Anka kam ein deutliches 'ja. Allerdings kann ich Steffi schon seit vorhin hören, und Dich … Sie … seit wir uns an den Händen gefasst haben.' Peter nickte wieder. Man sah ihm an, dass er auch gerne laut gedacht hätte.
Jens fasste sich als erster wieder. Praktisch wie er war, dachte er für alle: 'Schön, wenn wir uns nun alle so gut „verstehen“...' Ein Grinsen wegen der Zweideutigkeit konnte er sich dennoch nicht verkneifen. '… und damit die bezahlten Retter, nebst Familie, sehen, dass es sich lohnt zu warten... Lasst uns beginnen.' Nun war Jens eifrig dabei alle umzustellen. Sogar die Rettungskräfte verbannte er vor den Wagen zur Familie, die einen Kreis um den Rettungswagen machen sollte. Für die Insider gab er bekannt: 'Dadurch, dass wir hier keinen direkten Kraftpunkt haben, müssen wir uns selber einen schaffen. Die dort draußen brauchen wir eigentlich nicht dazu. Aber es hebt die Stimmung und hilft der Moral, wenn sie hinterher sagen können, dass sie wesentlich mit geholfen haben.'
Jens dachte einfach an alles, Steffi lächelte. Auch dafür liebte sie ihren Partner. 'Steffi hat schon ohne uns angefangen,' grinste Jens und gab ihr einen zärtlichen Kuss. 'Du darfst Dich direkt zu dem Jungen stellen, Liebes.' Anka und Peter sahen den Kuss und grinsten sich gegenseitig an. Da sie sich noch immer an den Händen hielten, drückte Peter die Hand von Anka wie zur Bestätigung. Anka wurde es ganz warm dabei. Sie mochte Peter, konnte aber nicht genau sagen warum. Dann fiel ihr wieder ein, dass er sie ja hören konnte.
Verlegen und mit roten Wangen dachte sie: 'Ich mag Dich, Peter.' Er drückte ihr dafür bestätigend die Hand. Und weil ihm das nicht genug erschien, drückte er ihr noch einen Kuss auf die Wange. Jetzt war er jener, welcher auch rote Wangen hatte. 'Dann sind wir uns mal wieder einig,' meinte Jens lachend. Den Patienten in der Mitte schien es jetzt schon bedeutend besser zu gehen.
Peter flüsterte verlegen: „Was werden die da draußen von uns denken, wenn sie uns so sehen?“ Doch Jens schüttelte den Kopf. 'Die sehen uns nur im Kreis stehen und Händchen halten.' Er stellte sich nun zwischen Anka und Peter und bat sie, ihre Hände auf seine Schultern zu legen. Dann nahm er Steffis Hände, legte eine davon auf das Herzchakra des Jungen und legte seine Hand über ihre. Die andere Hand legte Steffi auf ihr eigenes Herzchakra, und Jens legte seine Hand wieder über ihre. Das übrige würde nun Mutter Erde erledigen.
Es dauerte nur einen Augenblick – ein paar Minuten für die Freunde im Wagen, und einen Lidschlag für die Umstehenden – dann öffnete der Junge die Augen und lächelte Steffi an: „... und ich heiße Roland Berger.“
Die Eltern hörten ihren Sohn reden und stürmten sofort überglücklich in den Wagen und an die Seite ihres Sohnes. Die Sanitäter konnten kaum glauben, was sie sahen. Nur der Notarzt erfasste mit einem Blick die neue Situation. Jens war sofort besorgt an die Seite seiner geliebten Partnerin gekommen.
Steffi war am Ende ihrer Kräfte. Die Heilung, das Ritual, hatte ihr alles abverlangt. Als der Notarzt Steffi helfen wollte, winkte sie sofort ab: „Sehen Sie bitte zuerst nach Roland Berger. Er ist immer noch Ihr Patient.“
Jens war stolz auf seine Gefährtin, aber auch sehr besorgt. Und wenn er ehrlich war, auch etwas wütend auf die Rettungssanitäter und die Eltern. Hätten sie Steffi noch einen kleinen Moment mit ihrem Sohn verbunden gelassen, dann hätte sie das Ritual schnell und ohne große Mühe zu Ende vollziehen können. 'Ein sonst harmloses, fast einfaches Ritual so lange zu verzögern...' er wollte den Gedanken nicht zu Ende denken. Seine Liebe gehörte seiner Partnerin. Darüber hatte er nun Gewissheit. Sie waren eng miteinander verbunden. Würde sie nicht mehr sein, wollte er auch nicht mehr leben. Sein Leben für ihr Leben.
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als er neben sich Anka und auch Peter sah. 'Wie können wir helfen?' Beide sahen noch recht blass aus. An jedem von ihnen hatte das Ritual Spuren hinterlassen. Statt einer Antwort nahm Jens beide in den Arm und dankte ihnen. 'Ihr habt etwas geleistet, das ich niemals von euch fordern würde. Ihr beide seid etwas ganz besonderes.' Anka wurde rot und Peter blickte verlegen zu Boden. Jens trat noch an die Eltern heran und gab ihnen eine Kontaktinfo mit den Worten: „Sollte wieder einmal etwas sein mit Roland, dann scheuen Sie sich nicht hier anzurufen. Ich werde dann umgehend verständigt. - Es kann sein, dass er sich in nächster Zeit vermehrt mit dem Mittelalter, Rittern und Drachen beschäftigt. Normalerweise verliert sich das wieder. Wenn nicht, bitte auch sofort Bescheid geben.“ Damit drehte er sich um und ließ die verdutzten Eltern stehen, bevor sie überhaupt reagieren oder ihm antworten konnten.
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Auruliyuth:
Anka und Peter
Jens nahm Steffi in seine Arme und trug sie aus dem Wagen. Die beiden anderen folgten schweigend. „Nur rasch weg von hier! Soviel Ignoranz habe ich schon lange nicht mehr gesehen!“ Steffi hatte ihren Arm um seinen Hals gelegt, um nicht zu schwer in seinen Armen zu liegen. „Steffi, wir brauchen Deine Hilfe. Du bist die Beste, wenn es darum geht Energieorte zu finden.“ Steffi nickte zustimmend, hob mit ihren letzten Kräften und all ihrem Willen prüfend die Hand. Dann deutete sie weg vom Rettungswagen, „dort vorn ist ein ziemlich großer Kraftort. Es sind jedoch ca. 200 m bis dorthin.“ Peter kam zu Jens und meinte: „Wenn wir beide Steffi in die Mitte nehmen, kommen wir schneller dorthin.“ Dankbar und bereitwillig ließ sich Jens von Peter helfen.
Der Platz den Steffi meinte, wurde rasch in einem Kreis von jungen Birken gefunden. Vorsichtig setzten sie Steffi ab, die fast sofort in einen einfachen Lotussitz zusammen sank. Steffi spürte die gewaltige natürliche Kraft der Mutter Erde. Sie stellte instinktiv eine Verbindung durch ihr Wurzelchakra zu dieser Urgewalt her und ließ die Energie durch ihren Körper strömen. Dabei zeigten sich ihre Flügel filigran Perlmuttfarben und durchscheinend.
Damit die unbändige Energie sie nicht sofort überflutete, sorgte Jens mit Unterstützung von Anka und Peter dafür, dass der Strom gleichmäßig und nicht zu viel auf einmal floss. Die beiden bestaunten überrascht und mit großen Augen Steffis Flügel. Alle vier ließen die reinigende Kraft durch sich fließen und tankten dabei ihre Reserven wieder auf. Wo die Energie ins Stocken geriet, löste Jens sanft die Blockaden.
Mit neuen Lebensgeistern gestärkt, sah Steffi in die Runde und bedankte sich bei allen. 'Ich danke euch für die Hilfe. Und vor allem danke ich für euer Vertrauen, Anka und Peter.' Anka nickte zustimmend. 'Ich find's toll bei so etwas großartigem dabei zu sein. - Und … Steffi? - Ich wusste gar nicht, dass Du auch Flügel hast. Ich finde sie großartig.'
Peter schaute Anka verdutzt an. 'Ich habe heute mehr gelernt und neues gesehen als die letzten 20 Jahre... - Anka? … Wieso 'auch'?' Jetzt sahen die anderen Peter überrascht an. Jens fasste sich als erster wieder. 'Glückwunsch, Peter. Das klappt ja schon ganz prima.'
Steffi, die vom Sitzen im kalten Schnee zu frieren begann, fragte bibbernd: „Können wir das bitte in der Klinik beim Abendessen bereden? … und natürlich auch von mir herzlichen Glückwunsch, Peter.“
Anka gab dem verdutzten Peter einen Kuss auf den Mund und meinte dazu: „Ich bin stolz auf Dich.“ Peter hätte Anka am liebsten sofort umarmt, aber er gab Steffi recht. Die hereingebrochene Dunkelheit hatte eine klirrende Kälte mitgebracht. Jens nahm seine Steffi in den Arm und Peter hielt Anka fest, als hätte er Angst sie wieder zu verlieren. Und gemeinsam liefen sie zum Parkplatz, der inzwischen fast verlassen da lag. Nur das Auto der Klinik, das sich Jens geborgt hatte, stand noch einsam da.
Schon von weitem schaltete er die Standheizung ein, damit es im Auto wenigstens etwas wärmer war als draußen. Im Auto war es dann auch bereits mollig warm, so dass alle ein wenig aufgewärmt waren bis sie in der Klinik ankamen.
Jens hatte unterwegs Kevin und Mark verständigt. Deshalb wartete Mark auch bereits auf sie. „Bitte hier entlang, meine Damen und Herren,“ empfing er sie alle bereits am Eingang. „Darf ich bitten, Frau Reimor,“ ergänzte Jens formgerecht, distanziert und höflich. Ein Augen zwinkern verriet jedoch, dass er seine Rolle als Therapeut vor den anderen Patienten, die sich noch in den Gängen aufhielten, wahren musste. Steffi folgte ihm in gebührendem Abstand. Auch sie nahm wieder ihre Rolle als Patientin ein und tat so als würde sie die Therapeuten nur flüchtig von den Anwendungen her kennen. Anka und Peter folgten verdutzt und schweigend. Erst als sie in einem entlegenen großen Saal mit hoher Decke angekommen waren und die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, ließen Jens, Mark und Steffi ihre Masken wieder fallen.
Peter war verblüfft. „Wenn mich bis heute Mittag jemand gefragt hätte, ob ihr zwei zusammen seid, hätte ich das verneint und einen Eid drauf geschworen.“ Kevin mischte sich dazwischen und meinte lachend: „So ihr Turteltäubchen. Wenn jemand Hunger hat, das Essen ist fertig... und zum Glück muss niemand einen Meineid schwören,“ ergänzte er lachend.
Wie auf Kommando knurrten alle Mägen gleichzeitig unterschiedlich laut. Lachend setzten sie sich an den gedeckten Tisch. Kevin hatte sich viel Mühe mit der Zubereitung des verspäteten Abendessens gegeben. Aber es war auch zu köstlich.
Anka und Peter erzählten ein wenig von sich. Nichts musste beschönigt oder weggelassen werden. Denn jeder konnte die Gedanken des anderen lesen.
Jens ergriff nach dem Essen die Gelegenheit, und das ohne jede Vorwarnung. Er sprach in Gedanken zu Steffi ein paar sehr erotische Dinge, wohl wissend, dass jeder im Raum ihn verstehen konnte. Steffi rückte näher an ihn heran und kuschelte sich an ihn, verhielt sich ansonsten jedoch ruhig, als ob nichts gewesen wäre. Nur in ihren Augen konnte man ein erregtes Glitzern erkennen. Jens lächelte sie daraufhin an, küsste sie zärtlich auf den Mund und strich ihr sanft durchs Haar.
Die Reaktionen der anderen waren unterschiedlich. Kevin und Mark schmunzelten nur. Sie wussten, dass dies eine Art Probe war. Jens wollte wissen, wie die beiden Neulinge auf Provokationen reagieren würden.
Anka war rot angelaufen und rutschte unruhig hin und her. Sie versuchte ihre aufkommende unkontrollierbare Hitze der Erregung unter Kontrolle zu bekommen. Was ihr nicht besonders gut gelang, zumal sich ihre Flügel plötzlich wieder zeigten.
Peter war ebenfalls ganz heiß und unruhig geworden, und eine verräterische Röte zog sich über sein Gesicht. Doch bevor noch mehr bei ihm passieren konnte, machte sich schlagartig Ernüchterung breit, als er schockiert auf den Rücken von Anka starrte und entgeistert auf ihre Flügel zeigte. „Du... Du hast ja auch Flügel?! … Wer oder was seid ihr alle?! … Bin ich von lauter Freaks umgeben?!“ Peter sprang entrüstet auf, blickte wild um sich und bombardierte sie mit Fragen und wilden Spekulationen. Anka war ganz blass geworden und in sich zusammen gesunken. Sie fühlte sich plötzlich leer und zurückgestoßen.
So wie ihre Flügel wieder verschwunden waren, so war auch die Stimmung mit einem Mal dahin; betretenes Schweigen von Mark und Kevin. Steffi war besorgt aufgestanden und zu Anka gelaufen, um sie zu trösten und notfalls zu beschützen. Jens hatte ebenfalls nicht mit solch einer heftigen Reaktion gerechnet. Der Schuss war definitiv nach hinten losgegangen. Keiner konnte nach diesem Abend im Schwenninger Moos vermuten, dass Peter überhaupt keine Ahnung hatte, was in seinem Innersten schlummerte. Und um diesen Schlummer zu durchbrechen, hätte eine heftige Reaktion – egal welcher Art - genügt.
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Auruliyuth:
Die Herausforderung
Peter würdigte Anka keines Blickes mehr. Er hatte sich nun mit Jens angelegt, den er für ebenbürtig hielt.
„Und?!“ Herausfordernd stand er vor Jens und hatte seine Umgebung quasi vergessen.
Jens hatte nun die Wahl. Entweder ließ er Peter gehen, ohne ihm gesagt zu haben, wer oder was er ist. Dann würde es für alle umso schwerer werden Peter erneut zu überzeugen. Oder er stürzte sich auf Peter und machte ihn solange mürbe, bis ihm gar nichts anderes übrig blieb als sein Schicksal anzunehmen. So oder so hatte Peter im Moment mehr von einer tickenden Zeitbombe als allen lieb war.
Jens ging in die Offensive. „Nein!!“ grollte er ihm förmlich entgegen. Steffi kannte ihren Partner gut genug, dass sie sah wie beherrscht er noch da stand. Über Peter Narender wusste sie so gut wie gar nichts. Er war meistens so ruhig, dass man fast vergaß, dass er auch noch da war. Sie überlegte fieberhaft und durchforstete all ihre Gedanken. Sie wusste, dass sie etwas übersehen hatte. Sie akzeptierte zwar Jens' Entscheidung, dennoch suchte sie nach weniger dramatischen Alternativen.
Anka meldete sich zögerlich. „Peter...“ Sie hatte gespürt, dass Steffi Peter helfen wollte – so wie sie spürte, dass eigentlich alle ihnen helfen wollten – aber niemand kam mehr an ihn heran. Niemand, außer Anka vielleicht. Peter sah sich irritiert und wütend um. Anka ignorierend trat er noch einen Schritt auf Jens zu. Dieser war es, der ihm in seinen Augen alles genommen hatte, die Sicherheit und seine Freundin.
„Was heißt hier 'nein'?! - Ich will Antworten!“ schrie er fast schon. Anka war ebenfalls ein paar Schritte auf Peter zugelaufen. Sie setzte immer noch alles daran ihn nicht zu verlieren. „Peter... bitte ...“
Jens blieb beherrschend und aufrecht stehen. „Ich erkläre grundsätzlich nichts, wenn man mich anschreit!“ Dann drehte er sich um, um den Saal zu verlassen. Peter war die Antwort jedoch nicht genug. Er war mehr verwirrt als verärgert. Und obwohl er Angst vor der Wahrheit hatte, konnte er diese Ungewissheit und dieses Versteckspiel nicht mehr ertragen. „Stopp! Ich will Antworten! Und zwar jetzt sofort!“ Langsam wich die Verwirrung einer ohnmächtigen Wut.
Jens drehte sich auf dem Absatz um, und einen Lidschlag später stand an der Stelle von Jens jener imposante Drache aus dem Moos, hoch aufgerichtet und flügelschlagend. Er fauchte Peter herausfordernd an, dass dieser vor Schreck mehrere Schritte zurück weichen musste. Dabei stieß er unbeabsichtigt gegen Anka, die ebenfalls überrascht nach hinten auswich.
Mark, Kevin und Steffi hielten sich zurück. Steffi fasste Anka an der Schulter und bedeutete, ihr zu folgen. Diese Auseinandersetzung war wichtig für Peter. Jens reizte ihn noch weiter und warf ihm verhöhnende Gedanken entgegen. Der junge Mann wich immer weiter zurück, bis er mit dem Rücken zur Wand stand. Er war im wahrsten Sinne des Wortes in die Enge getrieben worden. Wenn er jetzt klein bei gab, hätte er nicht einmal mehr genug Selbstachtung um Anka je wieder unter die Augen zu treten.
Jens lauerte mit glühendem Blick vor Peter und provozierte ihn weiter mit seinem heißen Atem und gezielten Flügelschlägen. Ein Glück, hatten sie den Raum groß genug gewählt und vorher noch präpariert, obwohl diese Aktion so ganz und gar nicht geplant gewesen war.
Peter fühlte sich wütend, frustriert, gedemütigt und ängstlich. So wollte er sich aber nicht mehr fühlen! Er wollte frei sein von alldem! Deshalb war er auch in die Klinik gekommen. Und nun war da einer, der all das verkörperte, was er gerne werden wollte. Und ausgerechnet von diesem, den er schon als Vorbild betrachtet hatte, wurde er nun vor der Frau, die er liebte, gedemütigt und verspottet.
„Nein! - Das will ich nicht! - Lass mich in Ruhe!“ Peter schrie, nein, er brüllte die Worte, oder so etwas in der Art, Jens entgegen.
Er spürte kaum, wie er sich veränderte und größer wurde. Er merkte nur, dass er plötzlich anders sehen konnte, schärfer. Und er fühlte sich mit einem Mal mächtiger. Jetzt konnte er sich diesem Jens-Argus stellen! Jetzt konnte er Paroli bieten! Schon sprang er leichtfüßig auf allen Vieren in Lauerstellung – so als hätte er nie etwas anderes gemacht. Sollten die nur kommen. Er würde ab sofort mit allem fertig werden.
Er brüllte den Drachen gegenüber herausfordernd an. Dieser antwortete ebenso kraftvoll, jedoch lange nicht mehr so herausfordernd. Aber dennoch Respekt einflößend. Die drei Freunde und Anka hatten den Kräftevergleich bisher gespannt verfolgt. Anka schrie überrascht auf, als sich ihr Peter in einen großen, mächtigen silbernen Drachen verwandelte.
Anka hatte vorher schon Angst um Peter gehabt, dass ihm etwas passieren könnte. Doch jetzt war die Angst um ihn mit seiner Größe gewachsen. Sie wollte... sie musste helfen. Doch Anka merkte, dass sie von Steffi zurück gehalten wurde. „Lass mich los, ich muss zu ihm!“ Steffi hielt sie mit eisernem Willen zurück und erklärte: „Du kannst ihm so nicht helfen! In Deiner jetzigen Gestalt und Größe würde er Dich übersehen und versehentlich verletzen!“ - „Niemals! Peter würde mich niemals verletzen! - Da bin ich mir ganz sicher.“ Anka hatte den letzten Satz mehr geflüstert und zu sich selber als Bestätigung gesagt.
Der Kampf der beiden Drachen nahm immer größere Ausmaße an. Steffi glaubte, Anka für einen Moment allein lassen zu können. Deshalb ging sie zur anderen Seite des Saals und öffnete vorsichtshalber die gewaltigen Flügeltüren ins Freie.
In dem Moment als keiner zu ihr hinsah, stürmte Anka in ihrer Verzweiflung vor und zwischen die beiden Drachen. Einen Plan hatte sie keinen, aber die Hoffnung, dass sie endlich aufhören würden zu kämpfen, wenn sie mit ihnen reden würde.
Steffi sah zu spät, was Anka vor hatte. „Anka! - Nicht!“
Die beiden kampflustigen Drachen bemerkten Anka zu spät. Sie hatten sich kleine glühend heiße Feuerbälle zugeschossen, die jedoch ihrer gepanzerten Haut nichts anhaben konnten. Steffi sprang augenblicklich als Drache Albino zwischen die Beiden und schützte Anka, die bewusstlos und getroffen am Boden lag, mit ihrem Körper. Anka hatte zum Teil üble Verbrennungen abbekommen, als sie einer der ätzenden Feuerbälle getroffen hatte. Albinos Augen funkelten wie Rubine und in ihrem Brüllen lag Wut und Verzweiflung. Wie konnte sich Argus nur auf so etwas gefährliches und in ihren Augen unsinniges Einlassen, da sie eh schon so wenige waren.
Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, stattdessen schob und stupste sie beide Drachen nach draußen. 'Geht und kühlt euch erst mal ab. Und bekommt wieder einen klaren Kopf. Ihr habt für heute genug angerichtet!' Und an Mark gewandt: 'Kannst Du auf sie aufpassen? Das wäre nett, danke.' Mark nickte. Auch er pflichtete Albino bei, dass beide zu weit gegangen waren. 'Ich pass' auf sie auf und halt sie aus dem Radar,' meinte Eagle, bevor er den beiden aus dem Saal ins Freie folgte.
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Auruliyuth:
Silberflügel
Kevin war inzwischen zu Anka gelaufen, um zu sehen wie schlimm ihre Verletzungen waren. Steffi wurde wieder menschlich, kaum dass die drei weg geflogen waren. Ihre Besorgnis war größer als ihr Zorn. Sie hatte Tränen in den Augen als sie Anka wie tot am Boden liegen sah. Sie war noch nicht soweit gewesen. Und wer weiß, ob sie sich nach diesem Vorfall je in einen Drachen verwandeln wollte. Es war in ihr, das spürte Steffi nun ganz deutlich. Aber sie spürte auch die menschliche Seite, die noch um einiges stärker war.
Steffi kniete neben Kevin und wischte sich die Tränen ab. Kevin unterbrach einen Moment was er gerade tat und nahm Steffi tröstend in den Arm. „Ihm wird schon nichts passieren. Er weiß, was er tut. Auch wenn es von unserer Sicht aus nicht richtig erscheint.“ Steffi nickte und fühlte sich in der Umarmung nicht mehr so allein und hilflos. „Danke. Vermutlich hast Du recht. Ich fühle mich nur immer so hilflos, wenn ich selber nichts dabei helfen kann.“
Kevin hatte die meisten der Verbrennungen bei Anka bereits beseitigt. Überrascht fragte Steffi: „Wie...“ Doch in dem Augenblick sah sie mit was Kevin die Brandwunden behandelte. „Ach ja, Deine Phönixtränen.“ „Ich hab immer welche dabei,“ grinste Kevin viel sagend und tippte bestätigend an sein Auge.
„Es ist von Vorteil immer welche parat zu haben. Eigentlich hätte ich deshalb auch als niedergelassener Arzt praktizieren können. Nur, dann wäre ich durch meine Patienten an einen Ort gebunden gewesen. Und seit ich Mark, und dann Jens, kenne, bin ich fast ständig unterwegs.“
Steffi hörte aufmerksam zu und nickte immer wieder. Während er die äußeren Wunden versorgte, kümmerte sie sich um die inneren Wunden. „Wenn ich Dich richtig verstehe, würdest Du Dich gerne irgendwo niederlassen und nicht ständig reisen müssen?“ deutete Steffi an. Kevin nickte. „Wobei ich trotz allem gerne mit euch allen unterwegs bin. Aber ich wüsste auch ganz gerne, wo ich zu Hause sein kann.“
Anka regte sich und erwachte aus ihrer Ohnmacht. „Was ist passiert?“ Sie sah Steffi und Kevin fragend an. Dann trat ein Erkennen in ihre Augen. „Ich wollte, dass sie aufhören sich zu streiten. - Und alles nur wegen meiner Flügel... - Ich wollte, ich hätte sie nie bekommen!“
Steffi lenkte ein: „Du bist ohnmächtig geworden. Und der Streit hätte früher oder später eh statt gefunden. Hier ging es nur noch um Dominanz. Und was Deine Flügel angeht... ich finde, diese rot goldenen Flügel stehen Dir sehr gut.“
Steffi kam eine Idee.
„Wie fühlst Du Dich, Anka?“ fragte sie besorgt mit einer Spur von Neugier. „Als wäre ich von einer Feuerkugel getroffen worden,“ lachte Anka noch etwas gezwungen. „Wenigstens hast Du Deinen Humor behalten,“ meinte Kevin anerkennend. „Steffi, was hast Du im Sinn? Ich möchte nicht gleich wieder jemanden zusammen flicken müssen.“
Kevin wehrte mit den Händen ab, lachte jedoch dabei. Anka begriff: „Kevin, Du bist der Phönix, stimmt's? Dann hast Du mich mit Deinen Tränen geheilt? Man sagt, Phönixtränen haben eine heilende Wirkung.“ „Jap, hab ich gern gemacht. - Aber jetzt lass hören, Steffi, was Du vor hast.“
„Nun, solange die drei nicht zurück sind, könnten wir doch auch einen kleinen Ausflug machen,“ meinte Steffi geheimnisvoll. Anka sah sie ungläubig an. „Wie? Ausflug? Mitten in der Nacht? Das fällt doch auf, wenn wir nachts einfach wegfahren.“
Steffi grinste bei dem Gedanken. „Klingt interessant und irgendwie logisch, aber machen wir es lieber auf meine Art. Hilfst Du uns dabei, Kevin?“ Kevin verstand sofort. „Auf Dir oder auf mir?“
Anka begann zu begreifen, was Steffi mit ihr vorhatte. „Steffi, ich kann das nicht!“ Steffi sprach ihr Mut zu. „Du musst auch selber noch nicht fliegen. Du steigst einfach bei mir auf. Den Rest mache ich dann schon.“
Anka sah sehr kritisch und ängstlich aus. „Ich weiß nicht.“ Kevin half noch etwas zu überzeugen. „Wenn es für Albino nicht zu viel wird, kann ich ja mit aufsteigen und Dich festhalten. Wäre Dir das sicherer?“ Anka nickte zögernd.
Und an Steffi gewandt: „Wenn es Dir zu viel wird, können wir ja umdrehen. Wir werden auf jeden Fall vor den anderen beiden zurück sein.“ „Stimmt. Und Argus muss es ja nicht wissen. Jedenfalls nicht sofort. - Ich denke euer beider Gewicht dürfte kein Problem darstellen.“
Mit diesen Worten verwandelte sich Steffi erneut in eine beige, Perlmutt schimmernde westliche Drachin.
Kevin und Albino halfen Anka auf den Drachen zu steigen, indem sie ihr zeigten, wo sie am besten Halt fand. Kevin sprang mit zwei drei Sätzen hinterher und setzte sich hinter Anka vor Albinos Flügel.
Er zeigte ihr noch, wo sie sich am Drachen festhalten konnte. „Hier am Hals kannst Du Dich gut festhalten. Die Schuppenplatten liegen übereinander und bieten genug Halt dazwischen. Und Deine Schenkel eng anlegen, damit Du Dich halten kannst. Bis Du ein Gefühl dafür bekommst, bleib ich dicht hinter Dir sitzen.“
Anka war sich plötzlich gar nicht mehr sicher, ob sie das wirklich wollte oder überhaupt durchstehen konnte. Der Boden war mit einem Mal so weit da unten. Und die Schuppen waren zwar hart, aber unheimlich warm.
Als Albino ihren Kopf nach hinten drehte, um sich eine Bestätigung abzuholen, sah sie eine verunsicherte Anka blass an. 'Das wird ein ganz kurzer Flug, versprochen. - Wenn Du es nicht wenigstens einmal probierst, kannst Du nicht sagen, ob es Dir gefällt.' Anka nickte zögernd.
Steffi betrachtete dies als Signal und stieß sich mit Schwung von der Terrasse ab. Zunächst zog sie das zusätzliche Gewicht wieder nach unten. Doch mit ein paar zusätzlichen Flügelschlägen gewannen sie rasch an Höhe.
Kevin mahnte: 'Gib auf Deine Höhe acht. Bleib möglichst unter dem Radar.' Das hätte Albino fast vergessen. 'Danke.' Sie ließ sich rasch etwas abfallen und bekam sofort Rückmeldung von Anka durch einen überraschten Aufruf. Doch Kevin hielt Anka fest, so dass sie sicher saß und keine Chance hatte zu fallen.
Nach ein paar Minuten dahin gleiten fühlte sich Anka schon sicherer und hielt sich nicht mehr ganz so verkrampft fest. Kevin rückte ein Stück nach hinten, bis er sah, dass Anka allein zurecht kam. Sie war ein richtiges Naturtalent.
Kevin setzte sich auf seine Knie und dann in die Hocke.
Anka schien der Ritt richtig Spaß zu machen. Sie drehte sich um, weil sie Kevin nicht mehr spürte. Sie fühlte sich inzwischen so sicher auf Albino, dass es ihr nichts ausmachte. Als sie sich wieder umdrehte, war Kevin gerade dabei sich zu verwandeln und fallen zu lassen.
Anka war deswegen so überrascht, dass sie sich beinahe auch hätte fallen lassen. Albino spürte, wie Anka auf einer Seite ins Rutschen kam. Sofort glich sie dies durch eine Kurve aus. 'Das wäre beinahe schief gegangen,' meinte sie erschrocken. 'Ach was. Das hast Du gut gemacht. - Dafür, dass Du, Anka, zum ersten Mal auf einem Drachen sitzt, machst Du das hervorragend.' Phönix war voll des Lobes und flog munter um die beiden herum. 'Danke. Aber hätte Steffi … ich meine Albino … nicht sofort reagiert, hätte ich mich nicht mehr festhalten können.'
Anka schlang mutig ihre Arme um Albinos Hals. Dazu musste sie sich weit nach vorne beugen. Sie stellte fest, dass sie so auch gut fliegen konnten. Dann richtete sie sich wieder auf und sah sich um. 'Och, schade. Jetzt sind wir gleich wieder zurück. Können wir nicht noch eine Runde fliegen? Bitte.'
Albino schüttelte den Kopf. 'Wir wollten rechtzeitig vor den anderen zurück sein.' Anka fügte sich und genoss die letzten paar Minuten im Flug. Phönix war nicht mehr zu sehen.
Kaum am Boden, ließ sich Anka vom Rücken gleiten, und wäre beinahe umgeknickt, weil ihr noch das Gefühl in den Beinen fehlte. Zum Glück hatte sie sich noch an der Pranke des Drachen abstützen können. Gleich darauf stand auch Steffi wieder neben ihr. Anka fiel ihr begeistert und mit noch weichen Knien um den Hals. „Das war einfach himmlisch. Danke, danke, danke.“ Steffi fiel fast um, so überschwänglich wurde sie gedrückt. Sie freute sich mit Anka. „Schön, wenn es Dir gefallen hat, Anka. Vielleicht möchtest Du auch selber einmal...“ „Nein, nein. Das traue ich mich niemals. Aber wenn Du dabei bist, habe ich keine Angst mehr,“ gestand Anka voll Zuversicht.
Steffi beließ es dabei und ging in den wärmeren Saal zurück. Sie wollte Anka jetzt nicht überfordern. Sie fand eh, dass der Tag für alle lang und aufregend genug gewesen war. Ein Glück, konnten sie morgen länger schlafen.
Phönix kam herein geschwebt und verwandelte sich gleich zurück in Kevin. „Sie sind gleich zurück.“ Rasch begann er aufzuräumen, und die beiden Frauen halfen fleißig mit.
Eagle kam ebenfalls herein gesegelt und stand als Mark da, kaum dass er den Boden berührt hatte. Wortlos kam er Kevin und den Frauen zu Hilfe.
Die beiden Drachen landeten draußen und standen sich anschließend, noch leise unterhaltend, als Jens und Peter gegenüber.
Anka hielt es drinnen nicht mehr aus. Sie musste Peter wiedersehen und brauchte Gewissheit. Egal was vorher war, das war vorbei. Zumindest für sie. An der Tür zur Terrasse kamen ihr leise Zweifel. 'Was, wenn er bei seiner Ablehnung bleiben würde und nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte? … Freaks hatte er sie genannt...'
Weiter kam sie nicht in ihren Überlegungen. Peter hatte sie gesehen und war sofort besorgt auf sie zu gestürmt. „Anka... es tut mir so leid, Liebes.“ Sie atmete erleichtert auf. Er sah sie an und küsste sie zärtlich. Er strich ihr sacht über das Gesicht. „Deine Verbrennungen? Wie kommt das? Sie sind – weg! Ich mache mir große Vorwürfe. Das hätte nicht passieren dürfen...“ Er war verwirrt, froh und dankbar. 'Ich hab so jemanden wie Dich gar nicht verdient, Liebste.' Er sah sie nur liebevoll an, sandte ihr diese Gedanken und konnte sein Glück kaum fassen. Anka lächelte ihn an und erwiderte zärtlich: 'Du hast genau mich verdient. So lieb bin ich gar nicht immer. Ich kann auch ziemlich kratzbürstig sein.' - „Meine Verbrennungen? Die hat Kevin mit seinen Phönixtränen geheilt. Und anschließend sind wir drei noch geflogen. Es war einfach nur himmlisch!“
Anka merkte erst als es nach ihrem letzten Satz totenstill wurde, was ihr da raus gerutscht war. Sie sah Steffi und Kevin zerknirscht an: „Entschuldigung...“
Jens drehte sich zu Steffi um. Er hatte einen undefinierbaren traurigen Ausdruck in seinen Augen. Sein Gesicht war ausdruckslos und blass geworden. Steffi schaute entsetzt und ängstlich erst Anka, dann ihren Partner an. „Jens... es tut mir leid...“
Jens drehte sich tonlos und unsagbar traurig zu Peter: „Würdet ihr bitte zu Bett gehen? Es war ein ereignisreicher Tag, der uns allen sehr viel abverlangt hat, und es ist schon ziemlich spät.“ Peter nickte kommentarlos. Dann nahm er Anka an der Hand und schob sie vor sich zum Saal hinaus. Im hinaus gehen drehte sich Anka noch zu Steffi um. 'Ich wollte nicht, dass Steffi jetzt wegen mir Ärger bekommt. Wenn ich doch nur erklären könnte warum, oder wenn ich sagen könnte wie viel Spaß es gemacht hat so zu fliegen. Sie wollte mir doch nur zeigen, wie herrlich frei man sich im Flug fühlen kann.'
Peter machte die Tür hinter ihnen zu und die vier waren alleine. Bevor Jens seiner Besorgnis Ausdruck verleihen konnte, legte Kevin seine Hand beruhigend auf seine Schulter. „Hol erst einmal tief Luft, Jens.“ Jens, von Kevin völlig aus dem Konzept gebracht, setzte sich hin und holte tief Luft. Dann blieb er immer noch ausdruckslos und ohne Regung sitzen und machte auch keine Anstalten gleich mit was auch immer zu beginnen.
Steffi fand diese Bestrafung noch schlimmer, als wenn er seinen Unmut laut hinaus gebrüllt hätte. Steffi versuchte es leise mit einer Erklärung. „Ich hätte Dir später alles erklärt. Ich finde auch, wir hatten für heute mehr als genug Aufregung. Aber wenn Du es wünschst, erzähle ich gleich was passiert ist.“
Jens blieb weiter reglos sitzen. Nein, da war eine Regung, wenn man genau hinsah. Jens hatte Tränen in den Augen. Steffi lief besorgt zu ihrem Liebsten hin und umarmte ihn zärtlich. Tonlos sagte er: „Ich habe gehört, was Anka noch sagen wollte.“ Kevin und Mark waren ebenfalls dazu gekommen. „Ich kann Dir zeigen, was sie damit gemeint hatte,“ Steffi nahm beide Hände von Jens in ihre, dann legten Kevin und Mark ihre Hände darüber. Sie teilten nicht nur die Freuden miteinander, sondern auch das Leid.
Zuerst zeigte Kevin die Kampfszene und die Verbrennungen von Anka. Jens sog die Luft scharf ein. Das hätte schlimmer ausgehen können. Dann zeigte Kevin, wie sie gemeinsam die Wunden versorgten und Anka wieder Hoffnung hatte.
Nun ließ Steffi den Flug darstellen, ohne etwas auszulassen oder zu beschönigen. Jens und Mark lief es gleichermaßen kalt den Rücken hinunter als Anka fast von Albino gefallen wäre. „Das darf Peter aber nicht wissen... oder wenigstens nicht gleich. - Übrigens, Peter hat seinen Drachennamen gefunden: Silberflügel.“
Jens war wieder versöhnt mit sich und der Welt. Kevin verstand Jens' Kummer nur zu gut. Er hatte in Steffi seine einmalige Partnerin gefunden. Keine andere würde besser zu ihm passen. Nun musste er sie nur noch wegen einer dauerhaften Bindung fragen und darauf warten, dass sie ihm möglichst bald eine große Schar Hatchlinge, kleine Drachenkinder, schenkte. Das konnte sie aber nur, wenn ihr nichts passierte. Er war um sie mehr besorgt als um sich selbst.
„Silberflügel.“ Steffi sagte den Namen wohlklingend. „Ich finde, der Name passt zu ihm.“
Die Freunde waren sich wieder einig und das Klima passte wieder. Nur Steffi war noch etwas nachdenklich.
Nachdem sie den Saal aufgeräumt und auch gleich für das anstehende Silvester heraus geputzt hatten, gingen sie auf ihre Zimmer. Jens verabschiedete Steffi noch mit einer innigen Umarmung und einem ausgedehnten liebevollen Kuss, bevor sie den Saal verließen.
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