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1  Taverne / Stammtisch / Re: Plauderwiese am: 29.Juli.2021, 17:51:57
Hallo Ari

Schön dich wieder zu sehen  Smiley
2  Taverne / Stammtisch / Re: Plauderwiese am: 26.Juli.2021, 21:20:04
Ich wünschte ich würde überhaupt einen job finden XD Ich hab extra eine schauspielausbildung gemacht aber die theater nehmen mich einfach nicht an und es gibt hier auch nicht so viele. Manchmal hab ich das Gefühl die bühne ist der einzige ort an dem ich meine gefühle im griff habe. Nur doof wenn man nicht spielen darf.

Meine beruflichen Wünsche gingen nach meinem Schulabschluss auch nicht sofort in die gewünschte Richtung.
Ich habe mich dann nach verwandten Berufsrichtungen orientiert.
Als Quereinsteiger hätte ich schließlich immer noch meinem Berufswunsch nachgehen können.

Heute bin ich zufrieden und einigermaßen glücklich mit dem was ich bin.
Und ich kann mich da, wo ich jetzt bin, trotzdem noch beruflich weiter entwickeln, wenn mir danach ist.


Vielleicht hast du die Möglichkeit selber etwas Kreatives auf die Beine zu stellen.
z.B. in einem Hinterhof bei Bekannten/Nachbarn, bei einem Sommerfest, oder von dir Aufgenommenes im Internet präsentieren.
Viele Künstler haben klein angefangen und sich nicht unterkriegen lassen.

Hab ein klares Ziel vor Augen (was will ich, was muss ich dafür tun, wie lange brauche ich dazu um mein Ziel zu erreichen) und glaube fest daran, dass du dieses Ziel erreichen wirst.
Ein echter Glaube kann Berge versetzen. Smiley

Triff den Nerv der Zeit.
Was bewegt aktuell die meisten Menschen in deinem Umfeld.
Beobachte und mach dir Notizen.
3  Taverne / Stammtisch / Re: Plauderwiese am: 16.Juli.2021, 21:03:09
*nach langer Zeit auf der Wiese landet und sich umschaut*

Als der lockdown ausgerufen wurde hieß es, man müsse unbedingt seine sozialen Kontakte reduzieren.
Habe ich wohl zu wörtlich genommen und mich auch virtuell zurück gezogen.

Habe Home Office eingerichtet, und dann einige Zeit später Büro und privat nicht mehr trennen können.
Jetzt bin ich seit Mitte Mai dieses Jahr zu Hause, aber krankgeschrieben. Sonst wäre ich vermutlich vom Stuhl gefallen.
Jemand (meine Chefin) meinte zuvor noch, ich solle meine Trainertätigkeit reduzieren.
Was passiert, wenn man bei der Arbeit das weg nimmt, was man am liebsten gemacht hat?!
Jetzt bin ich (auch auf Anraten meiner Chefin) bei einem Facharzt…
Arbeiten will ich wieder, aber nicht zu diesen Bedingungen.

Shadana, wenn du Freunde verloren hast, waren es vielleicht nicht die richtigen.
Echte Freunde lassen einen auch in schlechten Zeiten nicht allein.

*rollt sich im Schatten zusammen*
4  Vor den Toren / Begrüßung und Abschied / Re: Noch so n Typi am: 16.Juli.2021, 19:57:16
Hallo und willkommen,
oder bist du schon wieder weg/geflüchtet?

Oder hat sich ein großer Bewohner unwissentlich auf dich gesetzt/gelegt? *umher such*

Für uns Drachen spielt Zeit eine untergeordnete Rolle.
Wir haben ein anderes Zeitgefühl als Menschen oder andere Wesen.

Interessantes zu unserer Kultur findest du auch in einigen unserer Geschichten.

Liebe Grüße,
Auru
5  Vor den Toren / Begrüßung und Abschied / Re: Weißesfeuer was ist das denn für ein Name? am: 07.Februar.2019, 11:37:56
 Shocked
Hallo und willkommen
Ist zwar schon eine Weile her, dass du den Weg zu uns gefunden hast, daher hoffe ich, dass du auch wieder her findest. Für einen Drachen, meine ich, ist Zeit relativ.  Smiley

Meine Suche nach mir selbst ist ebenfalls noch lange nicht zu Ende.

Liebe Grüße,
Auru
6  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Namenlos (lediglich ein Entwurf) am: 05.Juni.2018, 22:28:50
Es gibt für "junge Schriftsteller" auch Plattformen, wo man seine Werke kostenlos hochladen kann.
Bewertungen bekommt man z.B. von anderen Autoren oder Lesern, die Spaß am Lesen haben.
Meine Geschichten findet man deshalb auch u.a. auf Wattpad.
7  Atelier der Bewohner / Galerie / Re: Meine Drachenbilder am: 05.Juni.2018, 22:24:32
Wow  whistling

Mir gefallen deine Bilder.

Es gibt keine "Standarddrachen". Jeder ist auf seine Art einzigartig  Grin
Und du zeigst das auf eine besondere Weise in deinen Bildern. ^^
8  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 05.Juni.2018, 21:48:13
Vielen Dank Smiley
Es freut mich, dass sie dir gefallen hat ^^
9  Vor den Toren / Begrüßung und Abschied / Re: Hallo meine Drachenfreunde am: 05.Juni.2018, 21:44:01
Hallo und willkommen in der DW.  Smiley

Als ich deine Seite las, dachte ich für mich, dass du möglicherweise auch eine Bereicherung für die Dragonworld sein kannst.

Fühle dich wohl hier und lebe dich ein  Grin

liebe Grüße
Auru
10  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Namenlos (lediglich ein Entwurf) am: 29.Mai.2018, 23:31:12
Zunächst einmal, für den Papierkorb finde ich grundsätzlich jede Geschichte zu schade.

Ein paar Fakten werden in dem Prolog bereits erwähnt und machen neugierig auf die nächsten Ereignisse. 
Damit kann man erzähltechnisch bereits einiges anfangen.

Was ist das Ziel deiner Geschichte?
Willst du da ansetzen, wo der Morgen beginnt, oder willst du von vergangenen Tagen und den Kriegen berichten?

Lass den Leser an deinen Gedanken und vor allem an deinen Bildern in deinem Kopf teilhaben.

liebe Grüße
Auru
11  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 29.Mai.2018, 22:39:27
Epilog

Ich verließ nach dem Abendessen mein Zimmer, in welchem ich noch ein aufgesetztes Schreiben möglichst auffällig auf den Tisch hingelegt hatte. Jens hatte mir noch ein paar Anweisungen gegeben, was mit meinem Gepäck und meinen persönlichen Sachen zu geschehen hatte.
Ein langer Brief mit einer plausiblen Entschuldigung an die Klinikleitung lag verschlossen im Zimmer auf dem Tisch. Direkt daneben befand sich das Schreiben worin stand, was mit meinem Gepäck passieren sollte.
Allerdings würde mich frühestens morgen früh jemand vermissen und dann anhand dieses Schreibens wissen, was zu tun sei. Den Abschlussbericht des Arztes und der begleitenden Therapeutin würde mein früherer Hausarzt bekommen. Da heute so oder so mein Abreisetag gewesen wäre, hoffte ich, dass ich durch meine vorzeitige Abwesenheit nicht zu viel Aufsehen erregen würde.

Frohen Mutes lief ich zum vereinbarten Treffpunkt am abgelegenen Strand. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, dass ich das richtige tat. Schade nur, dass ich so lange gebraucht hatte, um zu verstehen, dass Jens und ich untrennbar zusammen gehörten.

Schon von weitem sah ich meinen geliebten Argus in seiner prächtigen Drachengestalt sitzen. Seinen Kopf mit den fröhlich schillernden Augen hatte er mir zugewandt.
Ein Wechselbad der Gefühle hatte ich bereits hinter mir. Ich hatte mich endgültig entschieden.
In aller Eile lief ich glücklich auf ihn zu und bemerkte auch dieses mal nicht, wie ich immer wieder strauchelte und mich dabei unaufhaltsam in einen Drachen verwandelte. Endlich hatte das geklappt, was wir tagelang am Strand geübt hatten.
Er lächelte mir zu und sprach: „Ich liebe Dich, Steffi. Und ich habe schon mein halbes Leben lang nach Dir gesucht. Endlich habe ich Dich gefunden.“

...und gemeinsam flogen wir los... einer neuen Zukunft entgegen.

******************************

Falls dir meine Geschichte gefallen hat, so wäre ich über ein Feedback dankbar, und es würde mich sehr freuen. :-)
Fühle dich in eine andere Realität entführt und von mir wohlwollend umflügelt ^,',^

Wenn es das Schicksal will, werdet ihr Steffi und Jens irgendwann einmal wieder begegnen.

Bis dahin:
Lebe Deinen Traum ^v~

12  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 29.Mai.2018, 22:32:37
Kapitel 15 – Abschied von Malte

Malte traf ich in dem Café, wo wir uns schon einmal getroffen hatten. Er war bereits dort und hatte einen Tisch reserviert, der zwar etwas abseits stand, von dem man jedoch alles sehen konnte.

Kaum hatte er mich gesehen, war er freudestrahlend aufgesprungen. Seine Art hatte etwas herzlich erfrischendes und eine unkomplizierte Natürlichkeit. Es würde mir viel schwerer fallen als ich gedacht hatte. Für einen Moment wünschte ich mir Jens herbei.
'Soll ich kommen, Liebes?' war seine direkte gedankliche Antwort auf meinen Wunsch. Ich erschrak bei seiner direkten Art zu antworten. Ich musste möglichst rasch lernen, meine Gedanken bei mir zu behalten. Schnell dachte ich ebenso spontan als Antwort: 'Nein, Jens. Das ist lieb von Dir. Aber es wäre Malte gegenüber nicht fair. Ich möchte, dass er mich und diese Stunde in guter Erinnerung behält. Wenn ich gar nicht mehr weiter weiß, oder es mir zu schwer fällt, melde ich mich wieder.'
Ich wusste, er war in meiner Nähe. Doch niemals würde er in meine Gedanken ohne mein Einverständnis eindringen.

Malte kam auf mich zu und umarmte mich herzlich. „Schön, dass Du Zeit gefunden hast, Steffi,“ freute er sich. Er machte mir den Einstieg leichter als ich dachte. „Ja, das stimmt. In ein paar Tagen schon ist meine Reha leider wieder zu Ende,“ gab ich etwas traurig von mir.
Es stimmte ja, dass ich den Ort, die Leute und auch das Meer vermissen würde. Eine bedrückende Stille war eingekehrt. Keiner von uns beiden wusste, was er als nächstes sagen sollte. Zum Glück kam in dem Moment die Bedienung und brachte zwei Eiskaffee. Malte war einfach davon ausgegangen, dass ich das gleiche wie die letzten Male trinken würde. Das Kaffee war fast überfüllt und die Bedienung war um jede Erleichterung dankbar.

In Gedanken versunken rührte ich in meinem Eiskaffee und nahm einen Schluck davon. Ich blickte an den Leuten vorbei aufs offene Meer und sah den Möwen bei ihrem verspielten Flug mit dem Wind zu.
Es hatte sich damals so gut angefühlt als ich auf Argus' Rücken saß und meine Flügel im Wind gespürt hatte.
Malte hingegen betrachtete mich so als wollte er sich alles von mir genau einprägen. Zaghaft legte er seine Hand auf meinen Arm. „Steffi?“ Ich blickte Malte an und sah in seinen Augen einen hoffnungsvollen Schimmer.
„Steffi, könntest Du Dir vorstellen hier zu wohnen?“ Es fiel ihm offensichtlich nicht leicht zu sagen, wie sehr er mich mochte oder wie sehr er wollte, dass ich blieb. Ich überlegte einen Moment, wie ich ihm antworten sollte.

„Malte... so gern ich hier meine Tage verbracht habe, und so schön es hier auch direkt am Meer ist, ...“ begann ich. Doch er war bereits enttäuscht, weil er ahnte, was jetzt kommen würde. Er ließ deshalb von meiner Hand ab um Abstand zu gewinnen.
„... ich vermisse hier die Berge. Die unendliche Weite ist hier fast beängstigend für mich. Es gibt bei uns zwar auch eine Fernsicht, aber nur an manchen Tagen und man muss dazu hoch auf einen Berg oder eine Anhöhe steigen oder fahren.“
Malte schluckte schwer. Jemanden wie mich hatte er schon immer gesucht. Das war ihm aber erst aufgefallen, als ich im Krankenhaus gelegen hatte. Er holte tief Luft und nahm all seinen Mut zusammen. „Und wenn ich mit Dir mitkommen würde? Könntest Du Dir ein Leben mit uns zwei vorstellen?“

Ängstlich verharrte er vor mir und war sich gleichzeitig nicht sicher, ob er meine Antwort hören wollte. Denn insgeheim kannte er sie bereits. „Malte...“ Ich blickte ihn traurig an. Ich wusste gleichzeitig, dass ihn meine nächsten Worte tief verletzen würden. Dennoch hatte er die Wahrheit verdient zu hören.
„Ich mag Dich sehr, Malte. Du hast mir ein paar Mal aus brenzligen Situationen heraus geholfen, und ich meinte, ich müsste Dich vor Eagle beschützen. Aber für eine gemeinsame Zukunft braucht es etwas mehr als nur Zuneigung.“
In Maltes Augen war jeder Glanz erloschen. Er bemühte sich dennoch seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ich wusste nicht, wie ich ihn noch trösten konnte.

Jedes weitere Wort von mir war für ihn wie Öl ins Feuer gegossen. Sein Blick ging an mir vorbei ins Leere. Es fiel mir niemand ein, den ich hätte verständigen können, um nach Malte zu sehen.
Ich litt selber darunter, dass ich ihm nicht helfen konnte. Ich berührte besorgt seine Hand, die er jedoch fast sofort wieder weg zog. So als hätte er sich verbrannt. Nein, Mitleid wollte er keines haben!
Also nahm ich meine Tasche und meine Jacke vom Stuhl und stand leise auf. Ich griff zu meinem Geldbeutel, ließ dann aber wieder davon ab. Malte hatte kaum merklich den Kopf geschüttelt. Er wollte nicht, dass ich bezahlte. Dies war das letzte bisschen Würde, das ihm vor mir noch geblieben war.

Ich hätte mich gern richtig von ihm verabschiedet, aber er war noch immer so verschlossen. Deshalb gab ich ihm einen letzten Kuss auf die Stirn und ging aus dem Café hinaus.
Ich war so unsagbar traurig, dass Jens dies spürte und sofort besorgt nach dem Grund fragte. 'Ich glaube, ich habe gerade einen guten Freund verloren,' gab ich resigniert zu. 'Vielleicht wird das mit Malte ja wieder. Lass ihm etwas Zeit. Und wenn Du willst, können wir gemeinsam mit ihm reden. Auch wir würden einen Freund verlieren.'

Ich lief zu einer Bank auf dem Marktplatz, setzte mich und betrachtete versonnen den Brunnen, der vor sich hin plätscherte. Jens meldete sich erneut in meinen Gedanken. 'Kommst Du wieder zurück, Steffi?'
'Lass mich noch ein paar Minuten hier auf der Bank sitzen.' Ich folgte einer Eingebung. 'Wenn Du möchtest, Jens, kannst Du auch noch kommen.' Er sagte gleich zu und lief sofort los.

Ein paar Minuten später kam Malte niedergeschlagen aus dem Café heraus. Er schaute sich kurz um. Seine Miene hellte sich schlagartig auf als er mich sah. Und er kam dann direkt auf meine Bank zu.
Ohne Umschweife begann er: „Bin ich froh, dass ich Dich noch treffe, Steffi. Ich bin ein Ochse, dass ich mich nicht von Dir verabschiedet habe. Ich möchte wenigstens, dass wir gute Freunde bleiben.“
Ich war froh, dass sich Malte so rasch gefangen hatte. Dieser Schritt musste ihm auch unheimlich schwer gefallen sein. „Ich möchte auch, dass wir gute Freunde bleiben, Malte,“ entgegnete ich. „Jens will auch noch bis in ein paar Minuten dazu kommen.“

Wir schwiegen beide wieder. Aber jetzt war es ein friedvolles, harmonisches Schweigen. Malte kam eine Idee, die er sofort darlegte. „Sag mal, Steffi, Hast Du nicht zufällig noch eine Schwester?“
Ich sah ihn ausdruckslos an und entgegnete tonlos: „Ja, ich hatte eine Schwester...“ Weiter kam ich nicht und konnte nicht mehr verhindern, wie mir die Tränen über mein Gesicht liefen.
Malte blickte mich ratlos und erschrocken an. Er wusste nicht, was er falsches gesagt haben sollte. „Steffi... ich... es tut mir leid, wenn ich Dich verletzt haben sollte.“ Vorsichtig streichelte er mir den Rücken, wodurch sich bei mir ein Teil meiner Anspannung löste.
Ich blickte kurz dankbar auf und weinte mich dann an seiner Schulter weiter aus. Ich war unfähig zu antworten. Ich weinte all die Tränen, die ich seit dem Flugzeugunglück nicht hatte weinen können. Es tat noch immer weh daran zu denken. Aber die befreienden Tränen halfen mir mit meiner Trauer besser fertig zu werden.

So fand uns wenig später Jens. Er fühlte den schmerzlichen Verlust meiner Schwester mit mir mit. Deshalb setzte er sich wortlos auf meine andere Seite, nachdem er Malte mit einem Handschlag stumm begrüßt hatte.
Ich wechselte meine Stellung und drehte mich zu Jens, um meine Trauer weiter verarbeiten zu können. Der Therapeut wusste um den Verlust der Familie und erklärte auf Maltes fragenden Gesichtsausdruck: „Steffi kam hierher in die Reha, weil sie erst vor kurzem ihre komplette Familie bei einem Flugzeugabsturz verloren hat: Vater, Mutter und ihre jüngere Schwester.“

Jetzt verstand Malte, was er bei mir losgetreten hatte. „Ich bin wirklich ein egoistischer Ochse. Aber der Allergrößte den es gibt,“ stellte er ohne Umschweife fest. „Woher hättest Du das wissen sollen?“ fragte ich entschuldigend und hatte noch immer ein paar Tränen in den Augen. Ich hatte mich soweit beruhigt, dass ich wieder ansprechbar war.
„Ich hätte nicht so egoistisch sein dürfen und hätte mich mehr für Dich interessieren müssen, Steffi. Ich war jetzt zwar sehr enttäuscht, aber wenn ich euch zwei so sehe, seid ihr das perfekte Paar. Ich wünsche mir nur zwei Dinge von euch. Bleibt immer zusammen, egal was passiert. Und, lasst uns gute Freunde bleiben.“

Jens versprach: „Ich lasse Steffi nie wieder los. Ich habe sie jetzt erst gefunden. Und bestimmt bleiben wir gute Freunde, Malte. Schließlich müssen wir zusammen halten.“
Malte atmete erleichtert auf.

*****
13  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 29.Mai.2018, 22:09:04
Kapitel 14 – Verhör im Krankenhaus

Viele Stunden später wachte ich in einem weißen Bett im Krankenhaus auf. Nach etwas bekanntem, vertrautem suchend, schaute ich mich langsam um. Jede Bewegung fühlte sich seltsam an. Nicht schmerzhaft, aber auch nicht wirklich gut.
Neben meiner rechten Hand lag die von Jens, der in einem Stuhl schlafend neben meinem Bett saß. Vorsichtig griff ich seine Hand.
Ich wollte ihn zwar nicht unbedingt wecken, aber es war mir ein Bedürfnis in seiner Nähe zu sein. Außerdem war ich froh, dass ausgerechnet er da saß. Dadurch fühlte ich mich gleich etwas besser.

Durch meinen sanften Händedruck wach geworden, schrak Jens fast hoch. „Du bist aufgewacht, Liebes... Steffi,“ verbesserte er sich sofort. Er hatte Versprochen mir die Zeit zu lassen, die ich brauchte, um mir über meine Gefühle klar zu werden.
Wir waren jetzt fast jeden Tag zusammen gewesen, Jens, Kevin, Mark und ich, so dass ich schon wie selbstverständlich zur Gruppe gehörte. Aber wie sehr ich Jens tatsächlich am Herzen lag, das erkannte ich erst in diesem Moment.
Ich selber wusste noch nicht so genau, was ich eigentlich wollte, daher drückte ich seine Hand nur dankbar.

„Wie lange habe ich geschlafen?“ fragte ich vorsichtig. Jens blickte sich zunächst um, wie um sich zu vergewissern, dass wir auch wirklich allein waren. „Du hast die ganze Nacht und den halben Morgen durchgeschlafen,“ begann er zögernd, und ich spürte, dass er noch mehr sagen wollte.
Stattdessen fügte er etwas lauter hinzu: „Die Kripo hat sich für Deinen Unfall interessiert. Deshalb bin ich der einzige, der im Moment zu Dir durfte. Weil ich nicht dabei war als es passiert ist.“ In Gedanken fügte er noch hinzu: „Wir haben nichts verraten, und Kevin hat so viel wie möglich geheilt, um die Spuren der Krallen von Eagle zu vertuschen.“
Sorgenvoll sah Jens mich an. Seine Sorge galt sowohl mir, wie auch dem Geheimnis, das uns alle umgab.

Bevor ich jedoch antworten konnte, wurde Jens aus dem Zimmer geschickt und ein älterer, drahtiger Kommissar betrat mit seinem jüngeren Assistenten das Krankenzimmer, gefolgt von einem Arzt in einem weißen Kittel. Der Arzt sah aus als hätte er seine besten Jahre ebenfalls schon hinter sich und lief in leicht gebeugter Haltung humpelnd hinterher.
Während die Gesetzeshüter oben zu meinen Füßen stehen blieben, kam der Arzt auf meine linke Seite, um mich eingehend zu untersuchen.

Polizeihauptkommissar Winnhusen stellte sich und seinen Assistenten Miller vor. Und dann kam er auch sofort auf den Punkt. „Frau Reimor, wir sind wegen Ihrem Unfall hier. Können Sie uns schildern, was passiert ist?“ fragte er dienstbeflissen, und sein Kollege notierte alles fleißig mit.
Ich überlegte, was ich erzählen konnte und was plausibel klingen würde. So wie ich die beiden einschätzte, war ihnen die bequeme und weniger gefährliche Variante lieber.
Mein Schweigen deuteten sie indes fälschlich für eine Gedächtnislücke. „Fällt Ihnen denn gar nichts mehr dazu ein, Frau Reimor?“ Mit leichter Ungeduld klopfte Winnhusen mit den Handknöcheln gegen das Bettgestell.
Das Klopfen machte mich nervös und ungehalten. Impulsiv fragte ich herausfordernd: „Wird das jetzt ein Verhör?!“ Der Doc, ein bedächtiger, Ruhe ausstrahlender Dr. med. Jürgen Schild, legte beruhigend eine Hand auf meinen Arm, bevor er sogleich den Blutdruck messen wollte.
Die beiden Beamte hatten davon nichts mitbekommen. Auf meine Frage kam wie aus der Pistole geschossen die Gegenfrage: „Wieso? Haben Sie denn etwas zu verbergen, Frau Reimor?“

Die schlagfertige Gegenfrage hatte mich überrascht. Schnell beeilte ich mich zu berichten, was ich mir zurecht gelegt hatte. Der Kommissar mochte zwar nicht so wirken, dennoch hatte er einen klaren Verstand und eine schnelle Auffassungsgabe. Hier musste ich mit meinen Worten vorsichtig sein.
„Ich bin wie jeden der letzten Tage an den Strand zum Schwimmen gegangen. Und weil außer mir noch keiner im Wasser war, habe ich mich mit einer Schwimmnudel auf dem Wasser treiben lassen. Dabei muss ich vergessen haben, dass die Flut auch Wasser zurück nimmt. Und dadurch bin ich leider immer weiter abgetrieben.“
Der Assistent schrieb eifrig mit. Ich machte eine Pause, um meine nächsten Worte zu überdenken. „Ich glaube, es hat mich dann eine besonders große Welle erwischt und unter Wasser gegen Felsen oder Steine gedrückt.“

„Und an mehr können Sie sich nicht mehr erinnern?“ Der Kommissar schien enttäuscht. Ich schüttelte den Kopf, suchte aber dennoch nach einer plausiblen Erklärung: „Ich glaube, mir ging unter Wasser die Luft dabei aus, als ich an die Steine gedrückt wurde.“
Ich malte mir die Szene aus und musste dabei so ein überzeugendes Gesicht gemacht haben, dass dem Assistenten die Worte entwichen: „Da haben Sie ja noch mal richtig Glück gehabt, dass zufällig ein Rettungsschwimmer in der Nähe war.“
Ich nickte stumm. Keiner sollte wissen was wirklich passiert war. Außerdem wollte ich, dass die Polizisten wieder gingen. Aber ich traute mich nicht etwas zu sagen.

Stattdessen packte Dr. Schild nun umständlich eine Spritze und ein paar Kanülen aus, um mir Blut abzunehmen. Kommissar Winnhusen zog die Augenbrauen hoch. Er hasste Spritzen. Und noch weniger konnte er Blut sehen, ohne dass ihm übel wurde. „Das sollte fürs Erste genügen, Frau Reimor. Halten Sie sich bitte zu unserer Verfügung.“
Er musste sofort raus hier, bevor ihn sein Würgereflex verraten würde, dass er keine Spritzen mochte. Sein Assistent klappte sein Notizbuch zu und grüßte ebenfalls. Gemeinsam verließen sie in dem Moment das Zimmer als der Doc die Spritze angesetzt hatte und mein Blut langsam in die Kanüle lief.

Sofort beendete Dr. Schild den Vorgang und meinte: „Gott sei Dank. Ich dachte, er wollte nie gehen.“ Ich schaute den Doktor überrascht an. „Sie mögen ihn nicht besonders? Und warum schmeißen Sie die Kanüle jetzt einfach weg? Brauchen Sie kein Blut von mir?“
Der Doc schüttelte den Kopf. „Ihr Blut würde im Labor nur für Verwirrung sorgen. Es enthält inzwischen das 'Fliegergen'.“ „Das Fliegergen? Gibt es so etwas?“ fragte ich verdutzt. „Die Menschen sehen es nur als defektes Gen, können es aber nicht zuordnen.“

„Die Menschen? Das heißt, Sie sind auch ein …?“ Ich war nur noch verwirrt. „Ja, ich bin auch ein Otherkin. Eine Schildkröte um genau zu sein. Ich kenne Malte, den Fisch, schon sehr lange. Sie hätten sich für ihn aufgeopfert, sagte er mir. Sie müssen ihn wohl sehr lieben. Oder habe ich da vorhin etwas anderes gesehen?“ fragte er Augen zwinkernd.

Der Doc war für sein Alter noch ziemlich neugierig. Aber gleichzeitig hatte er mir auch durch seine Fragen Klarheit verschafft. „Ich war mir bis jetzt nicht so sicher. Jetzt weiß ich endlich, was ich längst hätte tun sollen. Ich mag Malte sehr, aber mehr wird da niemals sein.“
Ich musste Jens suchen, und das am liebsten sofort. „Wenn Sie aufstehen können, dann spricht nichts dagegen,“ meinte der Doc wissend. „Ich glaube, er sitzt noch unten im Eingangsbereich bei den anderen.“ Verdutzt blickte ich Dr. Schild an. 'Konnte er etwa Gedanken lesen? Und wo waren die Polizisten hin?'
„Vor den Cops brauchst Du keine Angst zu haben. Die haben das Krankenhaus fluchtartig verlassen. Ich glaube, der eine kann keine Spritzen sehen,“ grinste Schild. „Und, ja. Wir können mit etwas Übung Gedanken lesen,“ ergänzte er entschuldigend.

Ich musste sofort zu Jens. Deshalb verabschiedete sich Dr. Schild gleich, damit ich mir rasch etwas überziehen konnte. Oben an der Treppe blieb ich einen Moment atemlos stehen. Die langen Flure und der Blutverlust hatten mich doch etwas angestrengt.
Jens spürte es mehr, als dass er sah, wie ich an der Treppe stand. Eilig stand er auf und lief mir besorgt ein paar Schritte entgegen. Nun hielt mich nichts mehr. Ich flog fast die Treppe nach unten und direkt in seine Arme.
„Jens. Entschuldige bitte!“ gab ich atemlos von mir. „Jetzt beruhige Dich erst einmal, Steffi. Und hole mal tief Luft,“ erwiderte Jens fürsorglich. Die anderen beiden, Mark und Kevin, kamen nun ebenfalls dazu.

„Was soll Jens entschuldigen?“ fragte Mark unbedarft und neugierig. Die Freunde hatten keine Geheimnisse voreinander. „Ich war so egoistisch, Jens, dass ich nicht einmal erkannt habe, wie sehr ich Deine Gefühle verletzt habe,“ erklärte ich Jens zerknirscht.
Jens wollte davon jedoch nichts wissen. „Ich liebe Dich, Jens. Das weiß ich jetzt sicher. Ich hoffe, Du willst mich noch?“ Diese bange Frage musste ich einfach stellen. Zu oft in den letzten Tagen hatte ich Jens einen Korb gegeben oder ihn auf Abstand gehalten.
Jens war nur glücklich, dass ich mich endlich doch für ihn entschieden hatte. Er hielt mich fest in seinen Armen und gab mir einen zärtlichen Kuss. „Du. Ich lass Dich jetzt nie wieder los.“

„Und wie hat es Malte aufgenommen?“ wollte Mark wissen. Betreten sah ich zu Boden. „Er weiß es noch gar nicht. Mir wurde erst vorhin klar, wie ich mich fühlen würde, wenn ich Jens verliere.“
„Eine gute Entscheidung, Steffi,“ gratulierte Kevin. „Wenn wir Dir helfen sollen, dann sag' uns das bitte.“ „Ich versuche das erst einmal selber zu regeln. Sollte ich dann damit nicht fertig werden, dürft ihr mir gerne helfen. Nur, ich finde, dass ich das Malte auch schuldig bin,“ bestand ich darauf.

Meinen Klinikaufenthalt musste ich auch noch beenden. Aber jetzt, nachdem ich eine Entscheidung getroffen hatte, fühlte ich mich wesentlich besser. Der Verlust meiner Familie fühlte sich noch immer schmerzhaft an, aber mit Jens und seinen Freunden hatte ich gleichzeitig eine neue Familie bekommen.
So ließ sich der Schmerz einigermaßen ertragen. Und irgendwann würde ich ihn vielleicht auch verarbeitet haben.

*****
14  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 29.Mai.2018, 21:53:14
Kapitel 13 – Ein Bad im Meer und Malte, der Fisch

Auch diesen Nachmittag verbrachten wir wieder gemeinsam am Strand. Unser Treffpunkt lag etwas weiter weg vom normalen Badestrand. Nicht jeder sollte sofort sehen, wer sich hier traf. Ein kleiner Vorteil war zusätzlich, dass dies ein privater Strandabschnitt war, der zu einem Appartement direkt am Meer gehörte.
In diese Ferienwohnung hatten sich Mark und Kevin eingemietet. Und hier kamen Jens und ich immer unabhängig von einander her. So war gewährleistet, dass uns niemand zusammen sehen konnte.
Dieses mal war ich früher dort als sonst. Da ich keinen Hunger gehabt hatte, hatte ich das Essen ausfallen lassen und war eher am Strand als die anderen.

Ich nahm meine aufblasbare Wassernudel mit ins Wasser und schwamm ein Stück hinaus. Dann ließ ich mich von den Wellen wieder zurücktragen, wobei ich mir die Nudel, wie in einem Sessel sitzend, unter die Arme klemmte.
Es war ein friedliches und harmonisches Schaukeln wie mich die Wellen wiegten. Ich schloss entspannt meine Augen und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Die Wellen, die sich sanft an meiner Wassernudel brachen, sangen ihr besänftigendes Lied. Und die Möwen im Wind begleiteten sie dazu.

Plötzlich streifte jedoch etwas großes an mir vorbei, das sofort meine gesamte Aufmerksamkeit bekam. Der Fisch, oder was auch immer das gewesen war, war fast doppelt so groß wie ich.
Panik breitete sich in mir aus. 'Gab es etwa Haie in der Nordsee? Hatte sich vom Atlantik einer hierher verirrt? Warum griff er dann nicht direkt an? Und... hatte er überhaupt eine Rückenflosse gehabt?'
So viele Fragen stürzten gleichzeitig auf mich ein. Doch zum Überlegen blieb keine Zeit. Ich musste jetzt zudem entsetzt feststellen, dass ich von den Wellen viel weiter raus getragen worden war, als ich eigentlich gewollt hatte.
Und dieser Fisch hatte mir zu allem Übel auch noch den Rückweg abgeschnitten. Ich war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig! Die Panik griff mit all ihrer Macht nach mir. Mein einziges Ziel war es: 'Raus aus dem Wasser! Sofort!'

Doch schon kam der Fisch zurück. Und dieses Mal direkt auf mich zu! Plötzlich zu keiner Bewegung mehr fähig, hing ich mit meinen Armen über meiner Wassernudel, die mich glücklicherweise über Wasser hielt. So einen riesigen Fisch hatte ich noch nie in Natura gesehen.
Er streifte noch einmal direkt an mir entlang, so dass ich zumindest erkennen konnte, dass es kein Hai war. Es ging augenblicklich auch keine Bedrohung mehr von ihm aus. Er wollte offensichtlich auch, dass ich sofort zurück ans Ufer schwamm.
Dankbar drehte ich mich ihm zu und konnte so erstmals seine Augen sehen. Darin sah ich nun, da ich wieder ruhiger geworden war, etwas vertrautes, oder vielmehr sogar etwas bekanntes.

Und plötzlich fiel es mir wieder ein. „Du bist Malte, nicht? Malte, der Fisch!“ erkannte ich richtig. Der Stör nickte und strich ein weiteres mal an mir entlang. Dies schien ihm zu gefallen. Meine Hand hatte ich ausgestreckt, damit ich ihn streicheln konnte. „Ich glaube, wenn Du mir das versucht hättest zu erklären, hätte ich es Dir wohl nicht abgekauft,“ gab ich offen zu.
„Ich dachte, Du meinst mit Fisch, dass Du ein besonders guter Rettungsschwimmer wärst.“ Malte nickte vielsagend mit dem Kopf.
Bevor ich mich jedoch weiter mit ihm beschäftigen konnte, legte sich plötzlich ein großer, dunkler Schatten über uns. Und ehe einer von uns beiden reagieren konnte, hatten bereits kräftige Klauen nach dem Fisch gepackt.
Maltes Urinstinkte hatten ihn jedoch blitzschnell reagieren und abtauchen lassen, so dass die Krallen des Weißkopfseeadlers ihn nur streifen konnten. Dennoch zog er eine rote Spur hinter sich her, als er sich umdrehte und zu mir zurück kam.

Mit der neuen Situation völlig überfordert, konnte ich nicht begreifen, wieso Eagle nicht erkennen konnte, dass er hier den falschen attackierte. Malte hingegen wollte nur mich beschützen und stellte sich damit in seiner jetzigen Form seinem größten Feind, dem Adler.
Aber das wollte ich nicht zulassen. Impulsiv schrie ich Eagle entgegen: „Nein! Stopp! Das ist Malte, der Fisch! Unser Freund!“ Gleichzeitig schlang ich meine Arme um den Stör, um ihn vor einem weiteren Angriff sowie tieferen Verletzungen zu beschützen.
Eagle konnte mich aber durch das Rauschen seiner Flügel und die sich brechenden Wellen nicht verstehen. Er hatte vorhin, wie die anderen beiden auch, meine wilde Panik gespürt. Und da er in seiner Form hier heimisch war, konnte er ungehindert und am Schnellsten bei mir sein.
Dass ich diese Hilfe allerdings gar nicht mehr brauchte, erkannte er zu spät.

Im nämlichen Moment, als er ein weiteres mal zum Sturzflug ansetzte, spürte er eine neuerliche Angst bei mir. Im selben Augenblick hatte ich mich besorgt über Malte gebeugt, um ihn mit meinem fast nackten Körper zu schützen.
Dass Malte auch einfach hätte abtauchen können, daran dachte ich in meiner Panik nicht. Eagle erkannte die neue Situation erst in dem Moment, als seine scharfen Krallen sich bereits tief in meine weiche Schulter gebohrt hatten.
Erschrocken ließ er los und fiel sofort neben uns ins Wasser, wo er sich blitzschnell in Mark verwandelte.

Entsetzt machte er sich bereits große Vorwürfe, aber davon machte es das Geschehene nicht rückgängig. Malte war still in seiner Stellung verharrt, damit ich nicht von ihm abrutschen sollte. Er brauchte dringend Hilfe, denn so konnte er mich allein unmöglich zum Strand zurück bringen. Seine eigene Verletzung machte ihm ebenfalls zu schaffen, wobei ihm das im Moment egal zu sein schien.

Ich bemerkte nur noch, wie Eagle von mir erschrocken abgelassen hatte und im Wasser als Mark wieder aufgetaucht war. Meine offene Wunde brannte durch das Salzwasser höllisch. Mein Blick wurde von Dunkelheit umhüllt. Die Schmerzen waren einfach zu viel für mich.
Ich fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Das letzte, das ich noch wahrgenommen hatte, war eine brennende, unerträgliche Hitze auf dem Rücken, wo sich das Wasser der Nordsee in meine tiefe, offene Wunde fraß.

*****
15  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 29.Mai.2018, 21:42:28
Kapitel 12 – „Sind Sie noch suizidgefährdet?“

Die Türe wurde hinter mir geschlossen, und ich holte einmal tief Luft. War dies gerade alles nur ein Traum gewesen, oder hatte mich tatsächlich der am besten aussehende Mann dieser Klinik geküsst?
Meine beschwingten Schritte lenkten mich ganz mechanisch zu meinem Schließfach. Das allgemeine Frühstück war inzwischen auch vorbei. Ich blickte auf die Uhr in meinem Handy. Wenn ich mich beeilte, konnte ich noch ganz kurz auf mein Zimmer gehen. Doch zuvor musste ich meine Medizin abholen.
Hoffentlich musste ich keine unangenehmen Fragen beantworten. Abermals hatte ich Glück. Die feinen Linien, wo sich die Kratzer des Adlers befunden hatten, waren kaum mehr zu sehen. Und Jens musste irgendeine plausible Entschuldigung für mich abgegeben haben, denn die Schwester fragte nur: „Geht es Ihnen wieder besser, Frau Reimor?“
Mein bestätigendes Nicken wurde zur Kenntnis genommen. Eine weitere Erklärung, die ich eh nicht hätte geben können, wurde offensichtlich auch gar nicht von mir erwartet. Also verabschiedete ich mich rasch und eilte hoch auf mein Zimmer.

Die Jacke hängte ich in die Garderobe. Mit meinem Therapieplan und meiner Wasserflasche machte ich mich sogleich wieder auf zu meinen Stunden.
Die Gruppentherapie erreichte ich gerade noch rechtzeitig. Meine Erklärung, dass ich mich heute noch nicht besonders gut fühlen würde, schien den Therapeuten auszureichen. Was auch immer Jens erklärt hatte, ich war ihm dankbar dafür, dass mir keine weiteren Fragen gestellt wurden.
Eine Bastel- und eine Yoga-Stunde später begann ich mich sogar auf den Nachmittag am Strand zu freuen. Ich würde Jens wiedersehen, hatte er versprochen. Schon jetzt musste ich erkennen wie sehr ich ihn vermisste. 'Aber war es sein Witz und Charme, der es mir angetan hatte, oder war er es selbst, den ich jetzt fast mit Sehnsucht erwartete?'

*****

Nach dem Mittagessen, fand ich jedoch noch eine Notiz in meinem Schließfach, die besagte, dass mich meine Reha begleitende Therapeutin am Mittag dringend sehen wollte.
Doch zuvor hatte ich einen berufsvorbereitenden Computerkurs. Zum Glück waren mir die Abläufe der Aufgaben bekannt, denn meine Gedanken wanderten immer wieder zu der Notiz über das kommende Gespräch.
Es war eher ungewöhnlich, wenn ein Patient außerhalb seiner planmäßigen Termine zum begleitenden Therapeuten gerufen wurde. 'Was wollte sie von mir? Was hatte sie über gestern in Erfahrung gebracht? Oder ging es dabei womöglich um Jens,' stellte ich erschrocken fest. 'War seine Anstellung durch mich bereits gefährdet?'
Einerseits sehnte ich mir den Termin herbei, damit möglichst schnell alles vorüber war. Andererseits befürchtete ich das Schlimmste und wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte.
Ich musste abwarten, weshalb ich zu dem Gespräch gerufen wurde. Aber es zehrte mehr an meinen Nerven als ich mir selber eingestehen wollte.

Beherzt klopfte ich an die Tür meiner betreuenden Psychologin. Sofort kam ein aufforderndes „Herein!“ von der anderen Seite der Tür, dem ich umgehend Folge leistete.
Noch bevor ich sie grüßen oder etwas sagen konnte, kam mir die Betreuerin zuvor: „Hallo, da sind Sie ja, Frau Reimor. Und sogar überpünktlich. Sehr schön. Nehmen Sie doch bitte Platz. Wie geht es Ihnen heute?“
„Hallo,“ setzte ich zaghaft an. Ich hatte wirklich keine Ahnung worauf sie hinaus wollte. Ahnungslos fragte ich deshalb: „Wie meinen Sie das?“ „Nun, Sie sind nun schon ein paar Wochen hier, aber ich sehe Sie nur selten mit anderen Patienten sprechen, oder dass sie etwas gemeinsam unternehmen. Zu Beginn der Reha stand die Frage im Raum, ob Sie suizidgefährdet sind.“ Die Psychologin machte eine Pause und musterte mich scharf.
Daher also wehte der Wind. Wenn ich jetzt nur wüsste, was Jens als Erklärung geliefert hatte. Bevor ich zu einer Erklärung ansetzen konnte, lieferte sie mir glücklicherweise die Aussage von Jens über mich. „Herr Mattens sagte, er habe Sie gestern völlig entkräftet am Deich aufgelesen und zur Klinik zurück gebracht. Anschließend haben Sie den restlichen Mittag bis heute Morgen durchgeschlafen?“

Wenn Jens den verletzten Adler nicht erwähnt hatte, dann hatte er sicher seine Gründe. „Gestern stand auf meinem Therapieplan Nordic Walking. Da aber das Wetter plötzlich umgeschlagen ist, war ich am Schluss als einzige übrig. Weil mir Bewegung an der frischen Luft wichtig ist, bin ich allein losgelaufen. Ich muss wohl den Wind unterschätzt haben. Denn als ich zurück laufen wollte, musste ich mit jedem Schritt gegen den Wind ankämpfen.“
Ich hatte mir da gerade etwas zusammen gereimt, wo ich nicht einmal wusste, ob es standhalten würde. Ja, der Wind hatte aufgefrischt, aber ob er wirklich genau von vorn gekommen war, wusste ich wirklich nicht mehr. Aber der Psychologin schien dies zu genügen. Sie schrieb etwas in meine Unterlagen und wirkte wieder zufrieden.
„Aber um eines möchte ich Sie noch bitten, Frau Reimor,“ schloss sie unser Gespräch. „Gehen Sie den Gefahren bitte aus dem Weg. Seit Sie hier sind, standen Sie fast bei jeder gefährlichen Rettungsaktion mit in der Zeitung. Das allein wäre es noch nicht, aber die Kripo lässt sich hier im Haus immer so schlecht abwimmeln.“

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Spontan erklärte ich: „Ich kann doch niemanden ertrinken lassen, wenn ich sehe, dass ihm keiner hilft und die Flut schnell höher steigt.“ Die Betreuerin schaute überrascht auf: „Die Rettungsschwimmerin am Stand waren auch Sie?! Die Presse rätselt bis heute noch, wer die sportliche Unbekannte war.“
„Und so soll es bitte auch bleiben,“ wünschte ich. „Wie Sie sehen, versuche ich nicht nur mein Leben wieder in geregelte Bahnen zu bekommen, ich sorge mich sogar um das Wohl fremder Menschen. Ich denke, damit habe ich bewiesen, dass von Selbstmord bei mir keine Rede sein kann.“

Nachdem ich noch zugesichert hatte, dass ich versuchen wollte, künftigen Gefahren aus dem Weg zu gehen, entließ mich meine Betreuerin wieder. Schließlich wollte ich am Nachmittag noch mit den Jungs schwimmen gehen.

*****
16  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 28.Mai.2018, 22:29:26
Kapitel 11 – Frühstück mit Jens

Als ich später in einem fremden Bett aufwachte, blickte ich mich zunächst orientierungslos um. Ich wusste nicht, wo ich war. Doch schon im nächsten Augenblick gewahrte ich Jens, der sich besorgt über mich beugte.

Aus der anderen Ecke des Raums hörte ich eine Stimme: „Ist sie aufgewacht?“ Jens blickte auf und nickte erleichtert mit dem Kopf. Kevin kam näher, es war seine Stimme, die ich gehört hatte. Dass es Kevin war, bestätigte ich mir selber gleich, als er meinen Arm begutachtete, an dem man nicht einmal mehr einen Kratzer sehen konnte.
Erstaunt blickte ich meinen Arm und Kevin an. „Meine Phönixtränen, Steffi. Ich habe immer welche dabei,“ zwinkerte er belustigt. „Danke, Kevin.
Wo bin ich eigentlich?“ Ich schaute mich interessiert im Raum um, konnte aber nur erkennen, dass ich irgendwo in der Klinik war. „Du bist in der Klinik, in meinem Appartement,“ erklärte Jens.
„Bis wir auf der Krankenstation alles lang erklärt hätten, wärst Du vermutlich verblutet. Also habe ich Dich kurzerhand zu mir genommen. Ich hoffe, es macht Dir nichts aus, Steffi.“

Und mit einer weiteren Erklärung entschuldigte er sich ebenfalls gleich: „Entschuldige bitte auch, dass wir Dich ausgezogen haben. Aber Deine Kleidung war voller Blut und ganz durchnässt.“
Ich errötete und schaute gleich beschämt unter der Decke nach, um mich zu vergewissern. Meine Unterwäsche hatte ich noch an, stellte ich erleichtert fest. Jens reichte mir eine Tasse mit einem heißen Tee.
„Hast Du Durst, Steffi?“ Dankbar nickte ich und richtete mich etwas auf. Doch schon im nächsten Moment erfasste mich ein Schwindel und ließ mich sofort wieder nach hinten sinken. Wenn mich nicht beide geistesgegenwärtig festgehalten und aufgefangen hätten, wäre ich mit samt der heißen Tasse umgekippt.

Dankbar nippte ich an dem Tee, der etwas eigenartig schmeckte. Kevin tröstete mich: „Ich habe ein paar seltene Kräuter und Früchte hinzugefügt, damit Du schneller gesund wirst, Steffi. Du hast viel Blut verloren. Ich gebe zu, dass der Tee auch etwas enthält, dass dich noch einmal schlafen lässt. Weil, so kannst Du unmöglich gleich wieder weitermachen. Schlaf Dich in aller Ruhe gesund!“
Ergeben trank ich die Tasse leer. Mir fiel der Vogel wieder ein. „Wie geht es dem Adler? Wird er es überstehen?“ Jens verdrehte die Augen und grinste dabei. „Jetzt werde Du selber erst mal wieder gesund, Steffi. Um den Adler kümmert sich Mark. Keiner von uns kann das besser als er, nachdem Kevin etwas nachgeholfen hatte.“

Erleichtert und auch etwas erschöpft legte ich mich wieder hin. Das Reden und Trinken hatte mich angestrengt. Meine Gedanken verweilten zärtlich bei Jens. Er kümmerte sich fürsorglich, fast liebevoll um mich.
Was mochte er wohl für mich empfinden? Und wie war es mit mir selbst? Zugegeben, ich mochte Jens sehr. Aber war da mehr? Oder fühlte ich mich einfach nur verpflichtet, weil wir beide ein gegenseitiges Geheimnis kannten, das jeder von uns sonst sorgsam hütete?
Aber war ich denn wirklich schon wieder für eine neue Beziehung bereit? Die letzte Trennung tat noch immer weh, obwohl sie schon einige Zeit zurück lag. Und der plötzliche Verlust meiner Familie schmerzte ebenso. Oder wollte ich den Trennungsschmerz durch das Gefühl zu Jens einfach nur verdrängen? Noch während ich darüber nachgrübelte, schlief ich wieder ein.

*****

Es begann gerade zu dämmern als ich erneut aufwachte.
Jens lief nebenan geschäftig in seinem Appartement umher. In der kleinen Küche hörte ich kurz einen Teekessel pfeifen. War es abends oder früher Morgen? Mit noch etwas wackligen Beinen stand ich vorsichtig auf. Neben dem Bett lagen ein paar Kleider von mir, die ich dankbar anzog.
Im Raum nebenan hörte ich leise Geschirr klappern. Als ich die Tür des Schlafzimmers öffnete, blickte Jens auf und sah mich lächelnd an. „Guten Morgen, Steffi. Ausgeschlafen? Wie fühlst Du Dich heute?“
„Guten Morgen, Jens. Ich fühle mich so gut und fit wie schon lange nicht mehr. Wie lange habe ich eigentlich geschlafen?“ Der Therapeut blickte auf die Uhr. „Du hast etwas über 15 Stunden geschlafen. Das hast Du aber auch gebraucht. Du warst schließlich völlig erschöpft.
Ich habe uns schon mal Frühstück gemacht. Ich hoffe, Du magst, was ich aufgetragen habe.“

Mein Blick glitt über den gedeckten Tisch. Es war mehr da als wir zu zweit hätten essen können. „Ja. Das sieht alles sehr lecker aus. Womit habe ich soviel Fürsorge eigentlich verdient?“
Jens grinste und begann sehr spontan: „Weil Du mir etwas bedeutest.“ Er brach verlegen ab und begann von neuem. „Weil Du dem Adler das Leben gerettet hast. Wärst Du nicht gewesen, hätte er die Nacht nicht überlebt.“
Ich nickte ebenfalls verlegen und meinte verstanden zu haben. „Wird er bald wieder fliegen können?“ Mir fiel nichts anderes dazu ein, deshalb lenkte ich das Thema auf den Adler, damit wir uns nicht ganz anschwiegen.
Nicht, dass mir das wirklich unangenehm gewesen wäre. Aber ich wusste nicht, wie Jens dazu stand. Zumal er nach seinem Satz verlegen reagiert hatte.

„Mark wird mit ihm nachher ein paar Flugversuche unternehmen. Heute verspricht es wieder ein besonders schöner Tag zu werden. Mein Dienst geht heute aber leider bis 17 Uhr. Wenn Du jedoch Lust hast, können wir uns anschließend am Strand sehen. Ich glaube, Kevin wollte heute ebenfalls an den Strand.“
Da war es wieder. Das Kribbeln wie tausend Schmetterlinge in meinem Bauch. Jens hatte etwas in mir berührt, dass ich glaubte mit der letzten Trennung endgültig begraben zu haben.
Ich wollte aber nicht schon wieder einen Reinfall der Gefühle erleben. Ich mochte Jens ebenfalls sehr, aber was war nach meiner Reha? Würde ich ihn einfach so vergessen können? Oder war er der Lebenspartner, den ich mir schon immer erträumt hatte?

Ich schob meine Zweifel beiseite. Wir waren jetzt gerade zusammen, und solange die Reha dauerte, wollte ich mir über das danach keine Gedanken machen. Ich durfte eben nicht zu emotional werden.
„Ich muss erst auf meinen Plan und in mein Fach sehen, was ich heute Mittag alles habe. Gern würde ich mit euch dreien noch etwas unternehmen.“ Jens sah mich einen Moment lang seltsam traurig an. Aber ich konnte das Gesagte nicht mehr zurücknehmen. Wie gerne hätte ich ihm gesagt, was ich tatsächlich für ihn empfand, doch das würde es hinterher nur noch schwerer für mich machen.
Jens schien mich auch ohne Worte zu verstehen. Er stand auf und räumte den Tisch ab. Ohne lange zu fragen, half ich ihm kurzentschlossen dabei.

In der engen Küche kamen wir uns dabei sehr nahe. Plötzlich lag ich in den Armen von Jens und keiner von uns beiden wusste so recht, wie es dazu gekommen war. Mein Herz pochte mir dabei bis zum Hals. Meine Hände strichen zärtlich über seinen Kopf, ohne dass ich darüber nachdachte.
Seine Lippen kamen meinen langsam näher. Wenn ich es nicht gewollt hätte, könnte ich seinen Kopf auch weg drücken. Es schossen mir so viele Gedanken gleichzeitig durch den Kopf, aber keinen davon konnte ich festhalten. Mein Verstand wehrte sich noch vehement dagegen, jedoch mein Herz jubelte vor Freude und mein Blut pochte begehrend durch meine Adern.
Wir wollten das beide. Und Jens hielt mich beschützend in seiner Umarmung. Er ließ mir dabei jedoch soviel Freiraum, dass ich mich daraus hätte befreien können, wenn ich es nicht gewollt hätte.
Doch es fühlte sich so beruhigend und perfekt an. Genau das war es, was ich immer vermisst hatte. Ich wollte nie wieder etwas anderes empfinden.

Unsere heißen Lippen berührten sich. Zunächst unaufdringlich und zögernd, wie um nichts kaputt zu machen. Von diesem neuen, diesem besonderen, Gefühl seltsam berauscht, wollte ich unbedingt mehr.
Automatisch hoben sich meine Fersen an, und ich stand auf Zehenspitzen, meinen Kopf in den Nacken gelegt, und drückte meine Lippen noch fordernder an Jens'. Unsere Zungen forschten und umkreisten suchend die des anderen. Wie viel Zeit inzwischen vergangen war, wussten wir nicht.
Nur zaghaft und erkennend lösten wir uns wieder von einander. Diese neue Situation erfasste unser Verstand nur zögernd. Das Gefühl hatte sich so perfekt angefühlt, jedoch klang nun mit dem Verstehen auch ein lauter werdender Misston mit. Und mit der Erkenntnis kam zuerst die Verlegenheit und dann der Schock.

Was war da gerade geschehen?! War ich denn verrückt geworden?! Ich hatte doch unbedingt meine Emotionen zurückhalten wollen!
Auch Jens ging es nicht sehr viel anders als mir. Er versuchte es als erstes zu erklären. Auch schien es wieder, dass er mich ohne Worte verstand. Er wollte meine Hand halten, die ich ihm ohne zu überlegen reichte.
Ich vertraute ihm trotzdem noch, oder gerade wegen eben. Irgendetwas war mit uns geschehen, und das gleiche erklärte auch Jens sofort: „Es tut mir leid, Steffi. Das hätte so nicht passieren dürfen. Ich meine, nicht so schnell und nicht sofort. Bitte, verstehe mich nicht falsch.“ Er drückte meine Hand ganz sanft, wie um seine Worte zu bekräftigen.
„Ich liebe Dich, Steffi. Du bist etwas ganz besonderes für mich. Und gerade deshalb möchte ich, dass Du Dir die Zeit nimmst, über Deine Gefühle zu uns beiden nachzudenken. Wenn Du nur eine oberflächliche und kurze Beziehung wünschst, werde ich das akzeptieren und mich fügen müssen. Aber dazu muss ich fairerweise sagen, dass dem Personal – also auch mir – ein enger, persönlicher Kontakt zu unseren Patienten eigentlich verboten ist. Werde ich bei etwas erwischt, das auch nur annähernd intim aussieht, bin ich fristlos entlassen. Aber dieses Risiko bist Du mir wert, Steffi.“

Nein, das wollte ich auf gar keinen Fall. Erschrocken schaute ich zu Jens auf. Soviel Wertschätzung hatte mir schon lange niemand mehr entgegen gebracht. „Nein, Jens. Du darfst Deinen Job auf keinen Fall wegen mir gefährden. Ich kenne mich im Moment selber nicht mehr. Meine Gefühle sagen etwas anderes als mein Verstand. Lass mir bitte noch etwas Zeit, um darüber nachzudenken.“
Ich wollte seine Hand nicht loslassen. Es war angenehm von jemandem beschützt zu werden, dem man blind vertrauen konnte. Aber würde ich ihm das gleiche entgegen bringen können? Tief in meinem Innersten kannte ich meine Entscheidung längst, aber nach so vielen Fehlentscheidungen in meinen bisherigen Beziehungen, fehlte mir jetzt mein Selbstvertrauen.

Bevor ich weiter grübeln konnte, hatte mich Jens erneut in seine Arme gezogen und drückte mich liebevoll an sich. Dann gab er mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, und als ich lächelnd zu ihm aufschaute, küsste er auch sanft meine Nasenspitze.
Ohne meine Reaktion abzuwarten, fragte er zum Thema zurückkommend: „Und? Sehen wir uns heute Nachmittag am Strand?“ Ich konnte nur noch lächelnd nicken. Meine Gefühle spielten Karussell mit mir und ein Kloß im Hals hinderte mich am Sprechen.
Jens schien mich auch jetzt zu verstehen, denn er reichte mir professionell meine Jacke und meinen Zimmerschlüssel. Wobei seine Augen gewinnbringend strahlten. „Dann bis heute Nachmittag, Steffi. Wir … ich freue mich darauf.“

*****
17  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 27.Mai.2018, 16:51:37
Kapitel 10 – Adler-Rettungsaktion

Ein paar Tage später fing der Morgen schon wie verhext an. Mein Wecker hatte seinen Dienst versagt, so dass ich fast zu spät zum Frühstück gekommen war. Nur der Regelmäßigkeit hier an der Klinik hatte ich es zu verdanken, dass meine innere Uhr mich doch noch geweckt hatte. Das morgendliche Blutdruck messen durfte ich jedoch vor dem Frühstück trotzdem nicht vergessen.

Seit dem Ausflug ins Watt waren erst ein paar Tage vergangen. Dennoch hatte ich den Eindruck, als würde ich Jens schon ewig kennen. Aber ein weiteres Gespräch mit ihm allein zu führen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Bisher war es bei dem einen herrlichen Abendspaziergang am Strand geblieben.
Jens hatte viele meiner Fragen beantworten können. Allerdings waren zu jeder Antwort weitere neue Fragen aufgetaucht. „Diese,“ so sagte Jens, „werden Dir erst nach und nach beantwortet. Manche Dinge im Leben dauern so lange wie sie dauern. Dabei etwas erzwingen zu wollen, könnte die Dauer nur unnötig verlängern.“
Egal wo ich ihn sah oder ihm begegnete, immer war er von einer Horde Frauen umschwärmt. Und dennoch gab er mir insgeheim das Gefühl, dass ich etwas besonderes und einzigartiges für ihn war.

Dass er gleichzeitig mein bester Freund Argus im Internet war, erleichterte uns die Kommunikation zum Glück etwas. So konnte ich ungehindert mit ihm chatten, wenn er Feierabend hatte, ohne dass die Klinik etwas davon mitbekommen würde.
Ich wusste selber von Arbeitsverträgen aus anderen Kliniken, dass ein zu persönlicher Umgang mit den Patienten oft als Kündigungsgrund genannt werden konnte. So genügte es mir vorerst zu wissen, dass er da war, wenn ich ihn brauchte.
Zumal ich in den letzten Tagen auch meinem neuen Freund Malte zwei oder dreimal begegnet war. Und einmal hatte er mich dann ganz spontan zu einem Eiskaffee eingeladen. Dafür, dass ich die letzten Jahre gar keinen festen Freund gehabt hatte, war mir der Trubel um meine Person im Moment fast etwas zu viel.
Denn so wie sich die Dinge entwickelten, fühlte ich mich zu beiden Männern auf eine besondere Art hingezogen.

*****

Heute Morgen stand auf meinem Therapieplan Gruppengespräche, sowie ein Gespräch mit meiner Psychologin. Anschließend, direkt nach dem Mittagessen, wartete ich auf den Rest der Gruppe zum Nordic Walking.
Inzwischen hatte das Wetter jedoch umgeschlagen und man hörte vereinzeltes Donnergrollen in der Ferne, wobei der Regen allerdings noch aus blieb.
Als es dann Zeit zum Laufen wurde, war ich die einzig Anwesende, so dass der Therapeut das Nordic Walking kurzfristig absagte. Also meldete ich mich in der Klinik ab und lief allein los. Ich wollte nur eine kleine Runde laufen, um an der frischen Luft zu sein.

Der Strand war fast menschenleer, denn das Wetter hielt die meisten hinterm wärmenden Ofen. Nur die Möwen über mir zogen im Wind ihre Bahnen und hielten wetteifernd nach Futter Ausschau.
Ich war bereits wieder auf dem Rückweg, als ich vor mir einen dumpfen Knall hörte. Dieser hatte nur wenig Ähnlichkeit mit dem näher kommenden Donnergrollen im Hintergrund. Ein paar Meter vor mir stürzte etwas hart zu Boden und blieb im kniehohen Gras zunächst bewegungslos liegen.
Ein Glück, dass ich das zufällig gesehen hatte. Besorgt rannte ich zu der Stelle hin und erkannte einen Raubvogel, der sich fast nicht mehr regen konnte.

Sofort dachte ich an Eagle, den Freund von Jens, und kniete mich bestürzt neben das verletzte Tier. „Armer Vogel, hoffentlich bist Du nicht Eagle!“ Am Gefieder erkannte ich, dass es ein Adler war. Aber ganz so genau hatte ich mir Eagle noch nie angesehen. Er konnte nicht nur seine Größe variieren, sondern sein Gefieder den heimischen Tieren etwas angleichen.
Ich zog mein Handy aus der Tasche, stellte aber enttäuscht fest, dass ich mal wieder kein Netz hatte. Also überlegte ich nicht lange. Dem Tier musste sofort geholfen werden. Obwohl der Raubvogel schwer verletzt schien, wehrte er sich dennoch instinktiv und hartnäckig gegen die ungewohnte, menschliche Nähe. So konnte ich ihn unmöglich hoch nehmen und tragen.
Deshalb schaute ich in meinen Jackentaschen nach, was ich noch dabei hatte. Viel war es nicht. Außer meinem Handy und der Freisprecheinrichtung war da noch ein Pack Papiertaschentücher, mein Zimmerschlüssel, ein paar Hustenpastillen und mein Kopftuch gegen den Wind.

Mein Handy nahm ich betriebsbereit in die Hosentasche und steckte den Knopf der Freisprecheinrichtung ins Ohr. Sowie ich wieder Netz hatte, wollte ich Jens in der Klinik verständigen. Es war auch weit und breit niemand, den ich Hilfe holen schicken konnte.
Die Taschentücher, mein Zimmerschlüssel und die Bonbons steckte ich in die andere Hosentasche. Das Kopftuch legte ich nun vorsichtig, aber rasch, über den Kopf des Vogels, der sich sofort beruhigte, weil es plötzlich dunkel um ihn wurde.
Meine Walkingstöcke machte ich kleiner, damit sie handlicher wurden, und hängte sie mir über das linke Handgelenk. Dann wickelte ich meine Jacke um den Vogel und nahm ihn mit samt meiner Jacke vorsichtig auf.

Ich spürte durch den Stoff hindurch die scharfen Krallen, aber auch sein kleines Herz, das wild und ängstlich pochte. Dennoch blieb der Adler verhältnismäßig ruhig und schien alles mit sich geschehen zu lassen.
Ich redete beruhigend auf ihn ein. Fühlte er etwa, dass ich ihm nur helfen wollte? Ich hoffte inständig, dass es nicht der Freund von Argus war. Nur deshalb hatte ich überhaupt den Mut gehabt, das Tier mitzunehmen.

Unterwegs versuchte ich immer wieder, ob ich bereits wieder einen Handyempfang hatte. Endlich gelang es mir Jens zu erreichen. „Jens? Hier ist Steffi. Steffi Reimor. Du sagtest, wenn ich Deine Hilfe brauche, könnte ich mich jederzeit bei Dir melden?“
Jens horchte auf und reagierte sofort auf meinen besorgten Ton: „Was ist passiert? Wie kann ich Dir helfen, Steffi?“
„Ich bin gerade am Deich unterwegs zurück zur Klinik, vom Nordic Walking. Plötzlich war da ein dumpfer Knall und gleich darauf fällt mir ein großer Vogel fast vor die Füße! Ich glaube, es ist ein Adler. Ist Mark bei Dir?“ ergänzte ich in Sorge um unseren Freund.
Ich musste heftig atmen, da mich das Erzählen und gleichzeitig Laufen mit dem schweren Vogel ermüdete. Einen Moment wollte ich mich ausruhen, deshalb blieb ich erschöpft stehen.
Das Gleiche riet mir auch Jens: „Steffi, bleib wo Du bist! Ich komme und hole Dich ab! Und, Mark geht es gut. Er ist mit Kevin einkaufen gefahren.“

Ich suchte mir eine einigermaßen bequeme und windgeschützte Stelle zum Warten. Ein paar Meter weiter fand ich einen großen Stein, hinter den ich mich ducken konnte und den frischen Wind nicht mehr direkt spürte.
Mein linker Arm, den ich ständig unter dem Vogel gehabt hatte, tat mir bereits entsetzlich weh. Ich verlagerte sein Gewicht etwas, um meinen Arm zu entlasten. Dennoch tat es immer noch schrecklich weh.

Endlich traf Jens ein. Inzwischen war ich von der Kälte so geschwächt, vermutete ich, dass ich nicht einmal mehr allein aufstehen konnte. Der Therapeut stieg eilig aus dem Wagen und kam bestürzt näher. „Steffi, Du siehst ja ganz blass aus!“
Statt einer Antwort streckte ich ihm mit letzter Kraft nur stumm den Vogel entgegen. Jens nahm den Adler entgegen, schaute kurz unter das Tuch und legte ihn dann mit der Jacke zusammen vorsichtig nach hinten in einen Käfig, der bereits im Auto stand.
Sofort kam er zurück, um mir ebenfalls in den Wagen zu helfen.

Als er mich jedoch genauer ansah, erkannte er, warum ich so entkräftet und blass war. Der Raubvogel hatte es durch die Jacke hindurch mit seinen scharfen Krallen geschafft, meinen linken Arm unbeabsichtigt aufzureißen.
Dabei musste er wohl ein wichtiges Blutgefäß erwischt haben, denn mein Ärmel und meine Hose waren bereits voller Blut. Nur weil der schwere Vogel gleichzeitig auf meinen Arm Druck ausgeübt hatte, war das Blut bisher nicht schneller geflossen.
Jens setzte mich neben sich und verharrte einen Moment, als ob er überlegen würde. Zuvor hatte er mir schnell einen provisorischen Druckverband angelegt. Anschließend ließ er den Motor an und erklärte beiläufig: „Ich bringe Dich sofort zurück zur Klinik. Dort wartet bereits Kevin auf uns. Er kann Dir am schnellsten helfen, Steffi.“

Doch davon bekam ich schon fast nichts mehr mit. Der Blutverlust hatte mich so geschwächt, dass ich in eine befreiende Ohnmacht sank.

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18  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 27.Mai.2018, 16:30:41
Kapitel 9 – Jens Mattens

Am anderen Morgen wurden wir mit einem ausgiebigen Frühstück im Bett geweckt. Und noch jemand Anderer wartete geduldig darauf, dass ich wach wurde. Ich konnte nicht sagen, ob mich der Kaffeeduft oder seine Anwesenheit geweckt hatte.
Neben meinem Bett stand Jens Mattens, der Physiotherapeut, und blickte aus dem Fenster auf das Meer hinaus. Als er bemerkte, dass ich aufgewacht war, drehte er sich etwas besorgt, aber mit einem charmanten Lächeln, zu mir um. „Ich hatte ja versprochen, wieder zu kommen.“

Verständnislos blickte ich ihn an. Irgendetwas an ihm kam mir merkwürdig vertraut vor, doch näher konnte ich mein Gefühl noch nicht beschreiben. Bevor das Schweigen jedoch peinliche Züge annehmen konnte, begann ich: „Danke, dass ... Sie gekommen sind, Herr Mattens. Ich wollte mich noch persönlich für mein dummes Weglaufen entschuldigen. Ich war so schrecklich durcheinander...“
Jetzt war es der Physiotherapeut, der überrascht und mit einem Fragezeichen im Gesicht zu mir sah. Dann begann er langsam zu verstehen. Er überlegte kurz, wie er am besten beginnen sollte. Zögernd begann er mir zu erklären: „Du scheinst auch jetzt noch etwas durcheinander zu sein. Aber das ist verständlich... Albino.“

Meine spontane Reaktion auf seine ersten Worte war, wie kam dieser Angestellte dazu, mich zu duzen?! Zugegeben, er sah gut aus und jede Frau in der Klinik schwärmte für ihn. Und jetzt stand er ausgerechnet an meinem Bett.
Dann sickerten auch seine restlichen Worte bei mir durch, und nun war ich es, die verlegen und stark errötend auf meine Bettdecke starrte. Zaghaft und eher fragend setzte ich an: „Argus?“ „Ja, Steffi. Ich bin Argus. Ich wusste nicht, wie ich es Dir sonst hätte schonender beibringen können.“
Er war ein paar Schritte näher an mein Bett herangetreten, aber dann war er abwartend und vorsichtig stehen geblieben, wie um mir nicht unaufgefordert zu nahe zu kommen.

„Ich war in der Physio wegen Deiner Flügel damals genauso überrascht. Lange Zeit dachten wir, die Einzigen zu sein. Die Letzten unserer Art. Aber mit Dir steigt unsere Hoffnung wieder, dass es noch mehr von uns gibt,“ gestand er mir ein.
Ein wohliges Glücksgefühl durchströmte mich und gleichzeitig setzte auch ein elektrisierendes Kribbeln am ganzen Körper ein. Argus, der die Anzeichen für eine Verwandlung an mir sofort erkannte, bremste mich sanft, indem er mit einer Geste über meinen Rücken strich. „Nicht hier, bitte. Das ist zu gefährlich. Lass uns heute Abend am Strand wieder zusammen kommen, Steffi. Dann können wir über alles reden.“

Obwohl mir das Warten bis zum Abend sehr schwer fiel, hatte ich dennoch etwas, worauf ich mich unbändig freuen konnte. Jens Mattens, der beliebteste Therapeut der Klinik, war gekommen, um mich zu besuchen. Er schien etwas für mich zu empfinden. Und ich musste geschmeichelt feststellen, dass es mir mit ihm genauso ging.
Aber dann war da auch noch Malte, dem ich inzwischen bereits zweimal begegnet war. Und jedes mal fühlte ich mich in seiner Gegenwart geborgen. Das war verwirrend für mich. Ich wollte mir darüber erst Klarheit verschaffen, bevor mich die Gefühle überwältigen würden.
Ich hatte jetzt erst meine ganze Familie auf einen Schlag verloren. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob ich schon wieder bereit war überhaupt jemanden so nah für eine Beziehung an mich heran zu lassen.

*****

Als ich am Abend zum vereinbarten Treffpunkt an den Strand kam und Jens schon von weitem dort stehen sah, freute ich mich über alle Maßen auf unser Treffen. Das heißt, eben noch war da Jens gestanden, und im nächsten Augenblick stand da der stattliche Drache Argus wieder.
Mein Herz schlug schneller. Ich freute mich, dass ich Argus so schnell wiedersah. Meine Füße wollten mir einen Moment lang nicht mehr folgen. Ich stolperte, so glaubte ich, und nahm instinktiv meine Hände nach vorn um den Sturz abzufangen.
Eigentlich müsste ich mich jetzt wieder aufrichten. Aber auf allen Vieren zu laufen erschien mir das natürlichste der ganzen Welt zu sein. Verdutzt blieb ich stehen, auf allen vier Pranken. 'Pranken?! Was zum … war da gerade mit mir passiert?!' Entsetzt blickte ich an mir hinunter. 'Ein Drache?! Wieso war ich plötzlich ebenfalls ein Drache?!'

Jens hatte mir zugesehen und sich mit mir gefreut als ich mich ganz von selbst in einen Drachen verwandelt hatte. Zunächst erleichtert stellte er fest, dass er mir dies nicht mehr beibringen musste. Jedoch verschwand sein Lächeln mit zunehmender Besorgnis, als er meinen Schock wahr nahm.
Ich hatte mich gar nicht verwandeln wollen. Er hatte es bei mir durch seine pure Anwesenheit ausgelöst. Jens flog die letzten paar Meter eilig auf mich zu, um mich zu trösten. 'Steffi... Du musst keine Angst haben. Lass es einfach geschehen und vertraue mir.' Er versuchte all seine Zuversicht auszustrahlen.

Erschrocken hatte er festgestellt, dass mein wahrer Drachenname entweder sehr tief vergraben sein musste, oder dass er gar nicht mehr vorhanden war. Beide Optionen wollte er sich nicht weiter ausmalen.
Auch Kevin und Mark, die bei dem Treffen dabei sein wollten, versuchten ihre Besorgnis zu verbergen. 'Was, wenn Steffi Jens in der Klinik über den Weg laufen würde, und sich plötzlich ihre Flügel oder mehr zeigen würde?' unterhielten sie sich telepathisch.
Jens schüttelte kaum merklich den Kopf und gab den beiden auf die gleiche Weise zu verstehen: „Ich werde das zu verhindern wissen. Schlimmstenfalls darf ich Steffi in der Klinik nicht mehr sehen!“
Das allerdings würde ihn am Meisten schmerzen. Aber wenn es das Opfer wert war, musste es so sein.

Ich kämpfte unterdessen innerlich mit mir selbst. Ich verstand nicht, was da mit mir gerade passiert war. Und das ganz ohne mein eigenes dazu tun. 'Ein Drache! Ich selber war zu einem richtigen, echten Drachen geworden!'
Ein Teil eines langen Namens tauchte immer wieder aus meinem Innersten auf und verschwand aber wieder, bevor ich etwas davon richtig erfassen konnte... Liro... Lirush... Lymurash...
Ich hatte Angst. Und ich war froh, dass Jens und seine Freunde hier waren. Niemals wäre mir der Gedanke gekommen, dass Jens Mattens der Auslöser meiner Verwandlung sein könnte. Von ihm und seinen Freunden wusste ich, dass sie sich auch wieder in Menschen verwandeln konnten.

Voller Zuversicht lächelte ich und fragte hoffnungsvoll: „Und wie kann ich mich wieder zurück verwandeln?“ Tief in meinem Innersten wollte ich das unbedingt, und Jens spürte das auch.
„Du musst nur an Deinen Namen und Deine Gestalt denken. So machen wir das auch,“ fügte er erklärend hinzu. Dass ich meinen Drachennamen nicht kannte, daran wollte der Drache gar nicht denken.
Die Drachin in mir war mit Feuereifer dabei. Ich dachte ganz intensiv an meinen Namen „Steffi“. Zunächst tat sich noch nichts, aber dann spürte ich die körperliche Veränderung an mir.
Die Jungs freuten sich mit mir und spornten mich an. Schließlich fiel ich Jens überglücklich in seine Arme. „Ich habe es tatsächlich geschafft!“ Und er lobte mich: „Ja Steffi, Du hast es gleich beim ersten Mal geschafft.“ Beide hatten wir uns wieder in Menschen verwandelt.

Ich war erschöpft und spürte deutlich die körperliche Anstrengung. „Du bist jetzt sicher müde und erschöpft, Steffi,“ folgerte Kevin richtig. „Das ist am Anfang völlig normal. Nach ein paar Mal üben fällt es Dir leichter und kostet auch nicht mehr so viel Kraft und Energie.“
Jens hielt mich weiterhin fest in seinen Armen. Er spendete mir dabei neue Energie. „Wenn Du möchtest, können wir noch ein Stück spazieren gehen. Ich bringe Dich dann später zurück in die Klinik. Leider darf man uns dort nicht zusammen sehen, außer wir haben eine Therapiestunde miteinander.“

Ich war noch ganz überwältigt von den gerade erlebten Ereignissen, so dass ich nur ein dankbares Nicken zustande brachte. Dass wir uns nur selten sehen würden, damit konnte ich mich abfinden.
Ich fand Jens mehr als zuvorkommend. Und ich fühlte mich bereits jetzt immer mehr zu ihm hingezogen. Zudem hatte ich den Eindruck, dass er mich ebenfalls mochte.
Trotzdem schlichen sich leise Zweifel bei mir ein: 'War ich schon wieder bereit für eine feste Beziehung oder mehr, mit allem was dazu gehörte? Und was war mit Malte? Auch ihn mochte ich sehr.'
Ich hatte noch so viele eigene Probleme, dass ich gar nicht vor hatte mich bereits wieder fest zu binden. Und dennoch taten mir die Stunden gut, wenn ich von meinen Gedanken um meine verunglückte Familie abgelenkt wurde, sei es durch Jens, Malte oder einen der anderen Freunde.

In jeder freien Minute halfen mir die drei mich auf mein kommendes Leben, sowohl als Drache wie auch als Mensch, vorzubereiten. Manches, das mir selber wichtig erschien, schoben sie jedoch beiseite mit den Argumenten: zu wenig Zeit, oder noch zu schwierig.
Gerne hätte ich gewusst was ich tun musste, um mich bewusst in Gedanken mit anderen auszutauschen. Aber das, so sagten alle drei, wäre nicht so dringend wie das Fliegen oder Landen, oder sich als Drache im Flug unsichtbar zu machen.
Noch wusste keiner von uns, wie es nach meiner Reha mit mir weiter gehen würde. Ich hatte keine großen Erwartungen gehabt als ich hier an die Nordsee gekommen war. Mein Wunsch war es, dass ich Zeit zum Trauern finden würde oder alles zusammen zu verdrängen lernte. Niemals hätte ich erwartet, hier neue Freunde zu treffen. Und sogar mehr als nur einen Freund.

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19  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 27.Mai.2018, 16:04:30
Kapitel 8 – Gerettet

Vom langsam aufkommenden Wind getragen ließ sich Argus zur Küste gleiten. Ich überlegte, ob ich es wagen konnte meine neu gewonnenen Flügel ebenfalls auszubreiten, war mir aber nicht schlüssig. 'Was, wenn ich dadurch Argus' Flug behindern würde?'
Argus, der entweder meinen Gedankengang verfolgt hatte, oder sogar meine Gedanken lesen konnte, meinte aufmunternd: 'Versuch es nur, Steffi. Wenn Du Dich weiterhin auf mir festhältst, passiert Dir auch nichts dabei. Und meinen Flug stört es nicht.'
Zaghaft und ungewohnt öffnete ich vorsichtig und testend meine Flugfinger. Der Wind spielte fast sofort mit der zarten Membran dazwischen. Es war als wüsste ich ganz unbewusst, was ich tun musste.
Ein völlig neues Glücksgefühl überkam mich dabei. So frei hatte ich mich noch niemals in meinem ganzen Leben gefühlt. Im Gegensatz zu Tidken genoss ich den Flug mit jeder Faser meines Körpers.

Gleichzeitig machte sich jedoch auch eine Ernüchterung in mir breit. Was sollte aus meinem Alltag werden? Was würde da mit meinen Flügeln geschehen? Argus schien mich tatsächlich auch ohne Worte zu verstehen. 'Du hast nun jede Menge Fragen und noch mehr Antworten. Für jede beantwortete Frage tauchen neue Fragen auf... Lass am Besten alles sich einmal setzen. Vieles klärt sich von ganz allein.'
Und an uns beide gewandt meinte er: 'Ich bringe euch jetzt wieder zu eurer Gruppe ans Ufer, damit man euch geschlossen finden kann. Beantwortet der Polizei gegenüber, die euch bestimmt schon suchen wird, am besten gar keine Fragen die uns betreffen sollten. Das wirft nur weitere Fragen und Unverständnis auf...' Und noch einmal nur an mich gewandt meinte er geheimnisvoll: 'Wir werden uns wiedersehen, Steffi.'

Am sicheren Strand angekommen, landete Argus sanft in der Nähe unserer Gruppe. Der junge Ranger stieg mit weichen Knien ab. Sofort musste er sich am Drachen mit zitternden Knien festhalten, als er bereits festen Boden unter den Füssen hatte. Für ihn war alles so unglaublich und traumhaft, dass ihm der Flug immer noch in den Gliedern steckte.
Ich rutschte auf dem Rücken von Argus etwas nach vorn, nachdem Olf Tidken abgestiegen war. Spontan legte ich mich nach vorn und schlang meine Arme um den Hals des Drachen. Leise flüsterte ich ihm zu: „Vielen, vielen Dank, Argus! Und richte meinen Dank auch an Eagle und Phönix aus. Ihr wart unsere Rettung heute und richtig traumhaft. Was hätten wir nur ohne euch gemacht? Danke!“
Argus schnurrte leise. Die Umarmung schien ihm zu gefallen. 'Du hast uns gerufen, und wir sind gern zu Hilfe geeilt. Wobei Eagle ja meinte, dass Du selber unsere Hilfe gar nicht gebraucht hättest,' erklärte er geheimnisvoll.
Ich wollte ihm antworten und weitere Fragen stellen. Doch der Drache unterbrach meinen Gedankengang, noch bevor ich ihn aussprechen konnte. 'Ich muss leider los, … Steffi. Eure Suchtrupps nähern sich bereits.' Rasch schwang ich mein Bein über den Körper des Drachen und ließ mich auf dem Bauch an seiner Seite entlang nach unten gleiten. Die Schuppen fühlten sich angenehm warm und weich an.

Der Boden gab unter mir kurz nach, oder waren es ebenfalls meine Knie gewesen? Sofort fing ich mich wieder und winkte Argus noch hinterher, als er gleich darauf in der Nacht verschwand.
Meine Flügel waren, wie durch Zauberei, wieder weg gewesen, kaum dass Argus gelandet war. Olf hatte nichts davon zu sehen bekommen, und das war auch besser so.
Wenig später, kaum dass er weg geflogen war, kamen auch schon die Suchtrupps von zwei Seiten auf uns zu geeilt. Den davonfliegenden Drachen hatte zum Glück niemand mehr gesehen.
Die Gruppe, die voraus gelaufen war, hatte uns vermisst und zu Recht vermutet, dass wir noch nicht aus dem Watt zurück gekehrt waren.

Bei den Suchtrupps lösten sich jetzt ein paar Sanitäter aus der Menge. Einer davon kam sehr zielstrebig auf mich zu. „Hallo Frau Reimor,“ begann er schon von weitem. „Wollten wir schon wieder einmal mit der Flut um die Wette schwimmen?“ fragte er keck.
„Malte!“ rief ich erleichtert. „Sie trifft man aber auch immer wieder am Strand,“ erwiderte ich ebenso schlagfertig. Und wieder einmal war er es, der eine warme Decke um mich legte. Wobei ich noch immer die angenehme, innere Wärme von Argus spürte.
Der Drache hatte so eine Wärme ausgestrahlt, dass mir erst jetzt bewusst wurde, wie kalt und klamm es inzwischen geworden war.

Während Malte so dicht neben mir stand, fragte er leise und völlig unerwartet: „Und wie war es, auf einem Drachen zu fliegen?“ Erschrocken drehte ich mich blitzartig zu ihm um und flüsterte im Affekt: „Woher weißt Du...“ Doch Malte, der Fisch, hielt beschwörend den Zeigefinger vor seinen Mund: „Pssst... Wir wollen doch keine schlafenden Hunde wecken. Dein Geheimnis ist bei mir sicher.“

Ich war mir hingegen völlig unsicher, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Wie weit konnte ich Malte vertrauen? In die wärmende Decke gehüllt wartete ich mit der Gruppe zusammen ab, was die Behörden noch von uns wollten. Offensichtlich war es irgend jemandem doch wichtig, dass wir in die Wärme kamen und medizinisch betreut wurden.
Unterwegs zur Klinik wurden wir deshalb weiter mit vielen Fragen bombardiert. Doch keiner außer mir schien sich überhaupt daran zu erinnern, wie wir ans rettende Ufer gelangt waren. Aber da mir niemand gezielte Fragen stellen wollte, schwieg ich die meiste Zeit der Fahrt über.

Die Kinder berichteten alle ganz aufgedreht und durcheinander, was sie alles gesehen haben wollten. „Ein bunter Vogel, riesengroß, und ein gigantischer Drache, so hoch wie ein Haus, aber ganz lieb war der... wir sind durch die Luft geflogen... nein, stimmt ja gar nicht!... Er hat uns gepackt und aus dem Wasser gezogen... Ich bin hoch über den Wolken geschwebt... ein megagroßer Adler mit weißem Kopf und funkelnden Augen war dabei... der bunte Vogel hat ausgesehen als würde er brennen, so hell war der...“
Fast konnte man meinen, die blühende Fantasie ging mit den Kindern durch. Was auch ein Grund war, weshalb man ihren verworrenen und fantastischen Geschichten kaum Gehör schenkte.

In der Klinik mussten wir alle gemeinsam auf die Krankenstation, damit die Schwester gleich eingreifen konnte, sollte sich über Nacht doch noch bei dem einen oder anderen Fieber wegen Unterkühlung oder ähnliches melden.

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20  Atelier der Bewohner / Geschichten und mehr / Re: Einer neuen Zukunft entgegen (1) - Nordsee (als Buch) am: 27.Mai.2018, 15:52:46
Kapitel 7 – Rettung in letzter Sekunde

Bei dem Gedanken an sie bekam ich ein elektrisierendes Kribbeln und Stechen im Rücken, das ich in der augenblicklichen Situation aber nicht weiter beachtete. Das Wasser hatte meine vorrangige Aufmerksamkeit, und es kam rauschend und mit Macht näher. Dann jedoch bemerkte ich sogleich meinen Irrtum.
Es war nicht das Wasser gewesen, das da so laut rauschte. Es waren große Flügel. Sechs gewaltige Schwingen, die da auf uns zu kamen.

Das was uns da entgegen kam war so fantastisch und unwirklich, dass nicht nur ich vor Schreck und Erstaunen die Luft anhielt. Die Kleinen fingen sich am Schnellsten wieder und riefen begeistert und alle Furcht vergessend: „Drachen! ... Richtige, echte Drachen! ... Mama, Mama, Mama, ... sieh mal.“
Von diesen Fabelwesen schien weniger Bedrohung auszugehen als vom unbändigen Wasser, das mit Nachdruck immer näher kam und bereits versuchte uns mit all seiner Macht von den Füßen zu reißen.
Den kleineren Kindern ging das Wasser bereits bis zur Hüfte und riss sie ständig von den Beinen, so dass die Mütter alle Hände voll zu tun hatten.
Es waren drei dieser fantastischen Wesen, eines bizarrer als das andere. Sie verharrten vor uns flügelschlagend in der Luft. Dann setzten sie wie durch Zauberhand auf dem Wasser auf ohne einzusinken. Ihre Flügel hielten sie ausgleichend und schützend ausgebreitet über dem Wasser.

Der Kleinste der drei sah mit seinem weißen Haupt und dem gelben spitzen Schnabel aus wie ein überdimensional großer Weißkopfseeadler. 'Das muss Eagle sein', vermutete ich richtig. Er war so riesig, dass ein Erwachsener bequem auf ihm sitzen und mitfliegen konnte.
Wer genau hinsah, konnte sehen wie er uns verschmitzt zu blinzelte. Ich sah mir jedoch auf der Stelle auch die anderen beiden an. Ich ahnte sofort, wer uns da zu Hilfe geeilt war, und Argus zwinkerte mir heimlich grüßend zu.
Ich hatte zwar immer ihre Abbilder beim Chatten vor Augen gehabt, aber ich hätte ebenso niemals zu träumen gewagt, dass es sie wirklich gab.

Argus war als Drache am Imposantesten. Mit seinen gut 20 Metern Länge, den weiten Flügeln und seinen ebenmäßigen Schuppen, die irgendwie kupfern und braun schimmerten und doch ständig die Farbe zu wechseln schienen, war er geradezu das Ideal eines westlichen Drachen.
Der dritte stach nicht nur durch seine rot-goldene Farbe von den anderen ab, sondern war tatsächlich halb Phönix und halb Drache. Der ganze Körper war mit Schuppen ähnlichen Federn bedeckt, die Flügel ganz mit rot-goldenen Federn, wobei die Spitzen der Federn fast wie Gold glänzten.

'Wir kommen, um zu helfen,' klang eine sonore Stimme durch unsere Köpfe. Olf Tidken sah verdutzt von einem zum anderen, und dann zu mir und den anderen der Gruppe. Er wusste nicht, ob er sich fürchten oder lieber froh sein sollte, dass uns allen geholfen werden konnte.
Argus wusste um seinen inneren Kampf und erklärte zuvorkommend: 'Es wird kein anderer schnell genug helfen können. Und ich versichere, dass wir alle sicher ans rettende Ufer fliegen können... wenn wir uns jetzt beeilen! Je länger wir warten müssen, desto schwieriger wird das Aufsteigen werden.' Und speziell für den Ranger fügte Argus hinzu: 'Glauben Sie nicht all die Märchen, die man über uns Drachen erzählt. Ich persönlich habe noch nie einen Menschen gefressen!'

Olf Tidken schien unschlüssig zu sein, wie er sich entscheiden sollte. Ich machte es mir jedoch ziemlich einfach, indem ich scheinbar unwissend und gespielt ungläubig mit den Schultern zuckte. „Ich sehe das so, wenn sie uns wirklich hätten fressen wollen, hätten sie sich die Plauderei sparen können und wären direkt über uns hergefallen.“ Dabei zwinkerte ich Argus ebenfalls heimlich zu.
Deshalb folgerte ich aufmunternd: „Wenn das keine Fügung des Schicksals ist. Wer will als erstes einen Freiflug haben?“ Die Kinder waren sofort begeistert dabei und vergaßen indes völlig, in welcher Gefahr sie bis gerade eben noch geschwebt hatten.

Wir kamen überein, dass ein Erwachsener gemeinsam mit den Kindern mit fliegen sollte. Schnell kletterten alle Kids bei Argus auf, der bereitwillig seine Pranke als Aufstiegshilfe entgegen streckte. Er schwebte noch immer halb schwimmend über dem Wasser und müsste eigentlich aufgrund seines Gewichtes darin versinken. Aber etwas wie Magie musste ihn wohl über Wasser in der Luft verharren lassen.
Kaum dass alle Kinder mit dem Erwachsenen auf Argus Platz gefunden hatten, erhob sich der Drache in die Luft und flog geradewegs zur Küste zurück.
Unterdessen verteilte unser Watt-Experte weitere Plätze auf Eagle und auf Phönix, was aber auch einige Überredungskünste bei den ängstlichen, fast überforderten Müttern nötig machte. Olf hatte als Vorbild seine Angst vorerst überwunden. Für ihn galt es nun in erster Linie, alle aus der hereinbrechenden Flut zu retten.
Beide Freunde versuchten mir tröstende und beruhigende Gedanken zu schicken, aber ich war viel zu sehr mit mir selber beschäftigt. Das Meer stieg jetzt sehr rasch an. Und das Wasser kam mit einer unbarmherzigen Macht zurück und riss uns schon fast von den Beinen.
Irgendetwas eigenartiges ging in mir und mit mir vor. Es beunruhigte mich sehr, dass ich nicht wusste was es war, oder dass ich es nicht beeinflussen konnte. Mir war plötzlich gar nicht mehr wohl in meiner Haut, die sich für mich seltsam beengend anfühlte.

Gerade als die beiden mit den letzten zu Rettenden losflogen, war Argus bereits wieder zurück. Mit einem Blick erfasste er die neue Situation. 'Steffi...' begann er seinen Satz in Gedanken zu mir, wobei eine kleine Unsicherheit im Ton mitschwang. Er war auch sehr darauf bedacht, dass seine Gedanken nur zu mir durch drangen, jedoch nicht bei Olf landeten.
'Was passiert da gerade mit mir? Es fühlt sich unvollkommen an,' erklärte ich unwohl und nur für den Drachen hörbar. 'Steffi, Du brauchst keine Angst zu haben um das, was mit Dir gerade passiert,' versuchte Argus mich zu beruhigen. 'Wenn Du es nicht möchtest, wird es auch nicht geschehen. Aber vielleicht sollten wir an einem ruhigeren Ort weiter reden.'
Ich stimmte ihm zu, da meine Lage durch das stetig steigende kalte Meerwasser nicht besser wurde, und der Drache ebenfalls von den Wellen heftig umspült wurde. 'Du hast Recht, lass uns später reden.'
 
Zuvorkommend halfen er und Olf Tidken mir auf den Rücken von Argus. Wobei ich meinen Platz hinter Olf fand, welcher sich bereits jetzt schon krampfhaft vornüber gebeugt am Hals des Drachen festhielt. Seinen Kopf zu mir drehend meinte Argus noch: 'Du hast übrigens herrliche Flügel, Steffi.'
Erschrocken, und auch ein wenig geschmeichelt, drehte ich meinen Kopf um zu sehen, was er gemeint hatte. Tatsächlich sah ich hinter mir ein paar filigrane Flügel, die noch fest zusammen gefaltet waren. Durch den Nebel und das Dämmerlicht konnte ich keine Farben erkennen, aber sie schienen nicht weiß zu sein.
'Haltet euch gut fest, es geht los,' gab er uns beiden zu verstehen. Tidken verkrampfte sich noch mehr und klebte förmlich am Hals des Drachen. Ich merkte ihm an, dass er mit dieser nicht alltäglichen Situation völlig überfordert war.
Argus erhob sich flügelschlagend in die Lüfte.

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